Bewegung am Ölmarkt Warum die Preise schwanken
13.08.2008, 15:32 UhrÖkonomen, Händler und Vermögensberater schienen sich einig: Mit dem Ölpreis geht es weiter nach oben. Doch mit dem bisherigen Rekordhoch im Juli endete die Rally abrupt. Seitdem rutschen die Preise immer weiter ab. Ratlos stehen Politiker, Anleger und Verbraucher vor der Frage, worauf sie sich am Ölmarkt noch verlassen können.
Die deutsche Wirtschaft hängt am Öl. Parallel zum Ölpreis steigen auch die Kosten für Erdgas, Sprit und Kerosin. Das spürt jeder Autofahrer an der Tankstelle ebenso wie Logistikchefs, Einzelhändler oder Airline-Manager. In den Monaten bis Juli folgte Rekord auf Rekord, und in der allgemeinen Aufregung drängelten Mahner, Warner und Profiteure ins Rampenlicht, um sich mit immer düsteren Zukunftsaussichten zu überbieten.
Anfang des Jahres kostete ein Barrel (159 Liter) der Sorte West Texas Intermediate (WTI) etwas mehr als 100 US-Dollar. Ein Barrel der Nordseesorte Brent war für 97,74 Dollar zu haben. In den Monaten danach stieg der Preis immer weiter an. Mitte Juni, als das Barrel (159 Liter) Rohöl bereits 140 US-Dollar kostete, rechnete sich der Chef des russischen Energiekonzerns Gazprom, Alexej Miller, bereits aus, wo sein Unternehmen stünde, wenn der Preis auf 250 Dollar stiege. In der ersten Julihälfte erreichte die Entwicklung ihren bisherigen Gipfelpunkt: für ein Barrel US-Öl mussten bis zu 147,27 Dollar gezahlt werden. Seitdem geht es rapide abwärts. Zeitweise rutschten die Notierungen um mehr als zehn Dollar binnen weniger Handelstage.
Was treibt den Preis?
Den steilen Anstieg begründeten Beobachter in den vergangenen Monaten immer wieder mit denselben Argumenten: der steigende Verbrauch in den USA, der Öldurst der Schwellenländer, Kriegsdrohungen, Stürme, Krisenängste, der Zugriff der Spekulanten und die schlichte Endlichkeit der Ölvorkommen.
In einem Szenario, in dem die Weltwirtschaft konstant zulegte und China immer weiter in den Vordergrund drängte, schienen schon kleinste Anlässe zu genügen, um den Preis weiter in die Höhe zu treiben. Mal war es eine vage Drohung aus dem Iran, mal ein Streik in Großbritannien, mal ein Zwischenfall im Nigerdelta oder eine geringfügige Überraschung bei den US-Lagerdaten: stets reagierten die Märkte überaus sensibel.
Marktprinzip
Auch der Ölmarkt funktioniert im Kern nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Die Preise bilden sich aus dem Wechselspiel zwischen der verfügbaren Menge und dem Verbrauch. Das Angebot stellen die Ölförderländer, die Nachfrage kommt aus den großen Volkswirtschaften, wobei die Vereinigten Staaten alle anderen Öl-Abnehmer in punkto Verbrauch überragen. Wer sich auf diese stark vereinfachte Sichtweise einlassen will, für den funktioniert der Ölmarkt nicht anders als ein Kaufladen, der Gebrauchtwagenhandel oder der sonntägliche Flohmarkt: Knappe Güter sind begehrte Güter, und begehrte Güter werden teurer.
Marktrealit ät
Das gilt auch für den Handel an der Londoner Rohstoffbörse ICE und die New Yorker Rohstoffbörse Nymex. Allerdings legen sich weitere Faktoren über das Marktgeschehen. In der Praxis entscheidet weniger die momentane Versorgungslage als vielmehr das zukünftige Verhältnis aus Angebot und Nachfrage. Erwartungen treiben den Handel. Investoren steigen nach kaufmännischer Logik vor allem dann ein, wenn sie steigende Preise erwarten.
Und das sind nicht nur profitorientierte Spekulanten. Große Verbraucher wie zum Beispiel die Fluggesellschaften sichern sich durch Optionen gegen Preisschwankungen ab. Ihre Anlageentscheidungen orientieren sich auch an der vorherrschenden Marktmeinung. Daraus leiten Beobachter eine der Ursachen für die extremen Schwankungen an den Rohstoffmärkten ab. Wenn der Markt ein höheres Angebot - oder eine nachlassende Nachfrage - erwartet, kann die Stimmung schnell kippen.
Alle Überlegungen, die von dauerhaft hohen Ölpreisen ausgingen, fußen auf der Annahme einer konstant steigenden Nachfrage. Doch nach der Kreditkrise und den Turbulenzen an den Finanzmärkten zeichnet sich jedoch zumindest für die USA eine Phase der Konjunkturschwäche ab. Da die USA der weltgrößte Verbraucher sind, steht ein Abflauen der Wirtschaftsleistung in den USA gleichbedeutend mit einem signifikanten Rückgang der Nachfrage.
Wie die US-Energiebehörde EIA mitteilte, schrumpfte die Nachfrage nach Rohöl in den USA im ersten Halbjahr 2008 so stark wie seit 26 Jahren nicht mehr. Der Rückgang sei vor allem auf das langsamere Wachstum der US-Wirtschaft und die steigenden Benzinpreise zurückzuführen. Nach Einschätzung der Behörde wird 2009 die Ölnachfrage in den USA auf das Niveau des Jahres 2003 absinken.
Begrenztes Angebot, schwankende Nachfrage
Während die Förderanlagen am persischen Golf noch auf Hochtouren laufen, stellen sich Händler auf ein Zeit des Überangebots ein. Parallel dazu schwenkt die Industrie auf effizientere Technologien um. Hinzu kommen Überlegungen am Markt, wie es mit der chinesischen Wirtschaft nach den olympischen Spielen weitergeht. China hatte unter dem Label des aufstrebenden Schwellenlandes einen Großteil zur Nachfrageerwartungen beigetragen. Gewinnmitnahmen setzen ein, Fonds und andere Großinvestoren schichten um, die Blase platzt, die Preise fallen.
Anleger und Verbraucher sollten den aktuellen Rückgang der Ölpreise nicht missverstehen. An den Rohstoffmärkten gibt es auch weiterhin keine Garantien für kalkulierbare Preise. Und abgesehen von der US-Konjunktur hat sich auch an den Fundamentaldaten nichts verändert. Öl bleibt eine endliche Ressource, und wenn die USA - ohne energiepolitische Kurskorrektur - zu alter Stärke zurückfinden, werden auch die Preise schnell wieder anziehen.
Quelle: ntv.de