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Tokioterin in Angst "Keine Ahnung, wie es weitergeht"

Das Einkaufsviertel Ghinza ist normalerweise hell erleuchtet.

Das Einkaufsviertel Ghinza ist normalerweise hell erleuchtet.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die ganze Welt hält seit einer Woche den Atem an, denn Japan droht eine atomare Katastrophe ungekannten Ausmaßes. Vor allem die Einwohner Tokios blicken mit Sorgen in Richtung Fukushima. Auch die Web-Designerin Yoko Hirose. Sie schildert ihre Eindrücke n-tv.

n-tv: Die Situation in Japan scheint völlig unübersichtlich. Die Nachrichten sind widersprüchlich, die Bilder furchtbar. Wie gehen Sie damit um?

Yoko Hirose: Es ist vor allem anstrengend und nervenaufreibend, denn ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht. Ich weiß nicht, was als nächstes kommt. Die Fernsehbilder der vom Beben und vom Wasser heimgesuchten Orte sind schrecklich. Deshalb ist mir beispielsweise ein Kurssturz an der Börse völlig egal. Mich interessiert nur, wie wir diese Situation überstehen.

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie die Bilder von Fukushima sehen?

Ich bin schlicht und ergreifend beunruhigt. Ich wünsche mir, dass so schnell wie möglich eine Lösung gefunden wird.

Yoko Hirose

Yoko Hirose

(Foto: Yoko Hirose)

In Deutschland fragen sich viele, warum kaum ein Einwohner Tokios die Stadt verlässt. Woran liegt das?

Hier sind wir viel ruhiger, als Sie vielleicht denken. Natürlich ist diese Situation auch für uns ungewöhnlich. Wir sind bestürzt - aber zugleich voller Geduld und Ausdauer.

Wie wirkt sich die Katastrophe auf Ihren Alltag aus?

Hier in Tokio ist die Lage schon recht unsicher. Wir können nicht wie gewohnt Alltagsprodukte kaufen, der Verkehr ist ziemlich eingeschränkt. Außerdem fürchten wir, dass es zu einem weiteren Beben kommen kann. Aber wir dürfen uns angesichts der Situation im Nordwesten Japans darüber nicht beklagen.

Fühlen Sie sich in Gefahr?

In vielen Supermärkten sind die Regale leer.

In vielen Supermärkten sind die Regale leer.

(Foto: REUTERS)

Ja. Wir wissen einfach nicht, ob uns das Schlimmste noch bevorsteht.

Haben Sie Maßnahmen ergriffen, um sich vor möglicher Strahlung zu schützen?

Als ich heute Morgen ins Büro ging, habe ich einen Atemschutz getragen. Hier in Tokio gibt es zwar keine starke Strahlung, aber damit fühle ich mich zumindest ein kleines bisschen sicherer.

Sie arbeiten also trotz allem ganz normal weiter?

In unserem Büro müssen wir auf so viel Strom wie möglich verzichten. Das schränkt uns zwar ein, klappt aber ganz gut. Wirklich schwierig ist es allerdings, überhaupt ins Büro zu kommen. Sollte der Verkehr in einigen Monaten noch immer so eingeschränkt sein, dann wird unser Leben völlig anders aussehen als bislang. Aber natürlich ist unser Leben jetzt schon aus dem Takt geraten. So hat meine Mutter eine ganz besondere Familienfeier absagen müssen - aufgrund einer Erdbebenwarnung!

In Deutschland hat man den Eindruck, die Japaner gehen außerordentlich diszipliniert mit dieser ungewöhnlichen Situation um …

Das stimmt. Wir wissen ganz genau, wie man sich verhalten muss. Wir führen jetzt auch keine Debatten über die Auswirkungen der Katastrophe auf die Wirtschaft oder über einen Atomausstieg. Momentan wünschen wir uns nur, dass sich die Situation beruhigt.

Sie haben keine Pläne, Tokio zu verlassen?

Das würde ich nur machen, wenn noch der Fujijama ausbricht. Erst dann würde ich nach Süden, in die Heimatstadt meines Mannes, gehen.

Mit Yoko Hirose sprach Jan Gänger

Quelle: ntv.de

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