Heike Makatsch sucht Wanda "Große Frauenrollen gibt's nicht alle Tage"
02.10.2024, 15:33 Uhr Artikel anhören
Heike Makatsch bei der Premiere von "Where's Wanda".
(Foto: IMAGO/Future Image)
"Where's Wanda" ist die erste deutsche Serienproduktion auf Apple TV+. Darin spielt Heike Makatsch die Mutter einer verschwundenen Teenagerin, die zu ungewöhnlichen Mitteln greift, um ihr Kind wiederzufinden. Mit ntv.de sprach die 53-Jährige über ihre Arbeit an sich und die Rolle von Frauen über 40 in Film und Serie.
ntv.de: An welchem Punkt im Entwicklungsprozess der Serie bist du dazugestoßen? Kanntest du nur die grobe Idee oder bereits die vollständigen Drehbücher?
Heike Makatsch: Der Entwicklungsprozess einer Serie ist ja sehr langwierig und erstreckt sich oft über mehrere Jahre. Ich bin etwa ein Dreivierteljahr vor Beginn der Dreharbeiten zum Projekt dazugestoßen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich die englischen Drehbücher gelesen, die dann später ins Deutsche übersetzt wurden. Die Geschichte ist sehr umfangreich und beinhaltet viele verschiedene Charaktere, die alle vielschichtig und spannend sind. Selten habe ich ein Drehbuch gelesen, bei dem die Figur, in diesem Fall Carlotta, so sehr durch Stimmigkeit überzeugt
Was hat dich konkret so begeistert?
Der Rhythmus, der Humor, das darunterliegende Drama - das alles hat mich sofort angesprochen. Ich fand es bemerkenswert, dass die Figuren in keiner Phase der Geschichte verraten werden, obwohl es sich um eine Comedy handelt. Die Serie behandelt ein schweres Thema - das Verschwinden eines Kindes - und dennoch gelingt es, das Ganze unterhaltsam und komödiantisch zu gestalten, ohne die Figuren für den Gag zu opfern. Das erfordert ein besonderes Fingerspitzengefühl, das unser Autor definitiv bewiesen hat. Hinzu kommt, dass es sich bei meiner Rolle um eine starke Mutterfigur handelt, eine starke Frauenfigur in einer Hauptrolle, wie ich sie so noch nie gespielt habe. Daher war für mich schnell klar, dass ich dabei sein möchte.
"Where's Wanda?" ist die erste deutsche Serie auf Apple TV+. Hat sich das in irgendeiner Weise am Set bemerkbar gemacht?
Im Grunde genommen ist es ein ganz normaler Arbeitsprozess. Ich habe am Set die Fähigkeit, Scheuklappen aufzusetzen und mich nur auf meine Arbeit zu konzentrieren - also darauf, was ich gerade spiele, das richtige Timing zu finden, den richtigen Ton zu treffen. Das ist mir wichtiger als beispielsweise die Frage, wie das Catering ist oder was die Produktion sonst noch von einer öffentlich-rechtlichen unterscheidet. Aber natürlich habe ich von Anfang an gemerkt, dass hier ein sehr hoher Qualitätsanspruch herrscht, sei es in Bezug auf das Künstlerische, das Design, die Kostüme oder die Charakterentwicklung. Es wird nichts dem Zufall überlassen. Vielleicht ist es gerade durch den Hintergrund Apple-Produktion möglich, derart kompromisslos eine ganz eigene Welt zu erschaffen.
Die Serie vereint Drama mit schwarzem Humor und Slapstick-Momenten. Fühlst du dich in der Komödie als Schauspielerin grundsätzlich gut aufgehoben?
Ich habe meine Filmkarriere mit einer Komödie begonnen, mit Detlev Bucks "Männerpension". Das war wahrscheinlich kein Zufall. Ich denke, dass mir das Genre liegt und ich schon immer ein gutes Gespür für Timing hatte. Dennoch liebe ich auch das Drama.
"Hilde" war tatsächlich alles andere als eine Komödie.
Richtig. Ich möchte mich nicht auf ein bestimmtes Genre festlegen lassen. Sowohl Drama als auch Komödie gefallen mir sehr, und in "Where's Wanda?" kommen beide Aspekte gut zur Geltung.
Du spielst in "Where's Wanda?" eine Mutter, deren Tochter verschwindet. Du bist selbst Mutter dreier Töchter. Hast du in dem Prozess der Vorbereitung schon mal darüber nachgedacht, wie du in einer solchen Situation reagieren würdest? Was du vielleicht anders machen würdest als Carlotta?
Natürlich macht man sich solche Gedanken. Aber ich glaube, niemand kann sich wirklich vorstellen, wie man in einer solch traumatischen Situation handeln würde. Das Leben geht ja weiter - man muss immer noch einkaufen, kochen, sich um das andere Kind kümmern und die Paarbeziehung bewältigen. Unsere Geschichte setzt ja ein paar Monate nach dem Verschwinden der Tochter ein. Die Familie hat sich in gewisser Weise an diese schreckliche Situation gewöhnt und funktioniert darin weiter - wenn auch auf eine überdrehte, aus der Normalität gefallene Weise. Das kann dann sogar so weit führen, dass man kriminell wird und sich durch Aktionismus an den letzten Strohhalm klammert.
Und damit beginnt, seine Nachbarn zu überwachen …
Genau. Carlotta hofft durch die Überwachung ihrer Nachbarn Hinweise auf den Verbleib ihrer Tochter zu bekommen. Wie man mit einem solchen Verlust der Tochter umgeht, kann ich nur erahnen - sicher wird man nach dem ersten Schock versuchen, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und wieder handlungsfähig zu werden. Diesen Aktionismus stellen wir dann in der Serie in leicht überdrehter Form dar.
Die Rolle der Carlotta scheint dir wie auf den Leib geschnitten. Im Film- und TV-Business wird sonst jedoch noch oft darüber diskutiert, dass es zu wenig gute Rollen für Frauen über 40 gibt. Hast du damit jemals gehadert oder hat sich das Rollenangebot dahingehend inzwischen merklich verändert?
Ich war sehr froh, als ich "Where's Wanda?" auf dem Tisch liegen hatte, denn so eine differenzierte, große und tragende Frauenrolle bekommt man tatsächlich nicht alle Tage angeboten. Auch wenn ich mich weigere zu sagen, dass das am Alter liegt, gibt es doch gefühlt weniger Geschichten, die das komplexe Innenleben einer Frau in meinem Alter beschreiben. Ich persönlich würde sehr gerne mehr Filme sehen, in denen Frauen meines Alters im Mittelpunkt stehen - mit all den Themen, die uns betreffen. Es ist natürlich so, dass grundsätzlich Angebote in Wellen kommen. Mal mehr, mal weniger. Manchmal bleiben Angebote auch aus, wenn man 30 oder 35 ist. Manche Schauspieler haben nie viel Arbeit. Der kausale Zusammenhang ist oft nicht so eindeutig. Aber wenn man sich die Filme anschaut, die im Kino oder Fernsehen laufen, dann sieht man, dass da noch viel Potenzial für Frauen jenseits der 47 besteht.
Bekannt geworden bist du mit Anfang 20 als VIVA-Moderatorin. Welche Rolle spielt Musik heute noch in deinem Leben?
Ich liebe Musik noch immer. Früher war sie meine erste Liebe, heute ist sie etwas in den Hintergrund geraten. Aber durch meine Kinder, die einen wirklich guten Musikgeschmack haben, werde ich immer wieder mit interessanter neuer Musik konfrontiert. Ich gehe allerdings nicht mehr so oft auf Konzerte und kenne auch nicht mehr jede Liedzeile auswendig.
Mit Heike Makatsch sprach Nicole Ankelmann
"Where's Wanda" ist ab sofort auf Apple TV+ abrufbar.
Quelle: ntv.de