Frank Meyer Auf dem falschen Dampfer
12.11.2009, 08:04 Uhr
Frank Meyer
"Jeden Tag ein bisschen besser", so wirbt eine große deutsche Supermarktkette. Jeden Tag ein bisschen höher, heißt die Devise an den Finanzmärkten. Vor wenigen Monaten bestiegen die Kurse die Boote und warteten auf die Flutung der Wanne, die dann auch nicht lange auf sich warten ließ. Inzwischen ist der Wasserspiegel etliche Meter gestiegen. Einige ertrinken. Wer alles hat, nur keine Aktien oder Edelmetalle, schaut mit den Armen rudernd zu, bis er dann doch zu einem höheren Preis zulangt. Nicht dass er wollte, sondern weil er muss.
Die meisten Sparer sitzen auf ihren so tollen und sicheren Produkten wie Lebensversicherungen, Riester, Rürup oder Fonds aus Renten, deren Wert oft eine permanente Wette darauf ist, dass der Schuldner seine Zeche bezahlt und auch künftig kann. Schildkröten-Anleihen bringen heute sagenhafte 0,54 Prozent, Bundesanleihen ein Schnäpschen mehr. Sparer parken ihre Geldscheine auch zunehmend unter Matratzen, berichtet die GfK in einer Umfrage. Liegt die Masse diesmal richtig? Sie wird es erfahren, wenn der Stöpsel gezogen wurde. Wir haben uns mit den vielen neuen Schulden nur ein paar Jahre gekauft, heißt es. Und dann? Hängen wir dann Nullen an oder streichen sie? Zeitenwenden sind beharrlich, unberechenbar und tückisch.
M.f.G. - Mit freundlichen Grüßen
Ein besonderer Dank geht an die Notenbanken, die das Geld für Banken so billig gemacht haben und sich so rührend um die Anleihen kümmern. Sie kaufen diese auf, wenn sie keiner haben will und drücken damit die Zinsen. Auch ein Blumenstrauß für steigende Edelmetallnotierungen sollte ihnen entgegengeworfen werden. Je mehr Geld sie erschaffen, desto höher steigen die Preise für Gold und Silber. Schließen Sie bitte die Regierungen mit in Ihre Gebete ein, die ganz wild mit Steuergeldern um sich werfen und in den letzten Monaten sehr großzügig geworden sind. Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass es denen, die aus dem Wirtschaftskreislauf gefallen sind, im Alltag an nichts mangelt, dass sie aus Langeweile nicht noch auf dumme Ideen kommen und beginnen, die Dinge zu hinterfragen. Jedem soll es gut gehen. Bitte vergessen Sie nicht ihre freundliche Grußbotschaft oder eine Schachtel Konfekt an die Anlagenschieber zu überstellen, die staatlich gestützt, an den Märkten endlich ihr Können unter Beweis stellen dürfen und damit Dax, Dow & Co. zum Steigen bringen.
In einem Meer aus Liquidität steigt jedes Boot, sagen die Börsenhändler. Das bringt die Krisen immer schnell zum Verschwinden, bis sie dann in größerer Form selbst die Experten unerwartet überraschen. Richtig! Die Wirtschaft befindet sich in einem Stadium der Stabilisierung, sagen wichtige Knochenwerfer aus den Analyseabteilungen. Statistisch gesehen geht es auch aufwärts, jedoch nicht für alle. Das erinnert mich an dieses große Schiff im Eismeer. Als Titanic und Eisberg sich im kalten Wasser trafen, ging es mit dem Heck des Schiffes noch mal richtig aufwärts. Und die meisten dachten, es wäre ein Aufschwung…
Völlig losgelöst
Investitionen in die Wirtschaft sind heute gefährlicher, als das Geld an der Börse zu investieren. Bequemer ist es obendrein, denn man erspart sich nervende Mitarbeiter, Bürokraten, Steuerprüfung, Statistiken und den Ärger mit dem Ordnungsamt. Staatlich subventioniert ist die Angelegenheit obendrein, denn während auf Börsengewinne nur 25 Prozent Steuer fällig, liegt die Steuerquote für Unternehmen oft höher. Wie seltsam, wenn das Geld den Weg des geringsten Widerstandes geht und es damit fehlgeleitet wird? Viele schimpfen, dass Börse mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Hatte sie das jemals? Muss sie das? Börse will Gewinne, ohne zu fragen, woher diese kommen. Selbst Kosmetik in Bilanzen sind gerne gesehene Boten von Wachstum und Grundlage steigender Preise.
Wer übrig bleibt, wird von den Staats – und Sozialkassen alimentiert. Solange dieser Kreislauf funktioniert, muss man sich keine Sorgen machen – bis zum Tag der Abrechnung, wann immer der auch kommen mag. Ein täglicher Blick auf die Barometer mag dabei recht hilfreich sein. Welche Barometer? Nun, derer gibt es einige. Der Goldpreis zeigt, wie weich unser Geld im Vergleich zu Gold geworden ist. Steigt der Goldpreis, steigt auch die Hitze im System. Gold in Simbabwe-Dollar gerechnet war ein eindeutiges Zeichen großer Schwierigkeiten. Je lauter dazu die Experten werden, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass sie irren. Gute Barometer sind auch selbst gemachte Beobachtungen und das Durchstöbern von des Volkes Meinung in Kommentaren im Internet.
In den letzten Wochen achte ich auch auf Absurditäten aus den Mündern derer, die den Bezug zur Realität inzwischen verloren haben. Und ist sicher: Hier entwickelt sich gerade ein Boom derer, die sich Gott sehr nahe sehen. Wenn die Zahl ein erträglich Maß übersteigt, sollten Sie spätestens auf dem richtigen Dampfer sitzen...
Quelle: ntv.de