Der Kunde gewinnt Alternativer Autovertrieb ist im Kommen
04.05.2017, 13:57 Uhr
In Italien verkauft Fiat seine Modelle bei Amazon.
Immer häufiger nutzen die Autohersteller Vertriebswege abseits der eigenen Autohäuser. Auch wenn sich die Peugeot-Manager hier vor kurzem verzockt haben, sind die Kunden von den hier gebotenen Rabatten begeistert. Es locken Nachlässe von bis zu 40 Prozent.
Ihr großes Netz von Autohäusern in ganz Deutschland ist für die Fahrzeughersteller Fluch und Segen zugleich. So ist man dank des Händlers vor Ort zwar nah am Kunden, muss dafür aber einen Gutteil der Gewinnmarge abdrücken. Immer häufiger öffnen Autobauer daher über das Internet alternative Vertriebskanäle. Das kann schief gehen, wie zuletzt das Beispiel von Peugeot gezeigt hat. Es kann aber auch zum Wettbewerbsvorteil werden. Vor allem für Newcomer
Lynk&Co. wird nur übers Internet verkauft
Die chinesische Marke Lynk&Co. hat keinen einzigen Vertragshändler in Deutschland – und will diesen Nachteil in einen Vorteil ummünzen. Ab 2018 sollen die ungewöhnlich poppig gestalteten SUV der Marke hierzulande komplett über das Internet vertrieben werden. "Nach unserer Rechnung können damit die Fahrzeugkosten um bis zu 10 Prozent reduziert werden", kalkuliert Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen. Bei einem Kompakt-SUV für 30.000 Euro verringern sich so die Vertriebskosten um 3000 Euro – ein Betrag, den der Kunde am Ende spart. "Eine stattliche Zahl, die in den nächsten Jahren im Automobilvertrieb eine Art Flächenbrand auslösen könnte", so Dudenhöffer.
Die etablierten Hersteller gehen bislang jedoch zurückhaltend mit dem Online-Vertrieb um. Lediglich kleinere Testballons wurden bis dato gestartet. So hat beispielsweise Volvo ein Sondermodell des XC90 exklusiv über das Internet verkauft, Mercedes bietet eine kleine Auswahl vorkonfigurierter Modelle online an und Fiat stellt in Italien ausgewählte Fahrzeuge auf dem Online-Marktplatz von Amazon aus. Vor der Ausweitung des Angebots schreckt die Branche aber noch zurück. Zu groß ist die Sorge, die niedergelassenen Händler zu vergrätzen und das klassische Vertriebs- und Werkstattnetz zu beschädigen.
Peugeot-Management verzockt sich

Bei den Kunden kam der für 99 Euro monatlich angebotene Peugeot 208 sehr gut an. Bei den Händlern nicht.
Wie schnell der Test alternativer Vertriebswege nach hinten losgehen kann, musste zuletzt das deutsche Top-Management des französischen Autoherstellers Peugeot erkennen. Gemeinsam mit dem Mobilfunkanbieter 1&1 hatte man ein beispielloses Schnäppchenpaket geschnürt, in dem neben einem Handyvertrag auch ein Leasingauto steckte. Der Kleinwagen vom Typ 208 war für monatliche Leasingraten von 99 Euro zu haben - ohne Anzahlung oder Überführungskosten, dafür inklusive Versicherung und Steuer, was einen Rabatt von rund 40 Prozent ausmachte. Rund 5000 Kunden schlugen zu. Viel mehr, als man bei Peugeot erwartet hatte. Die Händlerschaft der Marke reagierte auf die Billigkonkurrenz erbost, wie zu hören war. Was genau hinter den Kulissen passiert ist, ist unklar. Klar ist: Die drei obersten Deutschland-Manager der Marke mussten ihren Hut nehmen. Und das Billigangebot wurde schnell eingestellt.
Die Suche nach neuen Vertriebswege geht aber weiter. Auch wenn sich dadurch zunächst kaum Kosten sparen lassen, spricht man immerhin neue Kundengruppen an. Junge Autofahrer etwa, die es eher ins Internet zieht als ins klassische Autohaus. Opel beispielsweise bietet aktuell ein Sondermodell des Kleinstwagen Adam über Amazon an. Leasingkunden können die aus der TV-Show mit Heidi Klum bekannte "Germanys Next Topmodel"-Edition online reservieren und sie anschließend beim niedergelassenen Händler abholen. Für den Kunden ist das Angebot durchaus attraktiv: Bei Amazon ist der Adam nach Berechnungen des CAR rund 2200 Euro günstiger als im Konfigurator auf der Opel-Website.
Aber nicht nur die Hersteller nutzen immer stärker das Internet. Auch die Händler selbst treten inzwischen online an und bieten über sogenannte Neuwagenvermittler Autos mit hohen Rabatten an. Fiat-Modelle gibt es dort aktuell mit etwa 30 Prozent Nachlass, auch einen Renault Clio, einen Hyundai i10 oder einen Opel Corsa bekommt man dort rund ein Viertel billiger als es die offizielle Preisliste vorsieht.Dank Internet und Online-Vertrieb werden Wettbewerb und Preisdruck wohl auch künftig weiter wachsen. "Die Händlernetze der Autobauer kommen damit unter zusätzlichen Druck", prognostiziert Dudenhöffer. "Gewinner bleibt der Kunde."
Quelle: ntv.de, hpr/sp-x