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Fahrt im bayrischen SUV-Oberhaus BMW X7 - eine Wuchtbrumme gegen den GLS

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Der BMW X7 will in erster Linie ein Cruiser für die Langstrecke sein, scheut aber auch das Gelände nicht.

(Foto: Holger Preiss)

Mit dem X7 schickt BMW jetzt einen echten Konkurrenten gegen den Mercedes GLS ins Rennen. Dabei achten die Münchner in allen Belangen darauf, dass sich auch das 5,15-Meter-Schiff noch fährt wie ein echter BMW. Und das wird einmal mehr zur Glaubensfrage.

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Der BMW X7 überragt den aktuellen Mercedes GLS ebenso wie den Audi Q8.

(Foto: Holger Preiss)

Mit dem BMW X7 haben die Bayern zum ersten Mal ein SUV in der Größenordnung des aktuellen Mercedes GLS an den Start gebracht. Damit muss sich der Platzhirsch aus Stuttgart seit 2006 erstmals zwei deutschen Konkurrenten stellen, denn auch der Audi Q8 fährt gerade in dieses Segment vor. Mit 5,15 Metern überragt der X7 den Schwaben um drei Zentimeter und hat im Längenvergleich auch beim Radstand gewonnen. Hier sind es 2,5 Zentimeter mehr. Aber die pure Größe bringt hier natürlich nichts. Denn die Maße beziehen sich auf das Auslaufmodell von Mercedes. Die Neuauflage kommt noch in diesem Jahr und die Basis wird der neue GLE liefern, den wir auf diesen Seiten schon ausführlich besprochen haben.

Doch konzentrieren wir uns auf den X7: Gebaut wird dieses Schlachtschiff in South Carolina natürlich in erster Linie für den US-Markt, erst danach folgt erstaunlicherweise China auf der Absatzliste. Aber auch in Deutschland dürften sich Fans für den großen Bayern finden. Vom GLS verkaufte Mercedes in guten Jahren immerhin zwischen 2250 und 3000 Fahrzeuge. Und das bei stattlichen Preisen. Die ruft auch BMW für den X7 auf. Der in den USA vorgestellte xDrive 40i steht ab 86.000 Euro in der Liste. Letztlich dürfte das aber für den bereits in Serie sehr gut ausgestatteten Bayern nicht das Ende der Fahnenstange sein. Die Optionsliste ist lang und könnte Begehrlichkeiten wecken, die den Preis locker über die 100.000-Euro-Marke schnippen lassen.

"Wir wollen, dass man merkt, dass es ein BMW ist"

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Mit 2,4 Tonnen ist der BMW X7 kein Leichtgewicht mehr.

(Foto: Holger Preiss)

Neben den vielen Features zum Wohlfühlen hat BMW größten Wert darauf gelegt, dass vor allem das Fahrwerk den in den USA geforderten Langstreckenkomfort erfüllt. Zur Serienausstattung gehören deshalb ein adaptives Fahrwerk mit elektronisch geregelten Dämpfern und eine Zweiachs-Luftfederung. Die bringt den 2,4-Tonner ohne Wankelmut durch die Kehre und über die zahlreich vorhandenen Unebenheiten US-amerikanischer Straßen. Kurze Stöße über Bums kann aber auch dieses System nicht vollständig wegfedern. Wer das Schaukeln noch weiter unterbinden will, der muss sich für die Wankstabilisierung entscheiden. Allerdings gibt es die nur im Offroad-Paket. Mit elektrischen Schwenkmotoren soll sie für einen besonders schnellen Ausgleich von Seitenneigungskräften bei dynamischen Kurvenfahrten sorgen.

Wie dem auch sei: Den Wunsch, den Fahrdynamik-Chef Daniel Nowicki für den X7 hat, formuliert er so: "Wir wollten auch beim X7, dass man merkt, dass es ein BMW ist. Unser Wunsch war, dass sich jemand mit verbundenen Augen in den Wagen setzt und nach 40 Sekunden Fahrt weiß, dass er in einem BMW sitzt." Auch wenn der Autor mit offenen Augen gefahren ist, kann er bestätigen, dass allein am Lenkprofil des X7 bereits nach wenigen Momenten klar ist, dass es sich um einen BMW handelt. Zwar sind die Kraftaufwendungen wesentlich geringer als bei den wendigen SUV der Bayern wie zum Beispiel bei einem X2 oder X1, aber die knackige Präzision, mit der auch das Trumm ums Eck geführt werden kann, ist beachtlich.

Die Glaubensfrage: spitz oder nicht?

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Auf der Rennstrecke wird man den BMW X7 eher nicht finden.

(Foto: Holger Preiss)

Allerdings muss man anmerken, dass es in der Größenordnung eines X7 und bei einer Höhe von 1,80 Meter einmal mehr eine Glaubensfrage ist, ob der Pilot dieser Wuchtbrumme eine solch spitze Lenkung haben möchte. Denn bei aller technischen Finesse des Fahrwerks: Die Eigenbewegung des größten SUV aus bayrischer Produktion bei schnellen Lenkwechseln unter Kontrolle zu halten, ist nicht ohne. Und so wird der, der es provoziert, auch beim X7 das schiere Gewicht merken. Für mehr Stabilität in den Kehren sorgt eine von BMW optional angebotene Integral-Aktivlenkung. Je nach Geschwindigkeit bringt die eine gleich- oder gegenseitig mitlenkende Hinterachse ins Spiel und sorgt so für mehr Agilität beim Kurvenlauf, beim Spurwechsel und beim Parkvorgang.

"Prinzipiell", so Nowicki, glaube er aber nicht, "dass das Publikum eines X7 in diesem Auto Rennstrecken-Feeling haben will oder gar exzessiv ins Gelände fährt." Dennoch betont der Ingenieur, dass "mit diesem Auto alles möglich ist". Eine durchaus glaubhafte Ansage, denn selbst bei der Testfahrt von El Paso (Texas) nach Phoenix (Arizona) mit dem "kleinen" Sechszylinder-Benziner zeigt das Triebwerk eine erstaunliche Souveränität im Umgang mit den 2,4 Tonnen. Gerade in der Längsbeschleunigung war der 40i kaum zu stoppen. Wer das Gaspedal mit Schmackes ins Blech bügelt, der darf erstaunt feststellen, dass die 100-km/h-Marke bereits nach 6,1 Sekunden gefallen ist. Aber der Sechsender kann mit seinen 340 PS und einem maximalen Drehmoment von 450 Newtonmetern noch mehr.

Der kann auch richtig schnell

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In der Längsbeschleunigung ist auch der BMW X7 eine Macht. Darüber muss der Autor in Western-Kulisse erst einmal nachdenken.

(Foto: Uwe Fischer)

Mit beschleunigtem Herzschlag brachte es der Autor auf einer von keiner Highway Patrol kontrollierten Strecke auf 126 Meilen pro Stunde, 203 km/h. Nicht dass an dieser Stelle der Leichtsinn in den Vordergrund gestellt werden soll. Vielmehr geht es um die Unbekümmertheit, mit der hier angeschoben wird. Glaubhaft versichert BMW, dass die Höchstgeschwindigkeit des Luxus-SUV bei Tempo 245 liegt. Wem das nicht genügt, der darf sich mit Blick auf benzingetriebene Fahrfreude auf einen kommenden völlig überarbeiteten V8 freuen. Der wird an die 500 PS haben und nicht weniger als 700 Newtonmeter an alle vier Räder weiterreichen.

Genaue Angaben macht BMW noch nicht, nur so viel: Das Power-Paket wird noch in diesem Jahr vorgestellt. Für Vielfahrer wird es natürlich auch in Form des xDrive 30d einen Diesel im Portfolio geben. Aus seinem Reihensechszylinder schöpft der 265 PS und ein maximales Drehmoment von 620 Newtonmetern. Ganz so spritzig wie die oben genannten Benziner wird der Selbstzünder nicht voranschreiten, aber auch für ihn ist eine Höchstgeschwindigkeit von 227 km/h im Datenblatt vermerkt. Der Einstiegspreis liegt hier bei 84.300 Euro.

Sanft ausgefedert

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Das Innenleben des BMW X7 wirkt wie das des X5 sehr frisch und jugendlich.

(Foto: Daniel Kraus)

Aber noch mal, die vorrangige Nutzung eines BMW X7 wird nicht beim High-Speed-Lauf auf der Autobahn oder dem Highway sein, sondern in der luxuriösen Überbrückung von Langstrecken. Und dass der Bayer das kann, hat er auf den mehr als 500 Testkilometern unter Beweis gestellt. Neben einem recht üppigen Raumangebot, das auf den optionalen sechs Einzelsitzen herrscht, dürfte das betuchte Publikum auch die Laufruhe des SUV freuen. Auch hier soll der Fahrdynamik-Chef noch einmal zitiert werden: "Basis sind für den X7 ja 19-Zoll-Räder. Wir haben das Ganze aber so ausgelegt, dass man auch mit 22-Zöllern keine Komforteinbußen erlebt." Ja, auch das soll an dieser Stelle unterschrieben werden.

Selbst in der dritten Reihe, in der auch Erwachsene bis 1,85 Meter Körpergröße recht bequem reisen können, gibt es kein störendes Holpern oder Wackeln. Für das Entertainment ist ebenfalls gesorgt, was gerade auf den vier hinteren Sitzen wichtig ist. Die Ladebuchsen sind zukunftsorientiert bereits im Format USB-C. Lediglich in der ersten Reihe gibt es noch zwei herkömmliche USB-Ports. Wer will, kann sich natürlich Monitore an die Rücksitze der ersten Reihe heften lassen. Die sind dann nicht nur als Abspielstation persönlicher Videos zu nutzen, sondern bilden gleichsam eine Art Infotainment-Station. Nicht nur, dass von dort das Musikprogramm gesteuert werden kann - viel Spaß, liebe Eltern - es kann auch die Navigation mitverfolgt oder die Klimaanlage bedient werden.

Nicht alles ist easy going

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In der dritten Reihe finden auch zwei Erwachsene bis 1,85 Meter ausreichend Platz.

(Foto: Daniel Kraus)

Ob allerdings die verwirrende Kopplung des Smartphones an die Multimediaeinheit für allgemeine Freude sorgt, darf bezweifelt werden. Zwar lassen sich bis zu vier Smartphones problemlos in das fahrzeugeigene WLAN einbinden, aber schon bei der Musikwiedergabe über Bluetooth oder gar über den USB-Anschluss wird es komplizierter. Was schade ist, denn eigentlich heißt es: USB-Kabel ans Smartphone stecken und ab die Mugge.

Doch wenden wir uns einem anderen Luxus zu, der nicht unerwähnt bleiben soll: das Panoramadach. Es erstreckt sich nämlich nicht nur bis über die zweite Reihe, sondern erhellt auch die Fahrgäste auf den zwei Einzelsitzen in der dritten Reihe. Und das auf Wunsch mit einem Sternenhimmel. Nicht der, in den man ohnehin gucken kann, sondern einen, der durch blaue LED-Leisten in den Seiten des Glasdachs und eine Struktur im Dach erzeugt wird. Davon hat der Fahrer natürlich erdenklich wenig, denn der hat die Augen auf die Straße zu richten.

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Ein optionales Highlight ist der "Sternenhimmel" im Glasdach, das sich bis über die dritte Sitzreihe spannt.

(Foto: BMW)

Dass für den die Fahrt nicht zur unendlichen Strapaze wird, hat BMW den X7 mit einem ganzen Arsenal an elektronischen Helfern ausgestattet. Zur Serienausstattung gehört die Geschwindigkeitsregelung mit Bremsfunktion, die jetzt auch Radfahrer erkennt und hier im Notfall den Anker wirft. Im Stau unterstützt die optional zu erwerbende Geschwindigkeitsregelung mit Stop-and-Go-Funktion. Wenn die bis zum Stillstand abgebremst hat, ist sie auch nach 30 Sekunden noch in der Lage, selbständig anzufahren. Auch nicht uninteressant ist der Umstand, dass das System Geschwindigkeitsbegrenzungen, die von Verkehrszeichen vorgegeben werden, mit einer Abweichung von bis zu 15 km/h in die automatische Temporegulierung einbezieht.

Von rigide bis selbständig

Wer das Driving-Assistant-Professional-Paket ordert, der hat die Kombination aus Spurhalte-, Lenk- und Spurführungsassistent, die beim Kurshalten helfen. Aber Achtung! Auch beim X7 gilt: Im Zusammenspiel mit der sportlich direkten Lenkung erfolgt der Lenkeingriff gefühlt recht rigide. Das ist besonders im höheren Geschwindigkeitsbereich unangenehm und nicht immer zielführend. Hier empfiehlt es sich, den Assistenten zu deaktivieren oder wenigstens in den drei angebotenen Stufen auf die geringste zu stellen.

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Auch die Fahrassistenten verrichten im BMW X7 ihre Arbeit ordentlich.

(Foto: Holger Preiss)

 Auch bei der Kontrolle, ob der Fahrer seine Hände beim teilautonomen Fahren am Lenkrad hat, haben sich die BMW-Ingenieure etwas einfallen lassen. Bereits kurze und leichte Berührungen reichen, um der Elektronik deutlich zu machen, dass der Pilot noch am Start ist. Wer den Spielraum von 30 Sekunden auf bis zu eine Minute "freie Fahrt" erweitern will, der kann sich auf die Innenraumkamera (die es in Europa allerdings erst ab April gibt) verlassen. Die hat die Kopfhaltung des Fahrers im Blick. Zeigt also die Nase auf die Straße, geht es 60 Sekunden autonom voran.

Natürlich kann der X7 auch allein überholen. Wer den Blinkhebel in der Tipp-Position hält, leitet damit den automatischen Überholvorgang ein. Sobald die Sensoren erkennen, dass die Fahrbahn frei ist, wird der Spurwechsel eingeleitet. Dazu kommt noch eine Ausweichhilfe, die bei plötzlich auftauchenden Hindernissen den Fahrer beim Lenkeingriff unterstützt und ihn in eine freie Nebenspur leitet. Natürlich sind auch Querverkehrs-, Heckkollisions-, Vorfahrts- und Falschfahrwarnung an Bord.

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Ist die dritte Reihe aus dem Boden gehoben, wird es mit dem Platz für Ladung selbst im BMW X7 eng.

(Foto: Daniel Kraus)

In Summe ist der X7 eine wirklich gelungenes Luxus-SUV, das dem aktuellen Mercedes GLS das Wasser abgräbt. Aber auch die Stuttgarter werden noch in diesem Jahr mit dem neuen GLS nachlegen. Insofern darf man gespannt sein, wie sich das Duell der Giganten entwickelt. Der Vorteil des Bayern könnte tatsächlich sein Neueinstieg in das Segment sein. Er wirkt, bei aller Wucht, optisch frisch und sehr sportlich. Am Ende ist das hier aber reine Orakelei. Den Beweis, wer die Nase vorn hat, werden in etwas mehr als einem Jahr die Verkaufszahlen zeigen.

Quelle: ntv.de

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