Praxistest

Wenn weniger mehr ist Fiat Tipo SW – ehrlicher geht Kombi nicht

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Dank einer hohen Praktikabilität, einer großzügigen Ausstattung und einem guten Preis wird der Fiat Tipo SW zu einer echten Alternative.

(Foto: Holger Preiss)

Wer nicht zwingend ein SUV als Wegbegleiter im Blick hat, aber dennoch ein kompaktes Auto mit Zulademöglichkeiten sucht, landet zwangsläufig bei einem Kombi. Derer gibt es viele, aber wenige sind so preiswert wie ein Fiat Tipo SW. Aber reicht das in der Praxis?

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Der Fiat Tipo SW überzeugt auch optisch durch seine Schlichtheit.

(Foto: Holger Preiss)

Mit dem Tipo kehrt Fiat in ein Segment zurück, das lange sehr stiefmütterlich behandelt wurde. Dafür ist der Aufschlag mit der Neu-Interpretation des namentlich 1995 verschwundenen Tipo umso beeindruckender. Nicht weil der Kompakte besonders schön oder schnittig ist, weil er besonders kraftvolle Motoren bietet oder andere fancy Details: Nein, er ist in allen wesentlichen Belangen eine ehrlich Haut. An dem Auto ist nicht zu viel und nichts zu wenig.

Zum Test wird nach guter deutscher Sitte der Kombi bestellt, den die Italiener Station-Wagon nennen. Da gibt es in der zweiten Reihe kein überragendes, aber ein ordentliches Platzangebot. Mit 550 Liter Ladevolumen bietet der Kombi nicht die größte Zuladung im Segment, aber ein durchaus ausreichendes Stauabteil. Wer will, kann die Rückbank umklappen und erhält dann auf einer nicht ganz planen Fläche mehr als das Doppelte an Ladefläche. Stauprobleme müssen also weder Familien noch Vertreter befürchten. Zumal sich alles über eine niedrige Ladekante und durch eine breite Öffnung einschieben lässt.

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550 Liter Fasst der Kofferraum des Fiat Tipo SW bei aufrechter Rückbank.

(Foto: Holger Preiss)

Bereits im Kofferraum beginnen die Unterschiede in der Ausstattung. Die Abdeckung für den doppelten Ladeboden gibt es in der Grundausstattung "Pop" nämlich nicht. Im Testwagen, der als "Lounge" vorfuhr, hingegen schon. In der Summe liegen zwischen den Varianten knapp 2000 Euro.  Eine Entriegelung im Kofferraum, um die Lehnen zu Fall zu bringen, gibt es aber auch in der höchsten Ausstattung nicht. Am Ende sind das Details, die man vermissen kann, die aber auch den Preis klein halten.

Nichts für Raser

Beim Motor fällt die Wahl auf den 1,4-Liter-T-Jet. Der Benziner leistet 120 PS und verteilt seine Kraft von 215 Newtonmeter über ein straffes und sehr gut schaltbares manuelles Sechs-Gang-Getriebe an die Vorderräder. Eine Automatik gibt es bis dato nicht. Für die kommenden Modelle kann sie für 1800 Euro geordert werden. Doch egal wie die Kraft verteilt wird, den Asphalt kann der Fahrer beim Kavalierstart nicht aufreißen. Knapp zehn Sekunden braucht es, bis die 1,4 Tonnen sich auf Tempo 100 bewegen und deutlich länger bis die feuerrote Tachonadel an der 190 vorbeizieht. Ohnehin eine Geschwindigkeit, die man mit dem Tipo SW aus zwei Gründen meiden sollte: Zum einen sind die Bremsen nicht sonderlich standfest, zum anderen ist die Dämmung recht verhalten. Ab 170 Kilometer pro Stunde werden Roll- und Motorgeräusche für die Insassen recht deutlich wahrnehmbar.

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Der Innenraum ist einfach, bietet aber gute Sitze und ausreichend Platz.

(Foto: Holger Preiss)

Besser schnurpelt der Italiener bis Tempo 150 über die Autobahn. Noch entspannter wird es, wenn der Fahrer den bereits in der Lounge-Ausstattung enthaltenen adaptiven Abstandsradar mit Brems-Assistent aktiviert hat. Zwar arbeitet der erst ab 30 km/h, taugt also nicht für die gelassene Staufahrt, hat aber den Vorteil, dass er auf der Autobahn ganz hervorragende und im Test sehr zuverlässige Dienste verrichtete. Dabei stört es auch gar nicht, dass es sich beim Testwagen um einen Handschalter handelt. Zum einen ist der sechste Gang so lang übersetzt, dass er bereits ab 50 km/h seine Arbeit verrichtet, zum anderen kann gekuppelt und geschaltet werden, ohne dass sich, wie in anderen Fahrzeugen, der Radar deaktiviert.

Gemütlich ums Eck un alles im Blick

Ebenfalls für das Fahrvergnügen spricht die Fahrwerksabstimmung. Der Tipo SW rollt sehr gelassen über Kopfsteinpflaster und Querfugen, mag aber den schnellen Lauf ums Eck nicht. Das liegt nicht an der angenehm straffen Lenkung, die gute Rückmeldungen liefert und sich per Knopfdruck in einen City-Modus stellen lässt, sondern vielmehr an einer gewissen Behäbigkeit. Bei schnellen Kurvenfahrten scheint der Italiener immer etwas verzögert, als wolle der Rest des Körpers nicht so schnell ums Eck wie die Räder. Was zur Folge hat, dass immer wieder justiert werden muss.

Letztlich geht es bei einem Auto wie dem Tipo SW aber auch gar nicht darum, ihn pausenlos ums Eck zu knüppeln. Vielmehr soll der Fahrer die Vorzüge genießen, die der Wagen neben dem schon erwähnten großen Kofferraum und dem aktiven Abstandstempomaten bietet. Dazu gehören die straffen Sitze ebenso wie das große Lederlenkrad mit den Funktionstasten, über die auch der Abstandsradar gesteuert wird.

Auch der 7 Zoll große kapazitive Touchscreen, der im Zentrum der Armatur aufragt, trägt zum Wohlbefinden bei. Geboten werden auf dem Vollfarbdisplay die Navigationsdaten von TomTom, digitaler Radioempfang (DAB), die Spiegelung des Smartphones in Form von Telefoneinträgen und Musikwiedergabe und selbstredend die Fahrdaten. Dort ist übrigens auch zu lesen, dass im Schnitt 7,4 Liter Benzin über eine Distanz von knapp 100 Kilometer konsumiert werden. Ein akzeptabler Verbrauch, der nur 1,4 Liter über dem im Datenblatt angegebenen Wert liegt.

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Das Cockpit ist aufgeräumt, hat sogar einen gewissen Schick und vor allem alle Funktionen die der Fahrer braucht.

(Foto: Holger Preiss)

Ansonsten findet der Pilot im Sichtfeld zwei runde Analoginstrumente, die mit großen Zahlen und dem schon erwähnten feuerroten Zeiger über Drehzahl und Geschwindigkeit informieren. Dazwischen befindet sich wie gewohnt die Matrix, deren Daten über einen Drehsteller am Lenkrad gewechselt werden können. Fiat eigen sind die Tasten zum Skippen der Sender oder Musiktitel, und auch für die Lautstärke am Lenkradrücken versteckt. Wenn man es weiß, bereitet die Bedienung aber ebenso wenige Probleme wie die der serienmäßigen Klimaanlage mit ihren großen runden Drehstellern.

Darunter befinden sich im Übrigen auch ein USB-Anschluss, eine 12V-Steckdose und die Schalter für die Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer. Die gehört übrigens zu den wenigen Extras, die sich Fiat zusätzlich bezahlen lässt. Für den Powärmer, der leider nur ein An oder Aus kennt und verdammt heiß wird, rufen die Italiener zusätzlich 250 Euro auf. Auch die Kombination von Rückfahrkamera, elektrischer Lordosenstütze, Parksensoren (nur hinten) und Navigationssystem und der digitale Audioempfang werden mit 1250 Euro berechnet. Das ist dann aber auch schon der größte Posten, denn - last but not least - kosten Geschwindigkeitsbegrenzer und City Notbremsassistent als Sicherheitspaket 250 Euro.

Insgesamt würde der Fiat-Händler für den Testwagen 22.400 Euro verlangen. Aber nur, weil wir uns auch noch zu schicken Bicolor Felgen für 435 Euro, einer Metallic-Lackierung für 550 Euro und dem Lounge Style Paket mit getönten Fensterscheiben hinten, Fußmatten vorn, 17-Zoll-Rädern und Chromelementen für 650 Euro haben überreden lassen. Eine Investition in die Eitelkeit, die den sonst eher schlichten Fiat ein wenig mehr Pepp verleiht.

Fazit: Der Fiat Tipo SW ist wohl der ehrlichste Kombi, der im Augenblick auf den Höfen der Händler steht. Ja, es gibt schönere und besser ausgestattete, es gibt auch welche mit mehr Stauraum, aber in der Summe sind sie alle teurer. Insofern bietet der Italiener ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis und sollte gerade für junge Familien eine echte Alternative sein.

DATENBLATTFiat Tipo Kombi 1,4 T-JET
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,57/ 1,80/ 1,51 m
Radstand2,63 m
Leergewicht (DIN)1380 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen520 Liter
MotorVierzylinder-Benziner mit 1368 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang-Handschalter
Systemleistung88 kW / 120 PS
KraftstoffartBenzin
AntriebFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit200 km/h
Tankvolumen50 Liter
max. Drehmoment215 Nm / bei 2500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h9,8 Sekunden
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert)5,0 / 7,7 / 6,0 l
Testverbrauch7,4 l
EffizienzklasseC / EU6
Grundpreis19.700 Euro
Preis des Testwagens22.400 Euro

Quelle: ntv.de

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