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Der sensible Provokateur Gottfried Helnwein stellt sich gegen den Schmerz

Oft sind Kinder die Motive in Helnweins Werken.

Oft sind Kinder die Motive in Helnweins Werken.

(Foto: Geuer & Geuer)

Der gebürtige Österreicher Gottfried Helnwein widmet sich in seiner Arbeit den verletzlichsten Mitgliedern unserer Gesellschaft und bleibt gerade dadurch höchst politisch und aktuell. Der international erfolgreiche Maler und Fotograf, der auch mit Installationen und Performances Aufsehen erregt, gehört zu den wohl bekanntesten deutschsprachigen Künstlern der Gegenwart und bleibt dennoch höchst umstritten.

Gottfried Helnwein provoziert mit kontroversen Bildern.

Gottfried Helnwein provoziert mit kontroversen Bildern.

(Foto: Geuer & Geuer)

Die Werke von Gottfried Helnwein vermitteln eine befremdliche und rohe Dramatik verlorener Unschuld. Er beschäftigt sich vor allem mit psychologischen und soziologischen Ängsten, historischen und politischen Fragestellungen. Daher wird sein Werk oft als provokant und kontrovers angesehen. In seinen bisweilen albtraumhaften Bildern verhandelt er auf ebenso intensive wie schockierende Weise Themen der Gewalt und des Missbrauchs, brutal und gleichzeitig poetisch. Zu seinen bekanntesten Bildern gehören hyperrealistische Darstellungen verwundeter und bandagierter Kinder. Die Motive sind verstörend, nicht eindeutig und rätselhaft. Dieser Meister der Malerei greift auch Tabuthemen der jüngeren Geschichte auf, so verarbeitet er die gesellschaftlichen Folgen des Nationalsozialismus in seinen Werken. Zudem ist er für seine einfühlsamen Fotoportraits von prominenten Künstlern bekannt. Stars wie Andy Warhol, William Burroughs, Keith Richards Michael Jackson und Keith Haring haben sich ihm anvertraut. Das Ergebnis sind intime Bilder, die einen Blick hinter die öffentlichen Fassaden dieser komplexen Persönlichkeiten ermöglichen. Gottfried Helnweins Perspektive ist dabei nie voyeuristisch oder gar zynisch, vielmehr schafft er Bilder von sublimer Eleganz und größter Empathie.

Gottfried Helnwein gehört zu den wohl bekanntesten deutschsprachigen Künstlern der Gegenwart und ist dennoch höchst umstritten

Gottfried Helnwein gehört zu den wohl bekanntesten deutschsprachigen Künstlern der Gegenwart und ist dennoch höchst umstritten

(Foto: Hamish Brown)

Geboren wird Gottfried Helnwein 1948 als Sohn eines Postbeamten in Wien, wo er auch seine Kindheit und Jugend verbringt. Seine Erinnerungen an die bleierne Zeit nach der Naziherrschaft sind düster: "Wien war ein dunkler Ort. Es fühlte sich an, als wäre man in die Hölle hineingeboren worden, weil jeder Erwachsene aggressiv, mürrisch oder depressiv war." sagt er später in einem Interview mit dem Irish Independent. Seine Flucht aus der grauen Realität sind Comic-Hefte, die ihn begeistern, erheitern und inspirieren. "Der einzige Lehrer, von dem ich wirklich etwas lernte, war Walt Disney", bekennt er in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Folgerichtig besuchte er in den 1960er-Jahren erst die Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, anschließend folgt ein Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste. Dort wird er Meisterschüler des "phantastischen Realisten" Rudolf Hausner. Früh erhält Gottfried Helnwein Auszeichnungen wie den Meisterschulpreis im Jahr 1970, den Kardinal-König-Preis 1971 und drei Jahre später den Theodor-Körner-Preis. Zu dieser Zeit nutzt er bereits verschiedene Techniken und Stilmittel: Neben Zeichnung und Malerei ist auch die Fotografie, oft in Zusammenhang mit Performances, ein wichtiger Teil seiner künstlerischen Praxis. Gottfried Helnwein provoziert schon damals mit kontroversen Bildern sein Publikum. Seine Ausstellungen lösen Proteste aus, werden geschlossen, manche Arbeiten von der Polizei konfisziert. Ende der 70er Jahre widmet sich Helnwein zunehmend den Figuren der Pop- und Trivialkultur, sein erklärtes Vorbild bleibt Walt Disney. Helnwein nutz dabei nicht nur die Bildsprache und Formen des Comics, er integriert und verbindet vielmehr Figuren aus gänzlich unterschiedlichen Welten in seinem eigenen Bilderkosmos. Er führt gekonnt zusammen, was eigentlich nicht zusammenpassen darf.

In den 1980er Jahren zieht der Künstler nach Deutschland, wo er bis 1997 auf einem Schloss in der Eifel residiert und arbeitet. In dieser Zeit beginnt er, großformatige Fotos mit abstrakter Malerei zu verbinden. In den späten 1990er-Jahren wechselt er das Schloss und bezieht das Castle Gurteen de la Poer in der irischen Grafschaft Waterford.

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Über die Jahre werden Helnwein große Retrospektiven in aller Welt gewidmet, darunter in St. Petersburg, Los Angeles, im Fine Arts Museum in San Francisco, im Chinesischen Nationalmuseum in Peking und natürlich in seiner Geburtsstadt Wien. Seine Ausstellung 2013 in der dortigen Albertina ist mit mehr als 250.000 Besucher*innen die bis dato am meisten besuchte Retrospektive eines lebenden Künstlers in dieser renommierten Institution.

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Helnweins Bilder treffen die Menschen nach wie vor ins Mark, sie schockieren und bewegen immer noch die Herzen. Auch seine aktuellen Werke wie das Gemälde "The Disasters of War 36" haben nichts von der inhaltlichen und technischen Brillanz seines Frühwerks eingebüßt.

Die Werkserie "Disasters of War" ist eine offene Werkserie. Helnwein arbeitet seit 2007 daran. Er verwendet dabei immer dasselbe Bild aus 2006/07. Die Serie beruft sich auf Goyas Grafikzyklus "Desastres de la Guerra", die sich mit dem Thema Kriegsverbrechen auseinandersetzt.

In diesem Frühling zeigt das Ludwig Museum Koblenz unter dem Titel "Schlaf der Vernunft" eine Auswahl von über 34 Gemälden. Außerdem präsentiert die Galerie Geuer & Geuer Art in Düsseldorf mit "Das stille Leuchten" die erste Galerieausstellung des Künstlers in Deutschland seit 2006. Gottfried Helnwein nutzt weiterhin sein kompromissloses Formenvokabular, um mit scharfem und schonungslosem Blick auf Verlorenheit und Verletzlichkeit hinzuweisen und die Folgen von Repression, falscher Autorität und Gewalt anzuprangern.

Mehr Kunstwerke von Gottfried Helnwein (Anzeige)

Die Dokumentation "Gottfried Helnwein - Kunst als Waffe" mit Wolfram Kons ist jederzeit abrufbar bei TV NOW.

ntv art präsentiert in Kooperation mit Geuer & Geuer Art jeden Monat bedeutende Künstler der internationalen Kunstszene.

Quelle: ntv.de

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