Unterhaltung

"Rach, der Restauranttester" "Die Weichen des Lebens"

Rach und der stolze Grieche

Rach und der stolze Grieche

Das "Terzo Mondo" gehört zu den ältesten Tavernen Berlins. Doch der Laden brummt nicht mehr. Die Geschichte eines Mannes, dessen Seele in den Tischen lebt - und der nicht loslassen kann.

"Du musst dich als stolzer Grieche schämen", sagt Rach zu Kostas Papanastasiou, Besitzer der griechischen Kult-Taverne "Terzo Mondo" in Berlin-Charlottenburg nach Sichtung der Küche. Der 80 Jahre alte Kostas, optisch eine Mischung aus Marx und Bukowski, dürfte so manchem "Lindenstraßen"-Gucker bekannt vorkommen. Viele Jahre spielte er den Wirt Panaiotis Sarikakis.

Im echten Leben aber sind dem Träger des Bundesverdienstkreuzes die Probleme so über den schlohweißen Kopf gewachsen, dass er sich zuerst fast nicht mehr erinnern kann, dass er selbst es war, der Rach angerufen und ihn um Hilfe gebeten hat.

Mehr als 45 Jahre lang gibt es das Kult-Restaurant schon. Die Wände zieren Bilder aktueller Ausstellungen und Flyer mit politischen Statements: "Tod dem Faschismus", "Stoppt die AfD in Berlin". In den nostalgischen Räumlichkeiten atmet das Leben längst vergangener Tage, aber es muss sich schleunigst etwas ändern, damit der Laden nicht vor die Hunde geht.

"60 Gerichte braucht kein Mensch"

Das verständliche Problem des Alten ist seiner Generation geschuldet. Es ist hart, das eigene Lebenswerk an die Nachfahren weiterzureichen, die vielleicht plötzlich alles neu machen wollen. Loslassen, wenn man noch nicht bereit ist, das kann eine schwere Bürde sein - für alle.

Freund der Reduktion: Restauranttester Rach

Freund der Reduktion: Restauranttester Rach

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein Geschäft zu führen - ganz egal, ob inzwischen mit Tunnelblick - das bedeutet: Verantwortung zu haben, eine Aufgabe. Es bedeutet aber auch, gebraucht zu werden, nützlich zu sein - Lebenselixier.

Doch der Vater-Sohn-Konflikt ist nicht das einzige Problem. Wie gewohnt testet Rach sich erst einmal durch das Angebot der verschiedenen Speisen und es ist wirklich eine Crux, denn all diese auf Hilfe hoffenden Häuser, denen die Gäste fernbleiben, haben eines gemeinsam: eine viel zu opulente Speisekarte: "60 Gerichte auf 'ner Karte braucht kein Mensch".

Und dann das: Keine einzige der vielen Speisen mundet oder ist auch nur ansatzweise mit Liebe zubereitet worden. Die Gerichte schwimmen in altem Fett und erinnern optisch an vorgekautes Tierfutter. "Wie sieht das aus?", fragt Rach den Sohn und Musiker, Marc, der in die Fußstapfen seines Künstler-Vaters treten soll. "Naja, so wie's aussieht", gibt der ehrlicherweise sofort zu.

Es gibt Dinge, die muss man ändern: Zum Beispiel das 100 Jahre alte Frittenfett auswechseln, feucht durchwischen, das Magazin entrümpeln. Und dann gibt es Dinge, die dürfen ruhig so bleiben, wie die alten Tische mit den Rotweinflecken und den Brandlöchern.

Die Seele in den Tischen

Menschen mögen Räume, die Patina haben und Erinnerungen an alte Berliner Tage wecken. Und so ist es auch verständlich, dass es dem alten, stolzen Kostas ein bisschen gegen den Strich geht, wenn da plötzlich neue, andere Tische stehen - in seinem Laden, der sein Leben ist. "In den Tischen ist meine Seele drin, mit diesen hier kann ich nichts anfangen!" Genauso wenig wie mit einer Spülmaschine.

Rach muss das akzeptieren und er merkt schnell, dass es nichts bringt, zu viel im "Terzo Mondo" umzukrempeln so lange der Vater nicht bereit ist, das Zepter an den Sohn weiterzureichen. "Ich habe nur eine ehrliche Bestandsaufnahme gemacht, ohne dein Lebenswerk anzugreifen oder die Patina zu zerstören."

Oft sind es Kleinigkeiten, die Großes bewirken: Ein guter Wein, Brot, frische mit Liebe zubereitete Tapas, Tischbeine, die nicht wackeln.

Aber Kostas wehrt sich noch immer dagegen, dass "die Weichen des Lebens" nun neu gestellt werden. Wie die gute und zugleich leicht nervende Seele des Hauses zieht der Patriarch seine Runden - und will nicht loslassen. Grätscht hier und da dazwischen, treibt seinen Sohn zur Weißglut. Zwischen den beiden herrscht zeitweise "Sodom und Gomorrha", so Rach.

Am Tag der friedlichen Neueröffnung fehlt von Kostas zuerst jede Spur. Als der Restauranttester die Taverne zu später Stunde verlässt, trifft er den stolzen Griechen doch noch an. "Mein Sohn braucht mich", sagt er und gibt zu, "Probleme mit dem Übergang zu haben." Aber Rach beruhigt ihn: "Es geht nicht gegen dich, es geht nur mit dir!"

Quelle: ntv.de

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