Interview mit dem "Stern" Weidel fühlt sich in Deutschland "politisch verfolgt"
27.06.2023, 11:07 Uhr Artikel anhören
Alice Weidel ist zusammen mit Tino Chrupalla Partei- und Fraktionschefin der AfD.
(Foto: picture alliance / Flashpic)
AfD-Chefin Weidel sieht den Verfassungsschutz als "selbst verfassungsfeindlich" an, der die AfD "zur politischen Verfolgten" mache. Im "Stern" fordert Weidel zudem den "Rückbau" der Europäischen Union und verteidigt den russischen Präsidenten Putin.
Die AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel hat dem Verfassungsschutz vorgeworfen, nicht unabhängig zu agieren und die AfD aus politischen Gründen zu "diskreditieren". Auch für die Abwehr islamistischer Gefährder brauche man keinen Verfassungsschutz, sagte Weidel im Interview mit dem "Stern", dafür gebe es "polizeiliche Methoden".
Die AfD werde "zur politisch Verfolgten gemacht", sagte Weidel. "Auch ich fühle mich politisch verfolgt. Ich finde es unglaublich, von einer komplett durchgedrehten Behörde als Oppositionspolitikerin bespitzelt zu werden."
In Thüringen wird die dortige AfD vom Landesamt für Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch beobachtet. Auf Bundesebene rechnet der Verfassungsschutz 10.200 Anhänger der AfD als Teil der extremistischen Strömungen; die Partei hat derzeit knapp 29.000 Mitglieder.
Weidel sagte dem "Stern", in Deutschland werde "ein Inlandsgeheimdienst aufgefahren, um eine Partei vom politischen Wettbewerb auszuschließen". Der Verfassungsschutz sei "selbst verfassungsfeindlich".
Auf die Frage, ob sie die Rechtsextremen in ihrer Partei kritisiere oder verteidige, sagte Weidel, sie habe noch keine Rechtsextremen in der AfD entdecken können. Zum Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke habe sie "ein gutes Verhältnis, ein Arbeitsverhältnis". Höcke ist Anführer des offiziell aufgelösten völkisch-nationalen "Flügel" in der AfD, er gilt als starker Mann in der AfD. Nach Niederlagen gegen ihn sind die früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke, Frauke Petry und Jörg Meuthen aus der Partei ausgeschieden.
Russlands Krieg ist völkerrechtswidrig - "aber ..."
Weidel forderte zudem den "Rückbau" der Europäischen Union und die Entlassung aller EU-Beamten. "Diese Beamten müssen alle auf die Straße gesetzt werden. Sie sollen sich einen normalen Job suchen und mal selbst für Wertschöpfung sorgen." Sie verteidigte außerdem den russischen Präsidenten Wladimir Putin: "Man kann nicht einfach sagen, der Putin ist ein Kriegsverbrecher", sagte sie dem "Stern". Der Angriff auf die Ukraine sei völkerrechtswidrig gewesen. "Aber der Westen kann seine Hände nicht in Unschuld waschen. Er macht im Umgang mit Russland seit 30 Jahren Fehler." Das Werben für den NATO-Beitritt der Ukraine hätte niemals betrieben werden dürfen, so Weidel. "Das hat Russland immer klar als rote Linie benannt."
Tatsächlich war der Auslöser für den russischen Überfall auf die Ukraine nicht der von der Ukraine angestrebte NATO-Beitritt, sondern die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union 2014, wie der Historiker Serhii Plokhy ntv.de sagte. "Putins Ziel war es, die Ukraine in seine Eurasische Wirtschaftsunion aufzunehmen und Russland so zu einem der Pole einer multipolaren Welt zu machen. Diese Idee ist gescheitert, also griff er zu Plan B: Er annektierte die Krim, begann den Krieg im Donbass und versuchte, die Ukraine unregierbar zu machen, indem er ihr nicht erlaubte, sich weiter nach Westen zu bewegen."
Quelle: ntv.de, hvo