Devisen-Ausblick EZB vor der Glaubensfrage
08.05.2010, 15:45 UhrIn welche Richtung sich der Euro in den kommenden Tagen entwickelt, steht anscheinend stärker in den Sternen als je zuvor. Doch auch die längerfristige Perspektive ist nicht einfacher vorherzusehen. Die hängt nämlich an nicht weniger als der Kernfrage, ob die EZB ihre bisherige Aufgabe neu definieren soll.
Der Verfall des Euro hat zuletzt panikartige Züge angenommen. Devisenhändler sprechen bereits von Kapitalflucht in den plötzlich wieder als sicher geltenden Dollarraum. Die als ungelöst wahrgenommene Schuldenkrise in Griechenland hat zu einer regelrechten Explosion der Risikoparameter an den Finanzmärkten geführt und einen Rückzug aus als risikobehaftet betrachteten Vermögenswerten geführt.
Die Investoren befürchten nicht nur, dass das geschnürte Rettungspaket unter Federführung der Eurozone und des IWF nicht ausreichen wird, um einen Zahlungsausfall zu verhindern. Zweistellige Renditen auf zweijährige griechische Anleihen implizieren, dass die Investoren einen Kapitalschnitt noch immer für wahrscheinlich halten.
Aus der Reserve gelockt
Dabei sind Bilder schwerer Ausschreitungen in den Straßen Athens nicht gerade hilfreich, um ausländische Anleger zu einem Engagement in der Eurozone zu bewegen. Der hart umkämpfte Status einer Reservewährung und damit einer Alternative zum Dollar scheint zunehmend in Gefahr. Schlimmer noch wiegen die Sorgen, dass sich die Schuldenkrise auf andere Länder der Eurozone ausweiten wird.
Jede Anleiheauktion wird in der Zwischenzeit von den Anlegern mit Argusaugen beobachtet. Eine Verschärfung der Krise, und eine solche wird in der Zwischenzeit von vielen Kreditanalysten erwartet, würde die Eurozone sehr bald an ihre Kapazitätsgrenzen führen. Denn sollte sich Spanien, dessen wirtschaftliches und finanzielles Gewicht jenes von Griechenland um ein Vielfaches übersteigt, nicht mehr an den Kapitalmärkten refinanzieren können, wird auch die Finanzkraft der starken Kernländer - allen voran Deutschland - nicht mehr ausreichen.
Nach Einschätzung von Jim Reid, Stratege der Deutschen Bank, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine Lösung der Staatsschuldenkrise über den freien Markt nicht mehr erreichbar ist. Damit rückt zunehmend die EZB und ihre unbegrenzten Möglichkeiten der Geldschöpfung in den Fokus. Ein Kreditanalyst weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass erst die Garantie des gesamten Finanzsystems durch die US-Regierung nach dem Kollaps von Lehman Brothers zu einer Stabilisierung geführt habe.
Letzter Rettungsanker
In einer ähnlichen Lage befänden sich die Finanzmärkte nun wieder, allerdings auf der Sovereign-Seite. Stellt sich nur die Frage, wie ein Staat seine eigenen Schulden garantieren soll. Es kann daher nicht überraschen, dass der Druck auf die EZB - und damit dem "Lender of Last Resort" - fast täglich wächst, für diese Garantie zu sorgen. Man darf den Notenbankern allerdings nachsehen, dass sie sich mit der Entscheidung, Staatsanleihen aus der Eurozone aufzukaufen, schwer tun.
Zum einen enthält der Maastricht-Vertrag ein Verbot des direkten Aufkaufs von Staatsanleihen. Ein Bruch würde die Werthaltigkeit des Euro zusätzlich unterminieren. Denn eine massive Ausweitung der Politik der quantitativen Lockerung, im Volksmund Geldpresse genannt, hätte einen rasanten Anstieg der Inflationsgefahren für die kommenden Jahre zur Folge. Der Preis für die Stabilisierung der Eurozone wäre also möglicherweise die Aufweichung des eigenen Inflationsdogmas durch die EZB.
Hier ist es vielleicht angebracht daran zu erinnern, dass die Europäische Zentralbank im Gegensatz zur Federal Reserve in ihren Statuten lediglich der Preisstabilität innerhalb der Eurozone verpflichtet ist. Wie geht es also weiter für den Euro? Mittelfristig sind die Aussichten trübe, es sei denn die Fed sieht sich in Zukunft angesichts der Schuldenprobleme im eigenen Land möglicherweise zu einer ebensolchen Ausweitung der Geldschöpfung veranlasst.
Kurzfrist-Kurs nicht vorhersehbar
Kurzfristig sind die Bewegungen kaum prognostizierbar und dürften stark von der Risikoeinschätzung der Investoren an den Bondmärkten geprägt sein. Im Handel werden für die kommenden Tage denn auch Handelsspannen zwischen 1,21 und 1,31 US-Dollar genannt, was nichts anderes als ein Eingeständnis der eigenen Ratlosigkeit ist. Angesichts der massiven Überverkauftheit des Euro sind signifikante Gegenbewegungen eigentlich angesagt.
Händler glauben derzeit allerdings nicht an deren Nachhaltigkeit und tendieren weiter hinzu, die Gemeinschaftswährung in Euro-Stärken tendenziell zu verkaufen. Konjunkturdaten dürften auch in der kommenden Woche nur eine untergeordnete Rolle spielen, wobei Daten zu den US-Einzelhandelsumsätzen sowie zum Verbrauchervertrauen am kommenden Freitag sicherlich zur Kenntnis genommen werden. Von der Leitzinsentscheidung der Bank of England zu Wochenbeginn sind keine Impulse zu erwarten. Es gilt als ausgemachte Sache, dass das Niveau von 0,5 Prozent bestätigt wird.
Spannender für das Pfund dürfte da schon sein, wie die Finanzmärkte auf die unklaren Machtverhältnisse auf der Insel nach den Parlamentswahlen reagieren werden. Die Bonitätsnote für Großbritannien ist nach Einschätzung der Ratingagenturen Standard & Poor's (S&P) und Moody's infolge des knappen Wahlausgangs im Lande nicht gefährdet. Es ist zu hoffen, dass dies auch in Zukunft so bleibt.
Quelle: ntv.de, DJ