Die Busch-Trommel Auf den Flügeln der Angst
27.09.2011, 07:25 UhrEin Schuldenschnitt allein ist für Athen keine Lösung, schreibt Börsenkommentator Friedhelm Busch. Für einen Neustart brauche Griechenland den "disziplinierenden Zwang" der Euromitgliedschaft. Die deutsche Politik dürfe den Druck nicht aus dem Kessel nehmen.
Vom Epizentrum Griechenland aus laufen die Schockwellen des Finanzbebens börsentäglich in immer schnellerer Folge rund um den Erdball. Weltweit bangen die Anleger an den Finanzmärkten bei Börseneröffnung um ihr Geld, müssen sie voller Panik mit ansehen, wie die Kurse seit Monaten nur eine Richtung kennen: Nach unten. Und alles, weil die mögliche Pleite des hoch verschuldeten griechischen Staates die internationale Finanzwelt aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Dass die Griechen mit ihrer geringen Wirtschaftskraft im Grunde keine Chance haben, ihre Schulden jemals zu tilgen, das hat sich inzwischen bis zu den buntesten Massenmedien herum gesprochen. Folglich geht es im öffentlichen Diskurs nur noch darum, in welchem Umfang die internationalen und nationalen Gläubiger ihre Forderungen an die Griechen wertberichtigen oder gar ganz abschreiben müssen. Und ob das Land nicht doch überredet werden sollte, die EU und damit den Euroverbund zu verlassen. Nach einem drastischen Schuldenerlass könnten die Griechen doch mit einer eigenen Währung einen Neustart zu versuchen.
Alles zurück auf Null?
Vom Grundsatz her ist ein Neustart in der Tat keine schlechte Idee: Mit neuen Krediten und unter Mitwirkung ausländischer Unternehmer und Institutionen gezielt die Wirtschaftskraft Griechenlands verbessern. Neben dem Tourismus neue Geschäftsfelder entwickeln, z. B. in der Erneuerbaren Energie oder im Nahrungsmittelbereich. Dieser Weg böte den Griechen immerhin die vage Möglichkeit, irgendwann doch auf eigenen Füßen zu stehen, mit einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft im Rücken. Hierfür Milliardenkredite zu gewähren, das ist allemal sinnvoller als die gegenwärtige Praxis, bei der die Finanzhilfen der Europäer und des Internationalen Währungsfonds überwiegend für Zinszahlungen an die Kreditinstitute in den Geberländern draufgehen und der Rest im täglichen Konsum versickert.
Voraussetzung für das Gelingen einer nachhaltigen Wirtschaftsförderung mit einer direkten Beteiligung ausländischer Kontrolleure und Investoren vor Ort wäre natürlich die stringente Umsetzung aller versprochenen Stabilisierungsmaßnahmen und Reformen, die die griechische Regierung jetzt sich und der eigenen Bevölkerung verordnet hat.
Athen an die kurze Leine
Dieser Weg könnte aber wohl nur innerhalb des Eurosystems gegangen werden. Denn hätte das Land erst einmal die EU verlassen und eine eigene Währung eingeführt, gerieten wahrscheinlich sehr schnell alle Stabilitätsschwüre und Reformabsichten in Vergessenheit. Ohne den disziplinierenden Zwang der Euromitgliedschaft, ohne den damit in Aussicht gestellten Zugang zu den europäischen Hilfsprogrammen, fänden vermutlich jene unbezahlbaren Forderungen der Wählermassen bei genau den Politikern wieder die volle Unterstützung, die das Land in den Ruin getrieben haben.
Selbst bei einem radikalen Schuldenerlass müsste dann schon ein Wunder geschehen, sollte Griechenland ohne Rückkehr zur Stabilität gesunden. Die neue eigene Währung würde gegenüber dem Euro und anderen Währungen prompt ins Bodenlose stürzen, die griechischen Banken wären von einem Tag auf den anderen pleite, weil natürlich auch sie nach einem Schuldenerlass unter dem Werteverfall griechischer Anleihen zu leiden hätten. Denn man darf wohl unterstellen, dass vor allem griechische Banken in der jüngsten Zeit die heimischen Staatsanleihen gekauft haben. Eine drastisch abgewertete eigene Währung könnte zwar dem heimischen Exportgeschäft eine Zeit lang helfen, mit Sicherheit aber würden die importierten Waren eine deftige Inflation ins Land tragen.
Besser EU als Neue Drachme
Verständlich, dass angesichts dieser Schreckensvisionen die jetzige griechische Regierung um den Verbleib in der EU kämpft. So kann man schließlich auch der eigenen Bevölkerung die beschlossene Rosskur erklären: Ohne Schuldenabbau und Reformen keine finanzielle Hilfe der EU-Partner und ohne deren Geld kein Überleben auf einer soliden Basis!
Gerieten nach den Griechen auch andere europäische Stabilitätssünder ins Fadenkreuz der internationalen Finanzinvestoren, würde ihnen – außerhalb der Eurozone – voraussichtlich ein ähnliches Schicksal blühen. Am Ende wäre die ganze europäische Stabilitätspolitik vom Tisch, brächte ein ungebremster Abwertungswettlauf der Pleitekandidaten den internationalen Handel aus dem Tritt. Was das für die deutsche Exportwirtschaft und unseren Wohlstand bedeuten würde, dürfte wohl jedem klar sein. Deswegen wäre ein Austritt notorischer Stabilitätssünder aus dem Euro eine Katastrophe, auch für die verbliebenen Mitglieder.
Nun belegen die aktuellen Stabilitätsbemühungen der europäischen Wackelkandidaten, dass diese sich im Augenblick durchaus der brutalen Konsequenzen einer ungebremsten Staatsverschuldung bewusst sind. Diese Konsequenzen müssen aber glaubwürdig sein und nicht zum leeren Politikergeschwätz verkommen, mit dem aufgebrachte Bürger in den Geberländern narkotisiert werden sollen und das in den Nehmerländern den Eindruck entstehen lässt, nichts werde so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Am Ende werde schon das nötige Geld in die leeren Staatskassen fließen.
Gegenwärtig verleiht die Angst der Stabilitätssünder vor einem Verlust der EU-Solidarität den Befürwortern einer soliden Haushaltspolitik Flügel. Noch !
Druck im Kessel halten
Die deutsche Politik wäre daher jetzt gut beraten, alles zu unterlassen, was diesen Druck aus dem Kessel nähme. Daher braucht die Eurozone unbedingt einen Sanktionsmechanismus, der bei eindeutiger Fortsetzung einer ungebremsten Staatsverschuldung sofort alle Hilfsprogramme einfriert, auch auf die Gefahr einer Staatspleite. Und gleichzeitig sollte eine bewusste Beschränkung des Kreditvolumens von Anfang an grenzenlose Begehrlichkeiten potenzieller Nehmerländer bremsen und den Geberländern das eigene Überleben in Stabilität ermöglichen.
Ein Rettungsschirm mit einem nach oben offenen Kreditvolumen, dazu wirkungslose Drohgebärden bei fehlenden Konsolidierungsbemühungen, das wäre genau das Gebräu, an dem die EU zu Grunde gehen würde.
Quelle: ntv.de