Die Busch-Trommel China! China! China?
07.09.2009, 06:00 Uhr Der Börsenoptimismus hat einen Namen: China! Von der chinesischen Regierung erwarten alle die Rettung aus der Krise. Vielleicht zu Recht, zumindest signalisieren das die Aktienkurse weltweit.
Mit einem 586 Mrd. US-Dollar-schweren Hilfsprogramm und mit Billigkrediten will Beijing den Zusammenbruch seiner Exportwirtschaft durch eine starke Binnenkonjunktur ersetzen. Die Folgen dieser sintflutartigen Geldschwemme sind explodierende Rohstoffpreise und steigende Frachtraten, weil chinesische Aufkäufer über Nacht die Weltmärkte für Industriemetalle, Eisenerz und Rohöl leer fegen.
Für die Finanzmärkte steht fest: China will im Hau-Ruckverfahren die heimische Infrastruktur verbessern. Zum Bau von Häusern, Straßen oder Gleisanlagen aber brauchen die Chinesen vor allem Stahl, Kupfer und Energie. Schon meldet die chinesische Regierung ein Wirtschaftswachstum von acht Prozent in diesem Jahr. Und selbst die 20 Mio. arbeitslosen Wanderarbeiter, so die amtliche Statistik, haben nach ihrer Heimkehr in ihre Dörfer wieder Arbeit gefunden.
Danke China?
Wen wundert es, dass angesichts dieser offiziellen Verlautbarungen die Rohstoffländer jubeln und westliche Industrieunternehmen beginnen, ihre Lagerbestände aufzustocken. Die schlimmste Krise der Nachkriegszeit ist bereits wieder vorbei, der Aufschwung steht vor der Tür. Dank China! Wirklich?
Zunächst sollten wir uns erinnern, dass die amtlichen Statistiken nicht selten Lichtjahre von der Wahrheit entfernt sind. Nicht einmal zehn Prozent der eigenen Bevölkerung, so jüngst eine chinesische Umfrage, schenken den amtlichen Statistiken Glauben.
Es sind aber nicht allein die Zweifel an den offiziellen Statistiken, die zur Vorsicht mahnen. Die chinesische Regierung selber stellt jetzt fest, dass mit ihren Konjunkturprogrammen und Billigkrediten überwiegend ineffiziente staatseigene Betriebe der Stahl- und Zementindustrie bedacht worden sind. Statt Überkapazitäten in diesen Bereichen abzubauen, wurden diese sogar noch erweitert. Dagegen haben kleine – aber effiziente- Privatunternehmen kaum etwas vom staatlichen Geldsegen erhalten.
Zudem ist ein Drittel des Geldes vom Empfänger direkt in spekulative Anlagen, beispielsweise in Immobilien, Aktien oder Rohstoffe geflossen. Die dadurch entstandenen Spekulationsblasen verursachen an den chinesischen Börsen bereits seit Wochen wahre Bocksprünge. Selbst Privatleute sollen sich mit Kupferdraht eingedeckt haben, um von den erwarteten Preissteigerungen zu profitieren. Ein weiteres Drittel ist verwendet worden, um marode Unternehmen zu retten.
Jetzt sieht sich die chinesische Regierung offenbar gezwungen, die Verteilung des billigen Geldes zu stoppen, denn zu groß ist die Gefahr, dass mit Hilfe dieser Liquidität wilde Spekulationen die Inflation im Lande anheizen. Stahlunternehmen sowie Zementhersteller sollen nun geschlossen werden, die inländische Bleiproduktion, immerhin auch wichtig für die Automobilindustrie, wird heruntergefahren. Gleiches gilt offenbar für den Aufkauf von Industriemetallen aus dem Ausland.
Mit anderen Worten: Die Absicht der Zentralregierung, den Ausfall der Exporte durch eine boomende Binnenkonjunktur zu kompensieren, scheint misslungen. Zumal die chinesischen Verbraucher gar nicht daran denken, trotz des staatlichen Geldsegens mehr zu konsumieren. Sie bleiben unangefochtene Weltmeister im Sparen. Allenfalls spekulieren sie kurzfristig an den Aktienmärkten oder mit Immobilien und Rohstoffen, um ihre Notgroschen aufzustocken. Aus eigener, bitterer Erfahrung wissen sie, dass sie im Alter nur auf sich selbst angewiesen sind, übrigens nicht zuletzt eine Folge der staatlich verordneten Ein-Kind-Ehe. Im Krankheitsfall gibt es kaum Hilfe vom Staat, und das Ersparte wird zu allem Unglück auch noch von der Inflation aufgezehrt, weil die aktuellen Preissteigerungsraten deutlich über den Zinszahlungen der Staatsbanken liegen. Will die Zentralregierung die bereits aufflackernden sozialen Unruhen im Land ersticken und gleichzeitig die gewaltigen Sparguthaben ihrer Bürger für die Binnenkonjunktur aktivieren, muss sie vordringlich die Inflation bekämpfen und ein Sozialsystem von Grund auf neu schaffen. Dafür aber braucht man mehr als nur ein Konjunkturprogramm; und das dauert Jahrzehnte, nicht nur wenige Monate.
Es ist also mehr als zweifelhaft, dass China die Finanzmärkte und Weltwirtschaft tatsächlich im Handumdrehen aus der Krise führen kann. Im Gegenteil: Wenn Beijing Ernst macht mit seinem angedeuteten Kurswechsel, sollten sich die Börsen erneut auf stürmische Zeiten vorbereiten. Auf die Aktien- und Rohstoffsause könnte sehr schnell der Katzenjammer folgen.
Quelle: ntv.de