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Stefan Riße Löhne rauf zur Eurorettung!

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(Foto: dpa)

In den aktuellen Lohnverhandlungen tauschen die Tarifparteien wieder die üblichen Argumente aus, dabei geht es um mehr als die Beteiligung am Wachstum: Nach Einschätzung von Marktexperte Stefan Riße liegt in der Lohnentwicklung in Deutschland der Schlüssel zur Rettung des Euro.

Stefan Riße

Stefan Riße

Die gemütlichen Lohnrunden sind für die Arbeitgeber vorbei. Das zeigen die Lohnforderungen der Gewerkschaften deutlich. 6,5 Prozent mehr fordert die IG Metall im aktuellen Tarifstreit und hat die Ernsthaftigkeit bereits durch Warnstreiks unterstrichen. Die Argumentation ist eindeutig: In den vergangenen Jahren habe man sich aufgrund der Finanzkrise zurückgehalten, um den Erhalt von Arbeitsplätzen nicht zu gefährden. Doch damit sei jetzt Schluss. Deutschland habe die Krise hinter sich gelassen, die Unternehmen verdienten prächtig und davon sollten nun auch die Arbeitnehmer profitieren.

Ritualgemäß reagiert die Arbeitgeberseite mit Appellen an die Vernunft, nennt die Forderungen überzogen und warnt vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.

Rettungsschirme sind keine Lösung

Dabei liegt genau hier der Schlüssel zum langfristigen Erhalt des Euro. Das mag sich zunächst abstrus anhören, doch ob die Gemeinschaftswährung überlebt oder nicht, hängt langfristig nicht von irgendwelchen Rettungsschirmen und der Durchsetzung rigider Sparmaßnahmen ab.

Soll die Eurozone nicht zu einer permanenten Transferunion werden, nach dem Vorbild der Bundesrepublik Deutschland und ihrer einzelnen Bundesländer, müssen die Peripheriesaaten innerhalb der Eurozone ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder zurückgewinnen. In den Jahren des kreditfinanzierten Booms haben sie diese verloren, weil die Löhne deutlich stärker zulegten als beispielsweise hierzulande. Weil Währungsabwertungen einzelner Staaten nach der Einführung des Euro aber nicht mehr möglich sind, muss dieser Prozess nun zurück gedreht werden. Und das bedeutet: Deutschland muss an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Die Stellschraube hier für sind die Lohnstückkosten, also der Preis der Arbeit für die Erzeugung eines gewissen Produktes oder einer Dienstleistung. Entscheidend für die Lohnstückkosten sind zwei Faktoren: Die Produktivität und der Lohn. Solange jemand, der das Doppelte verdient, auch doppelt so produktiv ist, kostet er den Arbeitgeber nicht mehr in Bezug auf die Produktionskosten.

Um die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen gibt es demgemäß drei Optionen:

1. Die Peripheriestaaten steigern ihre Produktivität gegenüber Deutschland.

2. Die Lohnerhöhungen der Vergangenheit werden rückgängig gemacht, will heißen: Die Löhne sinken in den kommenden Jahren.

3. In Deutschland steigen die Löhne stärker als in den Peripheriestaaten, wo sie stabil bleiben oder nur langsam steigen.

Die ersten beiden Wege sind theoretisch zwar denkbar, praktisch aber kaum umsetzbar. Produktivitätssteigerungen bedeuten zunächst Rationalisierung und damit Arbeitsplatzverluste, die wegen der schwachen Wirtschaftssituation zunächst nicht kompensiert werden können. Die in den Ländern bereits vorherrschende Rezession würde sich verschärfen. Lohnsenkungen liefen letztlich auf das gleiche Ergebnis hinaus, weil wegen der geringeren Kaufkraft der Konsum permanent zurückginge. In beiden Fällen würde das Land in einer Abwärtsspirale aus Rezession, sinkenden Steuereinnahmen und wiederum wachstumsschädlichen Sparmaßnahmen enden. Soziale Unruhen und Regierungswechsel wären vorprogrammiert. Bei Wahlen in diesen Ländern dürften früher oder später Parteien gewinnen, die für den Ausstieg aus dem Euro plädieren, um dem Elend ein Ende zu bereiten.

Einmalige Chance

Realistischerweise bleibt daher nur Option drei: Löhne rauf in Deutschland! Das scheinen die Arbeitgeber aber noch gar nicht begriffen zu haben. Natürlich würden sie meiner Argumentation entgegensetzen, dass Deutschlands wichtigste Wettbewerber außerhalb der Eurozone säßen. Das ist zwar richtig, doch hier besteht aktuell eine historische Chance. In China und auch anderen Schwellenländern steigen die Löhne plötzlich schneller als die Produktivität, jahrelang war es umgekehrt. Damit könnten wir die Löhne kräftiger erhöhen, ohne global an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber unseren wichtigsten Konkurrenten zu verlieren.

Diese Chance sollten die Tarifparteien nutzen, denn zerfiele der Euro, würde die D-Mark so massiv aufwerten, dass wir innerhalb von 24 Stunden sicher dreißig Prozent an Wettbewerbsfähigkeit verlieren würden. Zeiten von nur drei Millionen Arbeitslosen wären vorbei. Wer es nicht glaubt, braucht nur in die Schweiz zu schauen, wo Unternehmer wegen des starken Franken immer mehr Produktion ins Ausland verlagern.

Stefan Riße ist Portfolio Manager bei der Vermögensverwaltung HPM Hanseatische Portfoliomanagement in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender n-tv. Sein aktuelles Buch "Die Inflation kommt" belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten. Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter https://www.rissesblog.de/

Quelle: ntv.de

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