Ohne V8 historisch sauberTour mit Mercedes G 500 im Wüstensand - der Ton macht die Musik
Von Patrick Broich
Seit der letzten Überarbeitung muss das zivile G-Klasse-Topmodell unterhalb des G 63 AMG ohne Achtzylinder auskommen. Stattdessen bekommt der Mercedes G 500 jetzt den feinen Reihensechszylinder. Ist das Fluch oder Segen? ntv.de hat es ausprobiert.
Früher war "500" bei Mercedes immer V8 - bedingungslos, unabhängig von der Karosse, in der das Triebwerk steckte. Doch das neue "500" ist nur noch Sechszylinder. Bei der S-Klasse hat dieses für Fans schmerzhafte Downsizing schon einige Jahre früher eingesetzt mit der Einführung der aufgefrischten Baureihe 222, also sogar bereits vor dem Vorgänger des jetzigen Modells. Und nun ist auch der G 500 bloß noch ein Sechszylinder.
Wer Mercedes fragt, ob das gut ist, bekommt diese Herabstufung als Vorteil verkauft. Zum Beispiel mit dem Argument höherer Effizienz bei mehr Leistung. Denn statt 422 bekommt die überarbeitete Ausgabe 449 PS in den Antriebsstrang gepumpt. Und dann steuert der Integrierte Kurbelwellenstarter noch 20 weitere - elektrische - Pferdchen dazu. Und wenn man sich zurückhält, schafft man sogar einstellige Verbrauchswerte, na immerhin.
Allerdings entscheidet sich die Frage, ob G 500 oder nicht, sowieso kaum an an der Leistung, sondern vielmehr am Charakter. Und der ist in diesem Fall hörbar. Denn sobald sich der Finger in Richtung Startknopf bewegt und ihn antippt, offenbart sich der neue 500 akustisch. Plötzlich bollert es da vorn nicht mehr, sondern sägt und schnaubt. Nicht sonderlich laut, aber auch nicht zurückhaltend - eher so in der Mitte und leicht sportlich angehaucht.
Viel verrückter ist aber, dass die G-Klasse historisch betrachtet eigentlich nie achtzylindrig durch die Gegend gebollert ist, sondern maximal mit sechs Zylindern. Somit ist der G 500 mit seinem Reihensechszylinder eigentlich schlüssig bis auf die Modellbezeichnung. Allerdings ist es auch so, dass die G-Klasse erst in ihrer späten Phase zum Lifestyle-Produkt avancierte und das vor allem hauptsächlich als G 63 oder als Diesel. So gesehen darf man den Sechszylinder-Benziner getrost als Außenseiter-Motor empfinden. Der aber deutlich mehr Beachtung verdient.
Reihensechszylinder läuft kultiviert und sportlich angehaucht
Dabei entsteht während der Erfahrung die Erkenntnis, dass der Motor recht angenehm ist - zumindest für Menschen, bei denen nicht jede Fahrt zur Show werden soll. Es ist aber auch keineswegs so, dass der noble M256 akustisch ein Kind von Traurigkeit wäre. Aber er äußert sich auf die kultiviert-gepflegte Art, ein bisschen heiser, ein bisschen nobel. Und in puncto Kraftentfaltung ist das Triebwerk sowieso über alle Zweifel erhaben.
Der Hightech-Otto mit zusätzlicher Elektropower plus Elektro-Verdichter als Boost wiederum für den Turbo ist zwar kein überbordendes Drehmoment-Ungetüm mit 1000 Newtonmetern und mehr, wie sie heute existieren. Aber dafür gibt das Muskelpaket seine 560 Newtonmeter ziemlich homogen ab; das Plateau steht von 2200 bis 5000 Umdrehungen und macht das Vorankommen zusammen mit dem Neunstufen-Wandler zur fluffigen Angelegenheit.
Fein ist, dass mittlerweile diverse Komponenten ineinandergreifen, um die G-Klasse vollends zum Tourer zu machen. Spätestens seit dem Switch auf Einzelradaufhängung an der Vorderachse sowie der Spurverbreiterung ist die Geländewagenikone keine staksige Blechbüchse mehr, die nur schick aussieht, aber in der vor allem Fahrer leidet, weil er Mühe hat, die Fuhre auf Kurs zu halten. Stattdessen fährt der Kraxler nicht nur stoisch geradeaus, sondern erweist sich auch in Kurven als souveräner Kandidat.
Auch den Abrollkomfort scheinen die Ingenieure gesteigert zu haben. Denn unter dem Strich ist der G 500 längst ein superkomfortabler Langstreckengleiter mit Sportwagen-Fahrleistungen (5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h), obwohl bei 210 Sachen Schluss ist. Reicht auch bei schrankwandähnlichen Luftwiderständen. Das Archaische hat aber auch sein Gutes. Denn trotz leichten Wachstums im Laufe der Jahre ist der intern W465 genannte Klassiker immer noch nicht ausufernd breit mit 1,93 Metern. Für die Länge (4,83 Meter) gilt das sowieso, die G-Klasse ist und bleibt citytauglich.
Geländefähigkeit ist Nebensache
Aber auch weiterhin derartig geländetauglich, wie es gefühlt 99,9 Prozent der G-500-Kunden niemals erleben werden. Aber was wäre der Kult-Kletterer ohne die klassischen Bedientasten in der Mittelkonsole für drei mechanische 100-Prozent-Sperren? Sie gehören dazu, wenngleich das Layout der Schalter mit zunehmender Modernität runder geworden ist. Und die Geländereduktion wäre da ja auch noch.
Wer jetzt übrigens protestiert, warum es denn unbedingt dieser kantige Zweieinhalbtonnen-Brocken sein müsse, der doch sowieso keinen anderen Zweck habe, als auf der Flaniermeile zu protzen, muss an dieser Stelle eingebremst werden. Ja, man kann das Thema Auto sachlicher leben, keine Frage. Aber Praxistauglichkeit mit Stil ist eben auch eine Facette der G-Klasse. Fakt ist jedoch ebenso, dass man durch die hintere Luke Gepäckäquivalent von gut 2000 Litern schieben kann - gut zugänglich dank niedriger Ladekante. Ob die seitlich öffnende Hecktüre nun als bequemer empfunden wird oder genau das Gegenteil der Fall ist, sei dahingestellt. Und 3,5 Tonnen darf der Lastesel ja auch noch an den Haken nehmen.
Leider bleibt die G-Klasse als Lifestyle-Objekt immer noch unfair teuer. Und da ist es bloß ein schwacher Trost, dass Kollege G ziemlich wertstabil ausfällt. Mit knapp 134.000 Euro stellt die neue Benziner-Ausbaustufe für die meisten Bundesbürger eine unüberwindbare finanzielle Hürde dar. Für den 10.000 Euro günstigeren Diesel gilt das ebenso. Ganz zu schweigen vom 63er für über 190.000 Euro.
Aber was ist aus der Eingangsfrage geworden? Macht der G 500 auch sechszylindrig glücklich? Womöglich nicht diejenigen Liebhaber, die ohne typisches V8-Bollern kaum leben können. Aber auch Skeptiker sollten ihn ruhig mal ausprobieren. Denn der kultivierte Reihensechszylinder kann ziemlich überzeugend wirken und den einen oder anderen V8-Fan vielleicht doch bekehren.