Die Busch-Trommel Die Logik der Börse
31.08.2010, 14:06 UhrWährend die überraschend schnelle und deutliche Erholung der deutschen Wirtschaft bei Politikern und Gewerkschaftern bereits wieder neue Begehrlichkeiten weckt, zeigen sich die Investoren wenig beeindruckt, wenn nicht gar zutiefst besorgt. Wer darin nun den typisch deutschen Pessimismus entdecken will, eine Unfähigkeit zur Freude, der hat die Logik der Börse nicht verstanden. Eine alte Weisheit im Wertpapiergeschäft besagt: "Fürs Gehabte gibt die Börse nichts." Mit anderen Worten, es zählen nicht die Erfolge der Vergangenheit, sondern die Aussichten für die kommenden Monate. Und an diesem Punkt beginnen die Ängste der Anleger, denn für das zweite Halbjahr befürchten viele Marktbeobachter eine Abschwächung der Konjunktur, wenn nicht gar eine erneute weltweite Rezession.
Der unerwartet kräftige Aufschwung der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres speist sich überwiegend aus den Exporterfolgen auf den amerikanischen und chinesischen Märkten. Doch genau dort drohen jetzt Einsturzgefahren. Die US-Wirtschaft leidet hartnäckig unter der andauernden Massenarbeitslosigkeit. Und der Immobilienmarkt, neben einem sicheren Arbeitsplatz die zweite wichtige Stütze der Bevölkerung, verharrt in der Agonie. Kein Wunder, dass die Amerikaner die alte Lust am Konsum noch nicht wieder gefunden haben, die Industrie daher nur wenig investiert und folglich trotz niedriger Zinsen kaum Kredite nachfragt. Mit der Konsequenz, dass die Banken im billigen Notenbankgeld fast ertrinken.
Wenn aber die US-Wirtschaft nur schwer in die Gänge kommt oder gar erneut abstürzen sollte, würde das nicht ohne gravierende Folgen bleiben für die Weltkonjunktur, insbesondere für die deutsche Exportwirtschaft. Denn schließlich sind die USA unser wichtigster Handelspartner.
Doch damit nicht genug! China, jüngster Hoffnungsträger deutscher Maschinenbauer und Autoproduzenten, schreckt ebenfalls mit bedrohlichen Nachrichten. Die chinesische Wirtschaft läuft heiß. Zuviel billiges Geld bläht den heimischen Immobilienmarkt und ineffiziente Industriekomplexe auf, verursacht Fehlinvestitionen der Banken, verschärft die Belastungen der Umwelt und droht in einer Inflation zu enden. Jetzt plant die chinesische Zentralregierung offenbar, die Betriebstemperatur der heimischen Wirtschaft zu senken. Wenn aber China bremst, wird darunter auch Deutschland leiden. Ganz zu schweigen von all den Schwellenländern, die mit ihren Rohstoffen auf die chinesische Karte gesetzt haben. Doch allzu groß sollte die Angst vor einer gezielten Abkühlung der chinesischen Konjunktur nicht sein, denn mehr als alles andere fürchtet die kommunistische Kommandowirtschaft eine Rezession im eigenen Lande und daraus folgende soziale Unruhen.
Geld strömt in die Staatsanleihen
Realistischer ist dagegen die Furcht vor einem erneuten Einbruch der US-Wirtschaft. Doch bin ich auch in diesem Punkt nicht unbedingt pessimistisch. Denn die US-Notenbank ist offensichtlich wild entschlossen, mit ihrer großzügigen Geldpolitik auch in nächster Zukunft dem Staat unter die Arme zu greifen, um eine Wiederholung der jüngsten Finanz-und Wirtschaftskrise zu verhindern. Präsident Obama und die angeschlagene demokratische Partei werden darüber angesichts der bevorstehenden Kongresswahlen nicht gerade unglücklich sein, kann doch die Regierung jetzt dank dieser Notenbankhilfe wählerwirksam weitermachen mit ihren Hilfsprogrammen, finanziert durch den Verkauf von Staatsanleihen zu äußerst niedrigen Zinsen. Ähnlich halten es die Notenbanken in Europa mit den Finanzwünschen der europäischen Staaten. Deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren bringen gegenwärtig nur eine Verzinsung von etwas mehr als 2 Prozent.
Um aber trotz dieser andauernden Geldschwemme leidlich attraktive Renditen zu erhalten, sehen sich die internationalen Anleger- nicht zuletzt die Banken selber, die nicht wissen, wohin mit all dem billigen Notenbankgeld - zunehmend gezwungen, auf risikoreichere Unternehmensanleihen und Anleihen höchst gefährdeter Staaten auszuweichen. Ergebnis: Auch bei unsicheren Kantonisten steigen wegen der wachsenden Nachfrage die Kurse der Anleihen, fallen die Renditen. Aber fallende Renditen an den Rentenmärkten bei gleichzeitig steigenden Risiken, das ist nun aus der Sicht der Börsianer überhaupt nicht logisch. Daher sehe ich in dieser widersinnigen Entwicklung durchaus Gründe entstehen für eine Wiederentdeckung der Aktie: Die Furcht vor einer erneuten Rezession in den USA erweist sich vermutlich schon bald angesichts der Politik von Bernanke & Co als übertrieben, ein jähes Ende des Chinabooms als eher unwahrscheinlich.
Die Unternehmensgewinne werden also weiterhin steigen. Vielleicht langsamer als bisher, aber immerhin. Gleichzeitig verlieren wegen der wachsenden Liquidität die Renditen selbst riskanter festverzinslicher Anlagen zunehmend ihren Reiz. Somit schlägt die Stunde der Aktienanlage. Zumindest würde das der Börsenlogik entsprechen.
Quelle: ntv.de