Unterhaltung

Strapse, Cancan, Pop(os) Das Musical "Moulin Rouge!" lässt Köln erröten

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Es fliegen die Unterröcke, es rotieren die Tänzer(innen), es donnern die Hits. Im Schatten des Kölner Doms regiert ab jetzt die Sünde. Hier wird der Erfolgsfilm "Moulin Rouge" zum Musical, vor allem aber zu einem Fest für die Sinne, einer Feier der Diversität und einer Hommage an die Popkultur.

Wer nach Köln reist, kommt am Dom nicht vorbei. Fortan könnte damit jedoch in erster Linie nicht das gotische Aushängeschild der Stadt gemeint sein, sondern ein Bauwerk weit jüngeren Datums: der "Musical Dome", der sich nur einen Katzensprung vom Wahrzeichen entfernt am Rhein befindet und in dem es ab sofort weitaus weniger gottesfürchtig zugehen wird als in jeder Kathedrale. Schließlich feierte hier am Sonntagabend das Musical "Moulin Rouge!" Premiere.

Schon beim Titel läuten sämtliche Glocken, ist doch der legendäre Pariser Sündentempel Dreh- und Angelpunkt des Stücks. Wer zudem den als Vorlage dienenden Erfolgsfilm "Moulin Rouge" (ohne Ausrufezeichen) von Regisseur Baz Luhrmann aus dem Jahr 2001 gesehen hat, hat erst recht bereits eine Ahnung, was ihn oder sie erwartet: ein tiefer Sprung zurück an den Anfang des letzten Jahrhunderts, ein Abtauchen in die Welt der Bohèmes und Kurtisanen, wehende Unterröcke und Cancan, Laster und Absinth - und natürlich eine herzzerreißende Liebesgeschichte inmitten all des frivolen Trubels.

In die Belle Époque gebeamt

Im "Musical Dome" gastierten bereits Produktionen wie "Saturday Night Fever", "We Will Rock You" oder "Bodyguard". Nun aber haben die "Moulin Rouge!"-Macher rund vier Millionen Euro investiert, um das Interieur des Kuppelbaus exklusiv der Aura ihres Stücks anzupassen. Dementsprechend fühlen sich die Besucherinnen und Besucher schon im Foyer wie zurück in die Belle Époque gebeamt. Empfangen werden sie von Kronleuchtern, Perlenvorhängen und dezenten Klavierklängen. Nur dass der Mann am Flügel dabei etwa auch Coldplays "Viva la vida" oder John Legends "All of Me" aus den Tasten holt, macht deutlich, dass hier dann eben doch nicht alles komplett aus der Zeit gefallen ist.

Gibt es für sie ein Happy End? Christian (Riccardo Greco) und Satine (Sophie Berner).

Gibt es für sie ein Happy End? Christian (Riccardo Greco) und Satine (Sophie Berner).

(Foto: picture alliance / Panama Pictures)

Das ist schon mal ein erster Hinweis darauf, was die Zuschauerinnen und Zuschauer musikalisch bei "Moulin Rouge!" erwartet. Doch erst einmal werden sie ein weiteres Mal geflasht, wenn sie den Theaterraum betreten. Alles hier mutet in roten Samt gehüllt an, links dreht sich eine kleine Windmühle, rechts grüßt ein blauer Elefant von der Empore - 5,1 Meter groß und 220 Kilo schwer. Eine Leuchtschrift auf der Bühne signalisiert mit strahlenden Lettern, dass man sich nicht verlaufen hat: "Moulin Rouge".

Doch auch die ersten Schauspielerinnen und Schauspieler sind bereits da, um das Publikum in ihre Fantasiewelt zu entführen. Leicht bekleidete Frauen (und Männer) flanieren in Strapsen und Korsetten wie in Zeitlupe durch die Kulissen, Dandys stehen rauchend in den Ecken. Das voyeuristische Vorspiel geht nahezu nahtlos in das Stück über, als Christian (Riccardo Greco) die Bühne betritt und die Geschichte beginnt.

Leichte Abweichungen vom Film

Weitgehend ist es die Geschichte, die bereits aus dem Film bekannt ist: Der mittellose Schriftsteller Christian lernt durch eine Verwechslung Satine (Sophie Berner), den "funkelnden Diamanten" des "Moulin Rouge", kennen und lieben. Doch auch der reiche Duke von Monroth (Gian Marco Schiaretti) hat ein Auge auf die Kurtisane geworfen und will sich ihre Liebe erkaufen, indem er sie und den bankrotten "Moulin Rouge"-Besitzer Harold Zidler (Gavin Turnbull) erpresst.

Tickets für "Moulin Rouge!"

Das Musical "Moulin Rouge!" gastiert ab sofort im Kölner Musical Dome. Tickets für die Vorstellungen bis Juni 2023 sind online erhältlich.

Als es darum geht, zur Rettung des Etablissements ein neues Theaterstück zu inszenieren, treibt die Konfrontation ihrem Höhepunkt zu. Nachdem er von Satines Liaison mit Christian erfahren hat, droht der Duke damit, sich als Geldgeber zurückzuziehen. Aber womöglich ist er auch noch zu ganz anderen Dingen fähig. Jetzt muss sich Satine entscheiden: Für das "Moulin Rouge" oder aber für die Liebe ...

Erst als es in Richtung des Finales geht, weicht die Erzählung in Nuancen von der Filmvorlage ab. Ist die Inszenierung über weite Strecken ein einziger Rausch für die Sinne, verlangsamt sie nach der notorischen Pause erst einmal ein wenig das Tempo, um dafür umso rasanter zum ganz großen Schlussakkord anzusetzen.

Nicht nur Männlein-Weiblein-Schablone

Auch beim Bühnenbild und den Kostümen wurde geklotzt und nicht gekleckert - und das nicht nur wegen der 35.000 Glühbirnen, die dort zum Einsatz kommen, oder der 3500 Swarovski-Steine, die für Satines "Sparkling Diamond"-Kleid verarbeitet wurden. Während der "funkelnde Diamant" so von der Decke schwebt, erzeugen die Kulissen eine nahezu perfekte Illusion von räumlicher Tiefe, sei es in den Straßen von Paris, Satines Gemächern oder mitten im Hexenkessel des "Moulin Rouge".

Da schwebt er ein, der "funkelnde Diamant".

Da schwebt er ein, der "funkelnde Diamant".

(Foto: picture alliance/dpa)

Das Zeug zum Publikumsliebling hat neben den beiden Hauptdarstellern zweifellos Gavin Turnball als Harold Ziegler. Von der ganzen Schar an Tänzerinnen, die den Saal stimmgewaltig im Cancan-Ausfallschritt zum Beben bringen, ganz zu schweigen. Und der Tänzer. Denn "Moulin Rouge!" lässt nicht nur die Geschlechtergrenzen verschwimmen, das Musical öffnet sich auch für sexuelle Orientierungen jenseits der Männlein-Weiblein-Schablone à la Christian und Satine. Auch da unterscheidet es sich von der in dieser Hinsicht weniger vielschichtigen Filmvorlage.

Frischzellenkur für den Soundtrack

Ebenso dürfen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer auf so manche musikalische Überraschung gefasst machen. Klar, Schlüsselsongs des Films wie Elton Johns "Your Song", "Roxanne" von The Police oder aber das seinerzeit eigens für den Luhrmann-Streifen komponierte "Come What May" dürfen auch im Musical nicht fehlen. Und natürlich erklingen auch die magischen Worte "Gitchie, gitchie, ya-ya, da-da" mehr als nur einmal, wenn das Ensemble den einst von Christina Aguilera, Lil' Kim, Mýa und Pink interpretierten Signature-Song "Lady Marmalade" ins weite Rund schmettert. Daneben aber haben die "Moulin Rouge!"-Macher den Soundtrack einer ordentlichen Frischzellenkur unterzogen.

So kommt dann auch so mancher Song zu Gehör, der beim Erscheinen des Kinofilms 2001 noch gar nicht komponiert war. Den Sinnspruch "Gaga ooh la la" etwa kann die Welt erst mitsingen, seit eine gewisse Lady Gaga ihn 2009 mit ihrem Hit "Bad Romance" ins kollektive Gedächtnis brannte. Von anderen Liedern wie zum Beispiel Reinhard Meys "Über den Wolken" hat man in den USA vermutlich noch nie gehört. Und wieder andere Songs hätte wohl auch schon Baz Luhrmann gerne in seinem Leinwand-Märchen erklingen lassen, doch fehlte ihm schlicht die Erlaubnis dazu, wie etwa im Falle der Rolling Stones. Für das Musical hingegen haben Mick Jagger und Co. ihr grünes Licht gegeben.

Gitchie, gitchie, ya-ya, da-da? Aber sicher doch.

Gitchie, gitchie, ya-ya, da-da? Aber sicher doch.

(Foto: IMAGO/Manngold)

Insgesamt verbrät "Moulin Rouge!", teils auch nur in kurzen Schnipseln, 75 Songs aus 160 Jahren Musikgeschichte. So versohlt das Stück nicht nur als großer Bilderrausch, tanzwütiges Spektakel und Feier der Diversität allen mal gehörig die Popos - es ist auch und gerade eine phänomenale Hommage an die Popkultur. Damit hebt es sich nur allzu wohltuend vom Schnulzen-Stakkato so vieler anderer Musicals ab. Einziger Wermutstropfen dabei: Das Orchester fand leider nicht mehr im Theaterraum Platz, sondern wurde im Keller des Musical Domes untergebracht. Von dort begleitet es das Geschehen auf der Bühne jedoch live - und das so gut, dass man meinen könnte, die Musik käme vom Band.

Ja, Köln war schon immer eine Reise wert. Nicht nur wegen des Doms, sondern auch wegen seiner Toleranz, Offenheit und Lebensfreude. "Moulin Rouge!" lässt aber sogar Köln erröten. Die Reise lohnt sich also jetzt erst recht.

Quelle: ntv.de

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