Unterhaltung

"Tatort" meets "Letzter Bulle" "Der Staatsfeind" mit Weisz und Baum

Franziska Weisz in der Rolle der Rebecca Anger.

Franziska Weisz in der Rolle der Rebecca Anger.

Robert Anger (Henning Baum) liebt sein Leben und seinen Job bei der Münchner Polizei. Doch als im Einsatz eine Kollegin erschossen wird, beginnt für Anger ein Alptraum; jemand will ihm den Tod der Polizistin anhängen, außerdem gerät er unter Terror-Verdacht. Von nun an ist Anger der meistgesuchte Mann im Staat und muss nicht nur die Wahrheit hinter der groß angelegten Intrige aufdecken, sondern auch seine Familie beschützen. Er ist auf der Flucht, versucht, Job, Familie, Freunde und die Familie zu schützen, taumelt, steht wieder auf und hat zum Glück eine Frau (Franziska Weisz) an der Seite, die an ihn glaubt. Beide Schauspieler sprechen im Interview mit n-tv.de über die täglichen Gefahren, denen der moderne Mensch heute ausgesetzt ist, über wahre Werte, Lebenslust und Morbidität.

n-tv.de: "Der Staatsfeind" - sehr spannend. Großes Kino! Läuft aber im Fernsehen.

Henning Baum: Ja, weil es bestimmte Themen gibt, die im deutschen Kino schwer unterzubringen sind. Dieses Thema gehört vielleicht auch dazu, Stoffe wie dieser finden ihr Publikum eher im TV. Aber richtig ist, dass der Aufwand, der betrieben wurde, um den "Staatsfeind" zu drehen, kinogerecht ist. Der Look des ganzen Films ist wie Kino. Fürs Fernsehen.

Aber Fernsehen gewinnt ja gerade wieder an Stellenwert durch Mehrteiler, die nur für das Fernsehen produziert werden, man denke nur an "Bad Banks". Da will man doch bloß noch binge-watchen ...

HB: Binsch-was?

Franziska Weisz: (lacht) Binge-watchen. Also alles hintereinander weg angucken. Ich kennw das vom binge-eating, also wenn man den ganzen Tagt nichts isst und dann nachts vorm Kühlschrank hängt (lacht). So wie ich ...

HB: Das hab' ich gemacht bei den "Sopranos". Also binge- watchen ... Ich wusste aber nicht, dass das so heißt.

FW: Die Bereitschaft, sich Mehrteiler oder gar Serien anzugucken, ist mit der Zeit wohl gewachsen. Früher waren die Mediatheken auch noch nicht so ausgebaut und man war es gewohnt, dass zwischen den Teilen unter Umständen mehrere Tage oder eine ganze Woche liegen.

So ist das jetzt bei "Der Staatsfeind" aber auch - zwei Teile, einer am 8., einer am 15. Mai.

HB: Ja, aber konzipiert war das als Sechsteiler, glaube ich.

Robert und Rebecca Anger sind ein eingeschworenes Team.

Robert und Rebecca Anger sind ein eingeschworenes Team.

So oder so - es ist spannend gemacht. Was hat Sie als erfahrene Polizisten-Darsteller an Ihren Rollen jetzt am meisten interessiert und herausgefordert?

FW: Jeder "Tatort" ist ja auch ein für sich stehender Film, daher muss man sich ja auch da immer wieder neu justieren. Henning und ich haben uns beim "Letzten Bullen" kennengelernt und jeder Dreh mit einem neuen Regisseur ist ja wie eine neue Welt. Ich kann nur jeden Film so drehen, als wäre es mein erster. Für mich war das jetzt aber eine ganz andere Herausforderung, ich spiele hier eine Journalistin und Mutter. Das hier ist mein erster großer Action TV-Zweiteiler (lacht) und das war super. Geholfen hat mir die Vertrautheit zu Henning.

Verschwörungstheorien, Staatssicherheit, Geheimdienste - das ist der Stoff, aus dem viele Romane und viele Film sind, aber nicht so häufig im deutschen Fernsehen.

HB: Ja, diese Themen gab es tatsächlich schon immer, aber vielleicht hat das damit zu tun, dass wir inzwischen durch die Digitalisierung viel mehr über uns preisgeben müssen. Aber die Manipulation im Film ist ja in erster Linie eine analoge Manipulation.

Hier werden ganz "oldschool" Beweismittel ausgetauscht, zum Beispiel.

HB: Ja, oder es werden Kameras manipuliert. Ich stelle mir vor, dass Zentralorgane durchaus Zugriff auf Kameras haben. Ich weiß nicht, wie weit das in Deutschland geht, in Großbritannien ist es ja gang und gäbe, dass da viel mehr überwacht wird. Und die Diskussion lautet eben: Was ist zumutbar und was nicht?

Mein Computer, also Google oder Amazon oder Facebook, weiß viel von mir - kennt mich vielleicht besser als meine engsten Freunde. Ist das nicht unheimlich, wenn da als Kaufempfehlung steht: "Wenn Sie das mögen, dann mögen Sie wahrscheinlich auch dies und das"?

FW: Oft nervige Sicherheitskontrollen zum Beispiel beim Fliegen sind ein zweischneidiges Schwert. Es dauert länger, wenn man streng kontrolliert wird, ja. Aber es verschafft einem selbst auch Sicherheit. Gerade nach großen Attacken ist es leider nötig, auf Weihnachtsmärkten und bei Konzerten den Menschen ein sicheres Gefühl zu vermitteln in Form von Sicherheitsvorkehrungen. Wenn man sich bevormundet fühlt, dann ist es natürlich blöd. Wir leben in einer vermeintlich sicheren Zeit, mit wenig Krieg und wenig Krankheit, aber das Empfinden ist anders geworden.

HB: Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass wir die Stimmung anders wahrnehmen als früher. Interessant ist es immer, sich mit den Behörden selbst zu unterhalten, dann entsteht ein ganz anderes Bild als das, was durch die Medien geistert. Aber ich würde immer dazu raten, dem Bedürfnis nach Sicherheit nicht alles zu opfern. Wir würden nicht gern in einer Welt leben, in der uns vermeintlich weisgemacht wird, sie sei sicher. So ist das nicht. Die Welt war nie vollkommen sicher und wird es nie sein. Es gibt zwei Totschlagargumente, mit denen man alles in unserer Gesellschaft umkrempeln kann. Das eine ist das Moment der Sicherheit und das andere ist die Gesundheit. Damit können Sie alles andere schachmatt setzen. Jedes liberale Lebensgefühl, jeden Spaß, jeden Flair. Jede freie Entfaltung des Geistes kann damit unterbunden werden.

Es gibt ja zwei Welten - die reale, auf der Straße und die im Internet. Wenn ich heute - privat - nach Schuhen suche und - beruflich - nach einer Partnerbörse, dann werden mir in den nächsten Tagen wahrscheinlich sehr seltsame Ergebnisse und Seiten empfohlen werden.

HB: (lacht) Mich würde interessieren, welche Schuhe Ihnen dann empfohlen werden ....

Dagegen ist eine Kamera auf dem Alexanderplatz doch kein Eingriff in meine Privatsphäre ... Aber Themenwechsel: Was der Film auch sehr deutlich macht, ist, wie schnell Zweifel gesät werden können, selbst an seinen Liebsten.

FW: Das stimmt, aber das ist das Tolle an meiner Rolle: Das Drehbuch gibt vor, dass ich als seine Frau nicht in erster Linie an meinem Mann - der tatsächlich in einer üblen Lage ist, die ihn locker zu einem Täter abstempeln könnte - zweifle. Ich halte zu ihm! Zu meinem Mann zu stehen, ist - auch wenn die Beweise erdrückend sind - stärker als jeder Zweifel.

Vom Jäger zum Gejagten: Henning Baum.

Vom Jäger zum Gejagten: Henning Baum.

Das ist eine gute Botschaft ...

FW: ... ja, denn schließlich wird uns heute ja ständig suggeriert, dass unser ganzes Leben perfekt sein muss. Ist es aber nicht. Weder der Partner noch der Job noch der Urlaub, auch nicht die Kinder, nichts ist perfekt. Die Message ist, dass eine Verbindung von zwei Menschen das aushalten kann, selbst, wenn die Zweifel groß sind und kein anderer mehr an einen glaubt.

HB: Das ist ja nicht nur ein Thriller, sondern auch ein Liebesfilm. Und in der Liebe und im Glauben soll man nicht zweifeln.

Schön ist auch, dass das Ambiente im Film nicht wie aus dem Impressionen-Katalog ist, sondern sehr sehr reell wirkt ...

FW: (lacht) Wirklich? Das ist toll, dass das so angekommen ist.

HB: Das sollte so. Das ist mit großer Sorgfalt so ausgewählt- etwas, womit sich der Zuschauer identifizieren kann, keine Überfamilie, eben nicht aus dem Katalog.

FW: In jedem Detail steckt Charakter, alles wirkt lebensnah.

Man ist ja schon sehr versaut von Instagram und Co, wo einem ständig "vorgelebt" wird, wie man sich anzuziehen hat, wie man sich einzurichten hat, was man zu essen hat ...

FW: Ja, aber das hat nichts mit dem wahren Leben zu tun. Davon muss man sich einfach frei machen.

Wie lange tragen Sie eine Rolle mit sich, vor allem, wenn sie sich so gut angefühlt hat wie diese jetzt?

HB: Rollen machen schon etwas mit uns, wenn wir sie spielen. Das hat ja eine Energie, die einen auch verändern kann. Es ist eine Wechselwirkung: Manchmal erwecken wir eine Figur zum Leben, manchmal erweckt die Figur auch uns. Dann strahlt die Figur in uns hinein. Wie lange das hält, weiß ich nicht. Ich bin ja nicht in Stein gemeißelt, ich nehme Dinge auf wie ein Schwamm, ich lasse Dinge aber auch durch, ich verändere mich, und ich kann das gar nicht immer steuern.

FW: Das kann ich voll und ganz unterschreiben.

Hat der Jim Knopf eigentlich etwas mit Ihnen gemacht?

HB: Das war etwas Besonderes, weil es in einer Kunstwelt stattfindet. Die Figuren sind ja bewusst überhöht, haben etwas Marionettenhaftes, das hat eine eigene Magie. Aber die Figuren sind nicht dazu geeignet, dass sie in einen hineinstrahlen. Bei "Jim Knopf" ist alles zum Beispiel ohne jegliche Sexualität, bleibt also in der Künstlichkeit. Da ordnen wir uns der Geschichte unter. In diesem TV-Spielfilm machen wir uns die Figuren zu eigen, sie sind mit allem ausgestattet, was ein menschliches Leben ausmacht. Deswegen sind sie auch Projektionsflächen.

Was für Rollen wünschen Sie sich?

HB: Schwierig zu sagen, aber ich wünsche mir mehr Action-Rollen im deutschen Film.

Ist doch auf dem Weg, oder?

HB: Nee, ganz und gar nicht, da ist viel Luft nach oben (lacht).

FW: Ich liebe die Abwechslung, also mal die Heilige, mal die Hure, mal die Polizistin, mal die Mutter. Vielleicht mal alles in einer Person.

An Ihrer Kombination, was ist da der große Reiz?

HB: Franziska aus dem morbiden, ironischen Wien und ich aus dem coolen, lebensbejahenden Ruhrgebiet. Das Revier ist direkt und geradeheraus, Wien macht alle möglichen Verzierungen wenn es sich ausdrückt.(lacht) Da ist natürlich das Diametrale das, was uns gegenseitig befeuert.

FW: Ach morbide! (lacht) Ich muss jetzt an den lieben, lustigen August denken, der aus der Pestgrube steigt - das sagt doch alles. Wir Wiener haben auch viel Humor.

Und Ihre weiteren Pläne sind ...

FW: ... erstmal den aktuellen "Tatort" fertigzudrehen.

HB: Ich hab' was Cooles in der Pipeline, darf aber noch nicht drüber sprechen (lächelt breit).

Mit Franziska Weisz und Henning Baum sprach Sabine Oelmann

Quelle: ntv.de

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