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Weltpremiere auf der IAA Mercedes EQE - nur kleiner Bruder des EQS?

Eines will der Mercedes EQE auf gar keinen Fall sein, ein geschrumpfter EQS.

Eines will der Mercedes EQE auf gar keinen Fall sein, ein geschrumpfter EQS.

(Foto: Florian Gerlach)

Der Mercedes EQS sorgte für rege Begeisterung unter Journalisten. Als erstes reines Elektroauto auf der EVA2-Plattform bietet er nicht nur eine enorme Reichweite, sondern auch technische Features vom Feinsten. Mit dem EQE legen die Stuttgarter jetzt eine Klasse darunter nach.

Mit dem EQS, der rein elektrisch fahrenden S-Klasse, hat Mercedes bereits für viel Aufsehen gesorgt. Nicht nur wegen der immensen technischen Innovationen und einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern, sondern auch wegen des Preises. Ab 106.400 Euro kann man in den Luxus-Stromer einsteigen. Wie die S-Klasse ist also auch der EQS nichts für den Normalverdiener. Aber, wie man es aus Stuttgart kennt, wird die Technik der Innovationsflaggschiffe immer in die kleineren Klassen runtergebrochen. Insofern verwundert es nicht, dass der nächste Streich in der Q-Reihe, der auf der Elektroarchitektur (EVA2) basiert, der EQE ist.

Der Autor im Gespräch mit Dr. Shahram Hami-Nobari, Leiter Entwicklung Fahrzeugfunktionen EVA2 (rechts im Bild).

Der Autor im Gespräch mit Dr. Shahram Hami-Nobari, Leiter Entwicklung Fahrzeugfunktionen EVA2 (rechts im Bild).

(Foto: Mercedes)

"Das Wichtigste war für uns", erklärt Dr. Shahram Hami-Nobari, Leiter Entwicklung Fahrzeugfunktionen EVA2, "dass der EQE nicht einfach ein geschrumpfter EQS ist. Wir wollten zwar ein klares Bekenntnis zur Familie, aber keine Dublette." Deshalb hat man bei Mercedes auch darauf geachtet, dass der EQE sportlicher auf der Straße steht als sein großer Bruder. Die Front läuft spitzer zu, die Lufteinlässe wurden verändert, und auch das Heck bekam mit einer scharfen Abrisskante und anderer Lichtgrafik einen eigenen Charakter. Beibehalten wurde das für die EQ-Modelle neu erfundene One-Bow-Design, also ein Schwung, der sich in der Silhouette von der Motorhaube bis zum Kofferraum in einer Linie durchzuziehen scheint. In den Radhäusern finden Räder in den Dimensionen von 19 bis 21 Zoll Platz. Wobei letztgenannte Größe dem Wagen schon einen mächtigen Stand gibt.

Mit einer Länge von 4,95 Metern entspricht das Außenmaß dem der Mercedes E-Klasse. "Wir haben aber für den EQE eine ganz bewusste Entscheidung getroffen", erklärt Hami-Nobari. "Wir haben die Beinfreiheit und das Platzangebot insgesamt für die Fondpassagiere im Gegensatz zum Verbrenner deutlich vergrößert." Kleiner fällt hier allerdings der Kofferraum aus. Der hat im EQS 430 Liter Stauraum, in der E-Klasse Limousine sind es 540 Liter. Gewonnen hat man aber gegenüber dem Plug-in-Hybrid, der lediglich noch 370 Liter bietet. Dabei ist der EQE, der im kommenden Jahr als EQE 350 startet, mit 545 bis 660 Kilometern Reichweite eigentlich schon ein ausgewiesenes Reiseauto, obgleich lediglich die kleine Lithium-Ionen-Batterie, bestehend aus zehn Modulen, verbaut wurde, die einen nutzbaren Energiegehalt von 90 kWh zur Verfügung stellt.

Das sogenannte Bow-Design eint die Fahrzeuge der EQ-Reihe.

Das sogenannte Bow-Design eint die Fahrzeuge der EQ-Reihe.

(Foto: Florian Gerlach)

"Ein entscheidender Schritt dafür, dass wir die 600 Kilometer Reichweite mit einer relativ kleinen Batterie erreichen, ist nicht nur der cW-Wert und das Gewicht des Fahrzeugs, sondern vor allem der Umstand, dass wir uns den Bordnetzverbrauch angesehen haben und uns die Frage stellten: Brauchen wir diese acht Watt jetzt wirklich?", so Hami-Nobari. Letztlich wurde dabei jedes einzelne Steuergerät unter die Lupe genommen. Egal ob es das für die Ladevorgänge ist oder das für die Telematik. Auch das Gewicht der Technik wurde hinterfragt, ebenso die Kühlung der Batterie und das Management. All das spielt beim Verbrauch eine entscheidende Rolle.

"Bei allen Tests und Überprüfungen haben wir immer darauf geachtet, dass dem auch eine normale Fahrweise zugrunde gelegt wird. Also, dass wir hier nicht mit angezogener Handbremse unterwegs waren", erklärt Hami-Nobari und grinst dabei. Die Höchstgeschwindigkeit des EQE 350 ist auf 210 km/h limitiert. "Die Geschwindigkeit ist immer eine Frage der Philosophie", so Hami-Nobari. "Wir können technisch die Batterie nicht bis Anschlag belasten, müssen aber einen Abstand zu Fahrzeugen der Mitbewerber wahren und dabei muss das alles noch im Rahmen der Energieeffizienz bleiben."

Anders als der EQS hat man dem EQE etwas mehr Dynamik ins Antlitz gezeichnet.

Anders als der EQS hat man dem EQE etwas mehr Dynamik ins Antlitz gezeichnet.

(Foto: Florian Gerlach)

"Wichtig für die Batterie", erklärt Hami-Nobari weiter, "ist auch, dass wir das Aktivmaterial in Form von Nickel, Kobalt und Mangan in einem Verhältnis von 8:1:1 verwenden. Damit beträgt der Kobalt-Anteil weniger als zehn Prozent." Zudem verspricht Mercedes, kontinuierlich an der Recyclingfähigkeit der Batterien zu arbeiten. Angetrieben wird der EQE 350 über einen Elektromotor, der 292 PS leistet und ein maximales Drehmoment von 530 Newtonmeter an die Hinterräder reicht. Mit zukünftigen Modellen in der Reihe wird es dann auch mehr Leistung und Allradantrieb geben.

Während Reichweite und Geschwindigkeit beim EQE schon beachtlich sind, macht der Betrachter richtig große Augen, wenn es in den Innenraum geht. "Das, was wir hier haben, ist der optionale Hyperscreen aus dem EQS", erklärt Hami-Nobari strahlend. Und tatsächlich hätte man damit nicht gerechnet, denn die Einheit entspricht zu 100 Prozent der aus dem Luxus-Liner. "Die grundsätzliche Logik", so Hami-Nobari, "ist die, dass wir auch mit unseren EQ-Modellen versuchen, eine Familie darzustellen, in der sich auch die ganzen coolen, innovativen Features wiederfinden, sowie die klassischen Komfortthemen, die man von Mercedes gewohnt ist. Deshalb gibt es eben auch im EQE die Ansprache durch den Hyperscreen. Und wir sind schon ein bisschen stolz darauf, dass es diese Innovation hierher geschafft hat."

Optional gibt es auch für den EQE den Hyperscreen, den es erstmals im EQS zu sehen gab.

Optional gibt es auch für den EQE den Hyperscreen, den es erstmals im EQS zu sehen gab.

(Foto: Florian Gerlach)

Eine Neuerung gibt es zum EQS dann aber doch: War es bis dato gesetzlich verboten, eigene Inhalte auf dem Bildschirm des Beifahrers zu präsentieren, ist das jetzt mit dem EQE möglich. Wenn der sich also einen Film während der Fahrt ansehen will, kann er das machen. Und wie wird verhindert, dass der Fahrer sich davon ablenken lässt? "Wer als Fahrer länger als zwei Sekunden auf den Screen guckt, der macht sich keine Freunde. Mehrere Kameras sehen das nämlich und schalten den Bildschirm dann ab", so Hami-Nobari. Auch das Lademanagement hat der EQE aus dem EQS übernommen. Von 22 kW bis 170 kW ist alles möglich. Wobei bei Letztgenanntem bereits nach 15 Minuten genug Strom im Akku sein soll, um weitere 250 Kilometer zurückzulegen.

Selbstredend unterstützt das Navigationssystem den Fahrer bei der Routen- und Ladeplanung. Insgesamt sind 530.000 Ladepunkte für 31 Länder hinterlegt. Davon allein 200.000 für Europa. "Beim EQE können wir die Ladestationen nach Kapazität und Ladedauer filtern. Wenn die Station besetzt ist, wird der Fahrer umgeleitet, und auch die Preise sind einsehbar", erzählt Hami-Nobari. "Hier wollten wir unbedingt, dass der Kunde möglichst an jeder Ladestation das gleiche Erlebnis hat, sich also auf das einstellen kann, was ihn beim Stromtanken erwartet." Ach so, während der Fahrt atmet die Belegschaft in einem EQE nur die durch einen HEPA-Filter gereinigte Luft. Auch das ist ein Anspruch, den sich Mercedes für die Zukunft als Serie in seinen EQ-Fahrzeugen vorstellt.

Interessant dürfte der Preis für den EQE werden. Den hat Mercedes bei der Weltpremiere zur IAA in München noch nicht verraten. Wenn man aber alle zusätzlichen Beigaben wie zum Beispiel eine mitlenkende Hinterachse, den Hyperscreen, Luftfederung mit adaptiven Verstelldämpfern, das Digital-Licht und die Fülle an Assistenzsystemen ordert, dürfte sich unter dem Strich mit Leichtigkeit eine 90.000 lesen lassen. Ein Auto für jedermann ist wahrscheinlich auch der EQE noch nicht. Aber, Mercedes wird die Plattform weiter nach unten skalieren. Insofern darf man gespannt sein, wie viel EQS dann noch in einem EQC oder gar einem EQA zu finden ist.

Quelle: ntv.de

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