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Die Busch-Trommel Zwischen Pest und Cholera

Irland oder Griechenland lassen keine Zweifel aufkommen: Die vertraglich verbotene europäische Transferunion wird Wirklichkeit. Maßnahmen gegen den drohenden finanzpolitischen Schlendrian klingen dabei zwar gut, haben aber einen großen Pferdefuß.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Während sich die Bundesbürger tagtäglich von diesem unsäglichen Guttenberg-Schelmenstück vereinnahmen lassen, entwickelt sich direkt vor unseren Augen ein ungleich wichtigeres Drama, und kaum jemand nimmt es wahr: Abseits jeder öffentlichen Aufregung plant die EU mit Zustimmung der Bundesregierung eine Verdoppelung des europäischen Rettungsschirmes und damit natürlich auch eine drastische Erhöhung der deutschen Haftung.

Will man den Euro retten, sei solidarisches Handeln in unbeschränkter Höhe alternativlos, wird uns aus Berlin schon seit Wochen immer wieder einredet. Außerdem handele es sich doch nur um Bürgschaften. Da sich jetzt aber Irland bei seiner Parlamentswahl eindeutig gegen die vereinbarten Rückzahlungsmodalitäten des 85 Mrd Euro schweren Rettungspaketes der EU und des IWF ausgesprochen hat, werden sich die Geberländer wohl an den Gedanken gewöhnen müssen, dass weder die vertraglich festgelegten Zinszahlungen und Tilgungspläne noch die Laufzeit der Kredite eingehalten werden.

Sehenden Auges in die Transferunion

Im Grunde war das auch von Anfang an klar. Denn wie soll eine Volkswirtschaft in der Rezession die geforderten Zinsen von fast 6 Prozent erwirtschaften und gleichzeitig die Staatsverschuldung abbauen, wenn die geforderten Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen den wirtschaftlichen Abschwung zusätzlich beschleunigen? Mit anderen Worten: Die Inanspruchnahme der staatlichen Bürgschaften für die bisherige Irlandhilfe rückt bedrohlich näher, weil Irland seine Schulden nicht vereinbarungsgemäß zurückzahlen kann und will. Dass zur selben Zeit Irland weitere Kredite benötigt, will man nicht doch in der Pleite enden, zeigt, wie sinnlos diese vermeintliche Rettungsaktion von Anfang an war. Ein Fass ohne Boden, in das vor allem die Deutschen künftig ihre Steuergelder schütten werden.

Die vertraglich verbotene europäische Transferunion, die von unserer Regierung gegen besseres Wissen weiterhin bestritten wird, wird damit Wirklichkeit. Auch in Griechenland deutet alles darauf hin, dass die ausgezahlten Hilfsgelder ins europäische Nirvana entschwinden, ohne konkrete Verbesserungen im griechischen Diesseits. Die wütenden Proteste und Streiks weiter Teile der griechischen Bevölkerung sprechen eine deutliche Sprache und lassen Schlimmstes erahnen.

Rechnung für den Euro-Profiteur

Aber, wie gesagt, dieser Wahnsinn ist ja nach Lesart unserer Regierung und der Wirtschaft alternativlos, denn wir, genauer: unsere Exportwirtschaft, wir profitieren doch am meisten von der Eurozone. Deshalb müssen wir auch am meisten tun, um sie zu erhalten. In der Tat, ohne diesen riesigen europäischen Markt mit der gemeinsamen Währung ginge es der deutschen Gesellschaft wohl erheblich schlechter. Die asiatischen Märkte wachsen zwar in ihrer Bedeutung, aber unsere europäischen Nachbarn haben für die deutschen Exporteure mehr Gewicht. Folglich müssen wir auch die Kröte schlucken, Zahlmeister Europas zu sein. Im eigenen Interesse also. Doch wer so denkt, hat leider seine Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Geht es nach den Vorstellungen der Bundesregierung, werden die Kreditmilliarden, falls benötigt, zwar schon jetzt allen europäischen Hilfesuchenden gewährt, aber gleichzeitig wird unter Hochdruck zusammen mit den Europartnerländern an einer europäischen Wirtschaftsregierung gebastelt, die notfalls den nationalen Parlamenten und Regierungen die rote Karte zeigen kann, sollten diese durch finanzpolitischen Schlendrian die Stabilität des Euro gefährden. Das klingt zu gut, um wahr zu sein.

Französische Verhältnisse

Der Pferdefuß besteht nämlich darin, dass sich diese europäische Wirtschaftsregierung, sollte sie denn in absehbarer Zeit tatsächlich kommen, wahrscheinlich an den Glaubenssätzen der französischen Planwirtschaft orientieren wird. Als da sind: Höhere Löhne in Europa, will sagen, höhere Lohnstückkosten vor allem in Deutschland. Ein früherer Rentenbeginn als in Deutschland. Angesichts der demographischen Entwicklung der totale Wahnsinn! Kürzere Wochenarbeitszeiten als in Deutschland und mehr Mindestlöhne, natürlich auf hohem Niveau. Das alles wird die deutsche Industrie aus Deutschland vertreiben, die Arbeitslosenzahlen in den Himmel schießen und damit unseren Sozialstaat in den Ruin stürzen. Damit könnten die geheimen Wünsche der Franzosen doch noch in Erfüllung gehen: Wenn man schon nicht der erfolgreichen deutschen Wirtschaft das Wasser reichen kann – trotz der hohen Kosten der deutschen Wiedervereinigung, dann will man wenigstens in Zukunft die Erfolge der deutschen Exportwirtschaft mindern. Schließlich entstehen doch die deutschen Exportüberschüsse in erster Linie durch zu niedrige Löhne! Das ist unlauterer Wettbewerb! Oder? Und fußen nicht die Überschüsse der Deutschen auf den Defiziten anderer Länder?

Verständnisvolles Kopfnicken aus dem deutschen Gewerkschaftslager und bei den Linken, die sich davon politischen Rückenwind erhoffen. Noch wehrt sich in der Bundesregierung zumindest die FDP. Denn schließlich profitiert unser Wohlstand vom Außenhandel; dank der Innovationskraft und Effizienz der deutschen Industrie. Zumal unser Binnenmarkt nicht in die Gänge kommt. Wie soll er auch, bei diesen erdrückenden Steuern und Abgaben? Aber wer weiß, wie lange diese Gegenwehr noch dauert? Was geschieht, wenn die nächste Bundesregierung den bewährten Kompass "Marktwirtschaft" einfach wegwirft?

Die derzeitige Politik in Berlin ist nicht zu beneiden, hat sie doch nur die Wahl zwischen der Pest einer europäischen Transferunion und der Cholera einer französischen Planwirtschaft zu Lasten der deutschen Unternehmen.

Vermutlich entscheidet sich die Bundeskanzlerin in bewährter Manier für einen Kompromiss und wählt beides.

Quelle: ntv.de

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