Mit voller Wucht elektrischCadillac Vistiq - massiver, selbstbewusster US-Luxus

Auch wenn unter der wuchtigen Karosserie kein V8, sondern ein Elektromotor arbeitet: Der Cadillac Vistiq ist ein klassisches amerikanisches Luxus-Auto. Im Guten, aber auch im Schlechten. Die Praxisreichweite ist gering und die Ladeleistung mau.
Kraft im Überfluss und Platz ohne Ende - der elektrische Cadillac Vistiq bietet die klassischen Vorzüge amerikanischer Luxusautos, leidet aber auch unter ihren typischen Nachteilen. Vor allem beim Verbrauch steht der Stromer in einer Traditionslinie mit den sorglos trinkenden US-Benzinern.
Dass der Crossover aus dem Land des unbegrenzten Platzangebots kommt, sieht man dem Cadillac schon von Weitem an. Mit 5,22 Metern Länge, deutlich über 2 Metern Breite und einer Dachkante irgendwo auf Scheitelhöhe des durchschnittlichen Mitteleuropäers wirkt er selbst neben normalen Oberklasse-SUVs ausufernd groß. Das ist unpraktisch beim Parken und Rangieren, hat aber zwei Vorteile: Übersehen kann einen so leicht keiner. Und Angst vor zu wenig Platz muss man innen niemals haben.
Tatsächlich übersetzen sich die üppigen Abmessungen in ein fürstliches Raumangebot. Zumindest in den ersten beiden Reihen kann man sich ordentlich breitmachen. In Reihe drei geht es naturgemäß etwas enger zu, wobei mit ein wenig Feinjustierung der übrigen Sitze es auch dort zwei Erwachsene zumindest auf Kurzstrecke aushalten können. Der Einstieg in Reihe drei gelingt entweder durch die Lücke zwischen den Einzelsitzen in der zweiten Reihe oder dank eines ausgeklügelten elektrifizierten Schienensystems, vorbei an den umgeklappten Lehnen, durch die großen Fond-Portale.
Die Inneneinrichtung erfüllt dabei hohe Ansprüche. Alles wirkt massiv und aus dem Vollen gefräst, die Mittelkonsole ist wuchtig wie ein Raumteiler und die noch vorhandenen Knöpfe und Schalter wirken so wertig und solide, dass man sie öfter anfasst als nötig. Der Hauptteil der Bedienung läuft jedoch über berührungsempfindliche Bildschirme. Leider auch die der Klimaanlage, die über einen so tief montierten Screen eingestellt wird, dass man für jede Feinjustierung den Blick längere Zeit von der Straße wenden muss.
Auch davon abgesehen ist das Bediensystem nicht an jeder Stelle überzeugend - so verdeckt der Lenkradkranz unweigerlich Teile des großen konkaven Bildschirms, der sich von der Tür bis zum Beifahrerbereich zieht. Die wichtigsten Informationen zeigt alternativ auch das Head-up-Display an, das allerdings ebenfalls eine kleine Schwäche hat: Die helfend ins Blickfeld projizierten Abbiegepfeile des Navis sind so groß, dass man die Straße hinter ihnen kaum mehr erkennt. Ein dringendes Software-Update bräuchte auch der Geschwindigkeitswarner, der sich penetranter als bei der Konkurrenz in den Vordergrund bimmelt und nur umständlich abschaltbar ist.
Viel mehr als das Kleinklein und Links-Rechts im Stadtverkehr liegt dem Cadillac aber sowieso das souveräne Gleiten über Land. Die bulligen 880 Nm der zwei E-Motoren lassen die rund drei Tonnen immer mindestens leichtfüßig wirken. Wer per Druck auf den "V"-Knopf am Lenkrad die volle Kraft freischaltet, entfesselt eine Urgewalt, die den Vistiq ungestüm nach vorn preschen lässt, als wäre er nicht einmal halb so schwer. In rund vier Sekunden donnert er auf Tempo 100 und fährt bis zu 210 km/h schnell. Vornehmlich allerdings geradeaus, denn in der Kurve hält ihn auch das adaptive Luftfahrwerk (optional) nicht von spürbarem Wanken ab. Immerhin: Die kräftigen Bremsen hinter den 23-Zoll-Felgen fangen ihn immer sicher ein.
Akku schnell erschöpft
In einem anderen Fall helfen Techniktricks allerdings nicht: bei der Effizienz. Zwar ist ein Praxisverbrauch von im Mittel 25 bis 30 kWh je 100 Kilometern angesichts der hier gebotenen Masse an automobilem Luxus gar kein schlechter Wert, allerdings erschöpft er den 91 kWh großen Akku entsprechend flott. Wer halbwegs schnell auf der Autobahn unterwegs ist, muss spätestens alle 300 Kilometer an die Ladesäule, wo der Cadillac dann nur relativ zurückhaltend Strom zieht. 130 kW beträgt die maximale Ladeleistung - vor allem in der Premiumliga heute nicht mal mehr Durchschnitt. Das Gesamtbündel aus eingeschränkter Power an der Steckdose, Batteriekapazität und mäßiger Effizienz ist für die schnell gefahrene Langstrecke alles andere als ideal.
Wettbewerber wie ein Hyundai Ioniq 9, ein Mercedes EQS SUV oder ein Volvo EX90 kommen vielleicht weiter und laden schneller, bieten aber auch nicht den massiven, selbstbewussten Luxus, den ein Cadillac nach innen wie außen verkörpert. Denn der spezielle Charakter der Marke hat sich im Elektrozeitalter nicht geändert: Auch ohne V8 bleibt der Vistiq ein klassisches US-SUV.
Cadillac Vistiq - technische Daten
Fünftüriger, siebensitziger Crossover der Oberklasse
, Länge: 5,22 Meter, Breite: 2,03 Meter (mit Außenspiegeln: 2,23 Meter), Höhe: 1,79 Meter, Radstand: k.A. Meter, Kofferraumvolumen: 297 bis 889 Liter, Anhängelast: 2.000 kg (mit sechs Passagieren).
Zwei Elektromotoren (Front/Heck), 475 kW/646 PS, Drehmoment: 880 Nm, Allradantrieb, 1-Gang-Automatik
0-100 km/h: 4,1 s, Vmax: 210 km/h
Reichweite (WLTP): 460 km, Akku: 91 kWh, Ladeleistung: 22 kW/130 kW (AC/DC), DC-Laden 10-80 Prozent: 40 Minuten, AC-Laden 10-100 Prozent: ca. 4 Stunden, Normverbrauch: 22 kWh/100 km, Testverbrauch: 25 kWh/100 km;
Preis: ab 99.640 Euro, Testwagenpreis: 113.665 Euro