Auto

Plug-in-Hybrid im Sportdress Hyundai Tucson N-Line - Schein oder Sein?

Im Vergleich zum Vorgänger hat der neue Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid 35 PS mehr und soll 62 Kilometer rein elektrisch fahren.

Im Vergleich zum Vorgänger hat der neue Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid 35 PS mehr und soll 62 Kilometer rein elektrisch fahren.

(Foto: Holger Preiss)

Mit den neuen Auflagen für die Förderung von Plug-in-Hybriden hat Hyundai auch den Tucson angepasst. Der leistet jetzt 265 PS und kommt als N-Line recht sportlich daher. Aber ist der Koreaner, der jetzt 62 Kilometern stromern kann, mit dem Leistungsgewinn eine echte Sportskanone geworden?

Wenn man ein Auto mit 265 PS kauft, dann darf das optisch schon einen gewissen sportlichen Charakter aufweisen. Insofern ist es nur legitim, wenn man den Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid in der Ausstattung N Line bestellt. Mit dem tiefschwarzen Kühlergrill, den Radkästen und Seitenschutzleisten in Wagenfarbe - am besten in Shadow Grey - und der Heckschürze mit integriertem Diffusor und zusätzlichem Reflektionsstreifen macht der Koreaner echt was her. Wie sagte jemand, den der Autor zufällig traf? "Der sieht aber schnell aus!"

Nicht nur die roten Ziernähte weisen den Hyundai Tucson im Innenraum als N-Line aus.

Nicht nur die roten Ziernähte weisen den Hyundai Tucson im Innenraum als N-Line aus.

(Foto: Holger Preiss)

Ja, sieht er. Auch im Innenraum, wo sich der Pilot in wohlgeformte, langstreckentaugliche Sport-Komfortsitze bettet, ist Sportlichkeit angesagt. Da ist das Lenkrad ebenso mit roten Ziernähten gesäumt wie die Sitze. Die Pedale, auf die der Pilot den Fuß presst, sind in edler Aluminiumoptik ausgeführt. Und da wären wir dann auch schon bei der Sportlichkeit, die sich ja auch in Vortrieb umsetzen soll. Sorge tragen dafür zwei Motoren: ein 1,6-Liter-Reihenvierzylinder, der 180 PS leistet, und ein Elektromotor mit 91 PS, der seine Kraft an die Hinterräder reicht und den Tucson damit zu einem permanent allradgetriebenen Sport-SUV macht. Die daraus resultierende Nennleistung: 265 PS und ein maximales Drehmoment von 350 Newtonmetern.

Gut für den Katapultstart

Hört sich gut an? Ist es auch, jedenfalls für den Katapultstart mit gefüllter Batterie im Sportmodus. Hier sprintet der kantige Koreaner in 8,2 Sekunden auf Landstraßentempo. Was zugegebenermaßen angesichts der Leistung gar nicht so schnell ist, sich aber tatsächlich dynamischer anfühlt, als die Spurtzeit vermuten lässt. Problematischer wird es oben raus, also bei der im Datenblatt vermeldeten Endgeschwindigkeit. Die ist mit 191 km/h angegeben. Die schafft der Tucson auch, aber nicht ohne Anlauf. Ist der lang genug, geht es sogar bis an die 200 km/h-Marke. Aber sportlich fühlt sich das nicht mehr an, denn ab 180 wird es echt zäh. Hinzu kommt, dass im Sportmodus der Benziner viel mehr Arbeit zu verrichten hat, weil er neben dem Vortrieb auch für den Ladezustand des Akkus verantwortlich ist. Insofern fühlen sich die 180 PS im freien Lauf wie müde 150 PS an und der E-Motor ist in diesem Bereich kaum noch spürbar.

Für mehr elektrische Reichweite schrumpfte der Tank des Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid auf schlanke 42 Liter.

Für mehr elektrische Reichweite schrumpfte der Tank des Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid auf schlanke 42 Liter.

(Foto: Holger Preiss)

Hinzu kommt ein ordentlicher Durst des Verbrenners. Wer auf dem Pinsel verharrt, wird erstaunt auf die digitale Verbrauchsanzeige starren, die hier 16 Liter über 100 Kilometer ausweist. Bei einem wirklich nicht üppigen Tankinhalt von 42 Litern sind die Stopps an der Zapfsäule häufiger, als einem angesichts der momentanen Spritpreise lieb sein dürfte. Nun könnte man ja die Unterstützung des E-Motors forcieren, indem man die im Zentralmonitor auf Wunsch ständig angezeigten nächstgelegenen Ladestationen anfährt. Das Problem ist nur, dass der Lithium-Ionen-Polymer-Akku mit einer Kapazität von 13,8 kWh bei einer Ladeleistung des On-Board-Chargers von 7,2 kW knapp zwei Stunden braucht, um sich zu 100 Prozent zu füllen. Die öffentlichen Ladestationen, die der Autor besuchte, wiesen auf Grund geringen Durchsatzes sogar über drei Stunden aus.

Laden oder nicht laden?

Wie dem auch sei: Weder zwei noch drei Stunden sind auf der Langstrecke als Pause akzeptabel. Aber selbst im täglichen Pendelbetrieb tut man sich, wenn man nicht eine Ladestation auf der Arbeit oder zu Hause verfügbar hat, mit der Zeit schwer. Denn auch die von Hyundai nach WLTP angegebenen 62 Kilometer, die rein elektrisch bewältigt werden können, schrumpfen in der Realität auf unter 50 Kilometer. Wer allerdings gehäuft in der Stadt unterwegs ist, profitiert merklich von der Rekuperation, also der vermehrten Rückgewinnung der Roll- und Bremsenergie. Obgleich der vom Hersteller angegebene kombinierte Verbrauch von 1,4 Litern Sprit über 100 Kilometer im Drittelmix kaum zu erreichen ist. Im Test waren es 8,1 Liter, die verbrannt wurden und 17,9 kWh, die sich der Akku genehmigte.

Ein Spritsparwunder ist der Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid ebenso wenig wie eine Sportskanone.

Ein Spritsparwunder ist der Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid ebenso wenig wie eine Sportskanone.

(Foto: Holger Preiss)

Mit Sicherheit lassen sich diese Werte deutlich verringern, wenn der Akku bei jeder täglichen Fahrt voll geladen ist und die vorrangigen Routen durch die Stadt führen. Über die Langdistanz wird man kaum weniger verbrauchen, es sei denn, man lässt sich auf der rechten Spur der Autobahn mit 120 km/h treiben. Allerdings kann man auf diese Art und Weise den Verbrauch eines jeden Verbrenners und natürlich auch Elektroautos reduzieren. Von Zauberwerk und vor allem Fahrspaß ist das dann weit entfernt.

Ob Fahrspaß oder nicht, der Tucson ist zwar auch im N-Dress keine Sportskanone, aber er fährt sich mit seinen zwei Fahrmodi Eco und Sport solide. Natürlich kann man über den Fahrprogrammschalter auch noch witterungs- oder geländebedingte Sondereinstellungen wählen und sich entscheiden, ob man die Automatik entscheiden lässt, wie die Verteilung zwischen Benziner und E-Motor verläuft oder ob man rein elektrisch im Hybrid-Modus fährt.

Überraschung bei der Gangwahl

Die Wahl des Fahrprogramms ändert auch gleich die Einstellung des adaptiven Fahrwerks. Wer also im Eco-Modus pendelt, ist recht komfortabel unterwegs, auch auf wirklich schlechten Straßen. Für den Sportmodus verspricht Hyundai "ein hohes Maß an Rückmeldung und Kontrolle". Das kann für den Test jetzt nicht bestätigt werden. Auch hier bleibt der Tucson sehr defensiv, rollt sauber ab, vermittelt aber nicht das Gefühl, dass man mit ihm um die Kurven hetzen wolle. Gleiches gilt für die Lenkung, für die "mehr Lenkpräzision" im Sportmodus versprochen wird. Ja, sie greift etwas enger, ist aber weit von direkt oder gar spitz entfernt. Insofern bleibt der Tucson auch in dem ihm zur Verfügung stehenden dynamischen Bereich ein recht geselliges Kerlchen, das aber nicht über die Maßen strapaziert werden möchte, denn das verträgt es einfach nicht.

Der Innenraum des Hyundai Tucson ist sehr anfällig für Fingerabdrücke.

Der Innenraum des Hyundai Tucson ist sehr anfällig für Fingerabdrücke.

(Foto: Holger Preiss)

Ob einem der Innenraum des Tucson gefällt, ist wie in so vielen Fällen Geschmackssache. Genau wie der Umstand, dass die Gangwahl per Knopfdruck erfolgt. Wer hier nicht aufpasst und lange genug drückt, der schießt unter Umständen in die falsche Richtung los, was gerade beim Ein- oder Ausparken fatale Folgen haben kann. Ansonsten wird der Arbeitsplatz des Fahrers von einer großen Touch-Fläche in Form des 10,25 Zoll großen Bildschirms und der Bedienelemente für Klimaanlage, Belüftung et cetera dominiert. Hinzu kommen Einlagen aus schwarzem Klavierlack.

In Summe viel Fläche, auf der man seine Fingerabdrücke verteilen kann. Ein Anblick, der in kurzer Zeit nach einem weichen Putztuch schreit, das man getrost in das große Fach unter der Mittelarmlehne packen sollte. Ansonsten ist das Platzangebot für die Insassen gut, vor allem in der zweiten Reihe geht es erstaunlich luftig zu. Schade, dass die Fächer in den Türinnenseiten keine 1-Liter-Flaschen aufnehmen können und dass auf das Brillenfach im Dachhimmel verzichtet wurde. Dafür ist der Kofferraum mit 558 bis 1721 Litern Stauraum reichlich bemessen und vertreibt schon beim ersten Anblick die Sorgen, das Gepäck für die Urlaubsreise könnte nicht ausreichend Platz finden.

Lese-Tipp: Hyundai Tucson leasen über ntv Autoleasing!

Assistenten sorgen für Entspannung

Auch der Kofferraum des Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid hat zugunsten der elektrischen Reichweite an Ladevolumen verloren.

Auch der Kofferraum des Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid hat zugunsten der elektrischen Reichweite an Ladevolumen verloren.

(Foto: Holger Preiss)

Die kann im Übrigen auch ganz entspannt angegangen werden, denn Sicherheits-Features wie ein autonomer Notbremsassistent mit Frontkollisionswarner und Fußgänger- sowie Fahrradfahrererkennung sind ebenso im Preis von knapp 50.000 Euro enthalten wie eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit Abstandsregelung und Start-Stopp-Funktion für den Stau. Für den guten Ton sorgt eine Anlage von Krell und das Navi für den richtigen Weg. Obgleich man darauf nicht angewiesen ist, denn Apple Carplay oder Android Auto können per USB auf dem Monitor gespiegelt werden. Dass es sich bei den USB-Anschlüssen noch um die herkömmlichen Varianten handelt und nicht wie bei anderen Herstellern üblich um USB-C, wird vielen Nutzern entgegenkommen. Schade ist, dass die Übertragung nicht über Bluetooth möglich ist, wie es zum Beispiel die neueren Fahrzeuge aus dem VW-Konzern anbieten.

DATENBLATTHyundai Tucson N-Line 1.6 T-GDI HEV AWD
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,50 / 1,86 / 1,65 m
Radstand2,68 m
Leergewicht (DIN)1818 - 1924 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen558 / 1721 Liter
Benzin-MotorVierzylinder-Turbobenziner mit 1598 ccm Hubraum
Leistung132 kW / 180 PS bei 5000 U/min
Elektromotor66,9 kW / 91 PS
Getriebe6-Gang-Automatikgetriebe
Systemleistung195 kW / 265 PS bei 5500 U/min
Systemleistung max. Drehmoment350 Nm ab 1500 U/min
KraftstoffartBenzin
AntriebAllradantrieb
Höchstgeschwindigkeit191 km/h
Tankvolumen42 Liter
Beschleunigung 0-100 km/h8,2 Sekunden
Ramoenwinkel17,3 Grad
Böschungswinkel vorn/hinten17,4 / 25,7 Grad
Normverbrauch (WLTP)1,4 l
Normverbrauch Batterie (WLTP)17,7 kWh
Rein elektrische Reichweite (WLTP)62 km
Testverbrauch kombiniert8,3 l
EffizienzklasseA
Grundpreis42.350 Euro
Preis des Testwagens49.600 Euro

Fazit: Der Hyundai Tucson N-Line ist optisch ein sportlicher Gesell, der dieses Versprechen aber nicht in Gänze umsetzen kann. Dafür strotzt er für knapp 50.000 Euro (ohne Abzug der Umweltprämie) mit vielen Beigaben, die man bei anderen Herstellern extra bezahlen muss. Will man mit dem Plug-in-Hybrid Sprit sparen, muss man das machen, was alle Teilzeitstromer verlangen: regelmäßig den Akku laden. Wer allerdings hinter dem Label N-Line und der Nennleistung von 265 PS ein extrem dynamisches SUV vermutet, der sollte die Finger von dem Tucson lassen, denn das ist es ganz bestimmt nicht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen