Unterhaltung

Für Hilde zum HundertstenEine wie die Knef bräuchte man heute

28.12.2025, 15:01 Uhr dff697a9-ec36-4d60-a8dd-b9e0363450ecVon Sabine Oelmann
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Hildegard Knef in "Die Sünderin", ein Skandal 1951, es gab einen Busenblitzer. Und sie? Blieb cool. (Foto: imago)

Am 28.12. wäre die große Hildegard Knef 100 Jahre alt geworden. Wie jung ihr Esprit, ihre Gedanken, ihre Ausstrahlung und auch ihre Kunst noch immer sind, zeigen verschiedene Produktionen und Bücher, die rund um ihren Geburtstag eine Rolle spielen.

Die Worte der Knef – aktuell wie schon lange nicht mehr. "Es hat alles einen Anfang, und hört alles einmal auf." Profan? Mitnichten. Man stelle sich mal vor, wie La Knef das gesagt hätte, mit ihrer unvergleichlichen, tiefen, rauen Stimme, so unique in einer Zeit, in der noch niemand von "unique" gesprochen hat, nur von Einzigartigkeit.

Was in Hildegard Knefs Fall ja vollumfänglich zutrifft und noch schöner klingt. Vor 22 Jahren bereits ist sie gestorben, und "was dazwischen liegt, ist der Lebenslauf", so die 1926 Geborene. Oder wie Charles-Louis de Secondat, französischer Staatstheoretiker und Schriftsteller, sagte: "Es ist ein Jammer, dass die Zeit so kurz ist zwischen der Spanne, wo man zu jung, und jener, wo man zu alt ist" - und der lebte bereits im 18. Jahrhundert mit dieser Erkenntnis.

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Schön, klug, talentiert - eine Mischung, die Frauen noch heute ungern zugetraut wird. (Foto: imago)

Von nun an geht's bergab?

Zurück zur Knef, sie sang: "Ich kam im tiefsten Winter zur Welt, hab' drei Mal geniest, mich müde gestellt. Der Vater war wütend, er wollt' einen Sohn, ich sah mich so um und wusste schon: Von nun an geht's bergab." Dem sollte jedoch nicht so sein, denn die Knef, wenngleich sie für viele als oftmals tragische Figur im Gedächtnis geblieben sein mag, legte eine steile, eine unvergleichliche, Karriere hin. Auf der Bühne, im Film, als Sängerin. Und bei all die Tragik, die Schicksalsschläge und Krankheiten so mit sich brachten, war es vor allem ihr Witz, der sie – und andere - stets über Wasser hielt.

Pausen machen mich müde

Der Kollege David Baum vom Magazin "Stern" postete gerade eine Begebenheit mit der Knef, die einfach nur wunderbar ist: "Aber Püppi, willst Du nicht endlich Pause machen", hatte Paul von Schell an jenem Nachmittag in der Fürstenberg-Suite des Wiener Hotels Imperial zu seiner Frau gesagt. "Quatsch, Pausen machen mich müde", wiegelte Hildegard Knef den Vorschlag ab und bedeutete der Fotografin Esther Haase, dass sie mit dem nächsten Motiv fortfahren möge. Am Ende war es ein legendäres Fotoshooting mit einem Weltstar und einer großen Künstlerin. 1998 hatte man das beinahe vergessen, nur noch die Klatschblätter berichteten – über ihre Krankheiten, ihre Schulden, ihre Süchte.

Das Leben ist zu wertvoll

"Meine Freundin Marlene (Dietrich, Anm. d. Red.) hatte sich in meinem Alter bereits völlig zurückgezogen, ich habe mit ihr deshalb am Telefon wüste Auseinandersetzungen gehabt", erzählte die damals 78-jährige. "Ich habe ihr gesagt: Marlene, unsere Freundschaft besteht nicht daraus, dass ich dich angucke wie ein Filmplakat. Dass du älter geworden bist, wissen wir alle!" Sie habe es deshalb geradezu als Glück empfunden, dass ihre Karriere nie auf Schönheit beruhte, "das Leben ist zu wertvoll, um sich aufgrund von ein paar Falten wegzuschließen." So eine wie Hilde bräuchten wir heute dringender denn je!!!

Ja, es gibt bereits einige Bücher über Hildegard Knef, und es gibt auch Bücher von ihr, die sie selbst geschrieben hat. Aber hier wäre noch eins zur Würdigung ihres 100. Geburtstags. Es ist so ungewöhnlich wie ihre Protagonistin selbst ist. Moritz Stetter zeichnet mit seiner Graphic Novel ein facettenreiches Porträt einer außergewöhnlichen Künstlerin, die mit "Für mich soll's rote Rosen regnen" unsterblich wurde. Als Sängerin, Schauspielerin, Schriftstellerin war Hildegard Knef eine der schillerndsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Von Berlin über Hollywood stand sie stets im Mittelpunkt des Showgeschäfts, und sie war wohl eine der ersten, die sich "Weltbürgerin" nennen durfte.

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Schicke Beene, Hammer-Ausstrahlung: Hildegard Knef 1986. (Foto: imago)

Sie trotzte Konventionen und erfand sich immer wieder neu. Vom Aufwachsen im Nationalsozialismus zum jungen Filmstar der UFA, Skandalen im Nachkriegsdeutschland bis hin zu ihren Erfolgen am Broadway und als Chansonsängerin – ihr Leben war ein ständiges Auf und Ab.

Ein tolles Rolemodel

Moritz Stetter, 1983 geboren, wuchs als Arbeiterkind im Schwarzwald auf. Nach einer Grafikdesign- und einer Trickfilmausbildung macht er sich 2008 als Zeichner und

Autor von Graphic Novels sowie als Porträtzeichner, Illustrator und Workshopleiter selbstständig und lebt in Hamburg. Er ist Mitinitiator und -kurator des Comicprojekts "Wie geht es dir?", ein gezeichneter Dialog gegen Antisemitismus, Rassismus und Hass.

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Mit ihrer Freundin Marlene Dietrich. (Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Auf Hilde hatte er Lust, weil sie sich "nicht begnügen und die Welt aus den Angeln heben wollte". Ähnlich wie Beethovens Neunte taucht ihr Rosen-Evergreen immer wieder zu historischen Ereignissen auf, wie zuletzt bei Merkels Zapfenstreich. "Sie ist ein tolles Rolemodel", findet Stetter, "ich wusste, sie ist eine coole Person, mit der ich mich eines Tages näher beschäftigen muss. Die Songs die ich kannte, stachen immer aus dem großen Einheitsbrei deutscher Unterhaltungsmusik heraus." Es war die Melancholie, die Coolness, die Verletzlichkeit, die er bemerkenswert fand.

Um zu merken, dass die Knef eine wunderbare Protagonistin für eine Graphic Novel sein könnte und sich Hals über Kopf in sie zu verlieben, "reichte ein kurzer Blick in ihren Wikipedia-Eintrag" beschreibt er sein Herangehen an das Thema Knef.

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Hilde ist umwerfend menschlich findet Stetter außerdem, "sie hat uns immer entwaffnend ehrlich daran teilhaben lassen.

100 Jahr, blondes Haar

Es wird nun viele Veranstaltungen für Hilde zum Hundertsten geben. Auf eine sei noch hingewiesen, denn was viele nicht wissen, ist, dass Hildegard Knef eine Zwillingsschwester hat, Irmgard Knef. Und die feiert tatsächlich ihren 100. Geburtstag. Irmgards Leben spielt sich ebenfalls auf der Bühne ab, und auch, wenn Hildegard im Jahr 2000 behauptete hat: "Nein, ich habe diese Show nicht gesehen", lässt es sich nicht leugnen -die Ähnlichkeiten sind vorhanden. Nun, natürlich hatte die Knef keine Schwester, vor allem keine, die heute noch lebt, und Irmgard ist eine Kunstfigur, 1999 erschaffen von Ulrich Heissig, der sich seit über zwei Jahrzehnten auf der Bühne anzieht wie die Knef, singt wie sie, ihr Werk am Leben erhält. Ihren Witz.

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Ulrich Michael Heissig hat sich in Irmgard Knef verwandelt. (Foto: dpa/ Horst Ossinger)

Heute, am 28. Dezember und am Dienstag (30. 12.) ist Heissig mit seiner Hommage an Hildegard Knef in der Berliner Bar jeder Vernunft zu sehen, es gibt vielleicht noch Restkarten. "Machen Sie das Beste aus diesen beschissenen Zeiten, bleiben Sie klar und wach." Mit diesen Worten endet die Show. Mit diesen Worten endet auch dieser Text, der hoffentlich Lust macht auf die Wiederentdeckung einer ganz großen, deutschen, internationalen Künstlerin.

Quelle: ntv.de

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