Boerne und Thiel im Einsatz Haarausfall und Halali
01.04.2017, 13:07 Uhr
Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) zückt die Waffe bei einem Einsatz im LWL Museum für Kunst und Kultur; im Hintergrund steht Leila (Janina Fautz) mit ihrem schlumpfblauen Haar.
(Foto: Martin Menke/WDR/dpa)
In Münster geht es wieder mal drunter und drüber: Zwei Tote halten das Team auf Trab, Thiel bekommt Besuch aus der Vergangenheit, Boerne gehen die Haare und der Schenkelklopfer-Filiale des "Tatorts" geht so langsam die Luft aus.
Ein IT-Experte fällt vom Balkon, alles deutet auf Selbstmord hin. Frank Thiel (Axel Prahl) und Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) wittern natürlich, dass da etwas nicht stimmt, auch wenn Professor Boerne (Jan Josef Liefers) und seine bessere Hälfte Alberich (Christine Urspruch) zunächst einmal keine Hinweise auf Gewaltanwendung finden können. So richtig scheint allen eh der Antrieb zu fehlen, sich adäquat reinzuknien, die freizeitlichen Verpflichtungen und Steckenpferdchen sind, wie so oft in Münster, wichtiger als die Dienstmarke.
Thiel will endlich einmal die Plautze unterm Totenkopf-Hoodie verkleinern und hat sich ins Fitnessstudio eingeschrieben, Boernes neuestes Hobby ist das Waidmannsleben. Der hochnäsige Hobbyförster will seinen Jagdschein machen und beschäftigt sich infolgedessen mit Repetiergewehren, Hochsitzen und Hasenlosung. Dann gibt es einen zweiten Toten. Vor den Toren der Stadt wird ein Journalist leblos aufgefunden, seine Spezialität: hartnäckige Recherchen, das Aufdecken von großangelegtem Betrug, von Korruption und sonstigen Skandalen. Zuletzt hatte er die kriminellen Machenschaften eines Futtermittelbetriebes untersucht. Ein Motiv gäbe es dort also - aber hat tatsächlich jemand aus der Firma den Mann auf dem Gewissen?
Relaunch, Makeover oder Denkpause wären gut
"Fangschuss" ist der 31. Fall für das dynamische Duo, wieder einmal waren die geistigen Väter der beiden, die Thiel-und-Boerne-Erfinder Stefan Canz und Jan Hinter, verantwortlich für das Drehbuch, der "Tatort"-erfahrene Buddy Giovinazzo führte Regie. Eine Kreativachse also, die sich auskennt, dennoch stünde dem Münsteraner Dauerbrenner durchaus mal so etwas wie ein Relaunch, ein Makeover, vielleicht sogar einmal eine Denkpause gut zu Gesicht. All die Kalauer und Kalamitäten, die kauzige Komik der knuffigen Kumpel wirkt zuweilen wie vom Reißbrett gefallen, unterhaltsam wie das x-te Nachspielen einer Aufgabenkarte bei einer Partie "Activity".
Nach Burschenschaft und Tanzgruppe, Oper und Pferden muss Boerne nun zur Abwechslung ein eigenes Jagdrevier abstecken, um eine Spielfläche für seine Marotten und Macken zu haben. Kollege Thiel muss, Verzeihung, darf sich ein paar Spielminuten von seiner empfindsameren Seite zeigen und bekommt es zumindest stellenweise hin, das chronische Motzen und Meckern einzuschränken. Der Grund: Ein Mädchen mit blauen Haaren, das behauptet, Thiels Tochter zu sein. Natürlich ist Leila (Janina Fautz), so der Name des frechen Früchtchens, auch in den Fall verwickelt.
Alles klassische Ingredienzen für die Humorbasis Münster also, dennoch sind die Nahtstellen all dieser ach so ironisch aufgeladenen Neben- und Hauptschauplätze, wenn überhaupt, kaum sinnmachend miteinander verbunden. Die potenziellen Verdächtigen-Grüppchen wirken wie im Losverfahren dazugestellt, die privaten Baustellen der Protagonisten konstruiert.
Die durchaus pointierten Rededuelle zwischen Boerne und seiner Göttin der Jagd, der dominanten Dr. Freya Freytag (Jeanette Hain) - in besten Momenten vom Geiste Loriots durchweht (Stichwort Stummelschwanzmakaken) - wirken wie aus einem anderen Film entlehnt. Die chronischen Selbstgespräche von "Fräulein Schlumpf", Thiels Töchterchen, nerven zudem kolossal. Und den Gangster am Telefon mit seiner lachhaften Schlimmer-Finger-Stimme hätte man bei einem "Drei ??? Kids"-Casting vom Hof gejagt. Waidmanns Heil? Waidmanns Dank? Oder doch einmal Zeit fürs Halali? Schade wär's schon.
Quelle: ntv.de