Michael Reuss Unabhängigkeit ist das A und O
26.03.2012, 11:26 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die europäische Ratingagentur soll im Frühjahr an den Start gehen. Doch wird das die Probleme beheben, die mit der Dominanz der US-Agenturen verbunden sind? Aus Sicht der Anleger ist eine Ratingagentur für den Alten Kontinent nur sinnvoll, wenn sie anders funktioniert als ihre amerikanischen Pendants. Unabhängigkeit von den Emittenten ist dabei das A und O.
100 vor allem europäische Banken stehen im Visier von Moody‘s. Die US-Rating-Agentur, im Besitz der Großaktionäre Berkshire Hathaway (Warren Buffett), Goldman Sachs und Barclays Bank, nennt als Grund für die eventuelle Herabstufung des Ratings so vieler europäischer Geldhäuser die Auswirkungen der Schuldenkrise.
Erst vor Kurzem hatten die US-Ratinggenturen sechs Eurostaaten herabgestuft und die Top-Noten von Frankreich, Großbritannien und Österreich in Frage gestellt. Für die betroffenen Länder verkomplizierte und verteuerte dies die Aufnahme von frischem Geld. Die Bonität Deutschlands als wirtschaftlich stärkstem Staat in Europa wurde zwar nicht angezweifelt, doch deutsche Banken stehen unter Beobachtung. Kaum verständlich schien es Beobachtern, dass auch der 700 Milliarden Euro schwere Rettungsfonds, den die EU 2010 einrichtete (ESFS), seine Anleihen der Bewertung durch die drei großen US-Ratingagenturen unterwirft.
Revolutionäres Rating-Konzept?
Doch nun halten die Europäer dagegen. Im Frühling soll die europäische Ratingagentur in Frankfurt an den Start gehen. Sie schreibt sich Unabhängigkeit, Transparenz und neue Analyseverfahren auf die Fahnen. Den Plänen zufolge soll die Geschäftstätigkeit unabhängig von Investoren, Emittenten und Staaten erfolgen. Eine Haftung der Ratingfirmen für grob fahrlässige oder vorsätzliche Fehlurteile soll zudem die Qualität der Einstufungen verbessern.
Allerdings hängt es von den Regulierern ab, ob aus diesem ehrgeizigen Projekt ein revolutionärer neuer Ratingansatz wird. Mögliche gesetzliche Änderungen könnten dazu beitragen, dass eine neue Bezahl-Plattform geschaffen wird, über die alle Ratingfirmen künftig ihre Bonitätsurteile gegen Gebühr an die Investoren verkaufen können. Dies bedeutet: Auf der Plattform werden nur Ratings von Agenturen angeboten, die nicht vom jeweiligen Emittenten bezahlt werden - und das könnte wiederum den Markt für emittentenfinanzierte Ratings weitgehend austrocknen.
Die Festlegung der Preise wäre dabei Sache der Ratinghäuser. Luft gibt es genug, da die „großen Drei“ aus den USA mit extrem attraktiven Umsatzrenditen zwischen 40 und 60 Prozent operieren. Als Investor kann man sich nur wünschen, dass es endlich gelingt, das Rating von den Emittenten zu entkoppeln.
Der Autor Michael Reuss ist geschäftsführender Gesellschafter der Huber, Reuss und Kollegen Vermögensverwaltung sowie Experte des Internetportals Vermoegensprofis.de.
Quelle: ntv.de