Geht aufs Haus Kino im Hinterhof und auf der Fassade
26.04.2020, 09:19 Uhr
Paradiesisch: Kino an der Hauswand ist nicht neu, aber hilft immer wieder.
(Foto: imago/United Archives)
Vielleicht klappt's ja dann auch mal mit dem Nachbarn: In Italien und in Deutschland ist die Lust auf ein gemeinschaftliches Kinoerlebnis ungebrochen. Deswegen werden jetzt ausgewählte Filme auf ausgewählte Mauern projiziert.
Die vielfältige Berliner Kinolandschaft bringt üblicherweise Woche für Woche viele Filme und Veranstaltungen zum Leuchten, ein Programm so bunt wie die Stadt. Durch die aktuelle Kreativpause sind die Filmtheater allerdings akut in ihrer Existenz bedroht und brauchen Unterstützung. Mit der Idee, das Gemeinschaftserlebnis in sicherer Umgebung in Berliner Hinterhöfe zu bringen, möchten die Kinos nun den Berlinern das Zuhausebleiben während der Corona-Krise versüßen und auf die gemeinsam von 36 Kinos initiierte Unterstützungskampagne "Fortsetzung: Folgt" aufmerksam machen.
Bei der Premiere des Fassadenkinos "Windowflicks" konnten die Bewohner eines Hinterhofs im Stadtteil Prenzlauer Berg von ihren Fenstern und Balkonen aus bereits Wim Wenders "Der Himmel über Berlin" genießen. Der Regisseur selbst steuerte ein Grußwort per Video bei, um auf die Situation der Kinos aufmerksam zu machen.
In den kommenden Wochen sind donnerstags und samstags kostenlose Vorführungen geplant, für die sich Haus- und Hofgemeinschaften, die die notwendigen Voraussetzungen erfüllen - mindestens 20 Mietparteien mit Blick auf eine ausreichend große Hauswand - mit einem entsprechenden Filmwunsch unter hello@windowflicks.de bewerben können. Im Angebot sind dabei etliche Filme: "Der Himmel über Berlin", "Shaun das Schaf", "The Artist", "Loving Vincent" und "Cleo".
Und in Italien?
#CinemaDaCasa, Kino zu Hause, nennt sich die Initiative, die das römische Paar Fabia Bettini und Gianluca Giannelli am 14. März von ihrer Wohnung aus gestartet haben. Beide arbeiten in der Filmbranche. Da sich in dieser aber im Moment nichts tut, die Kinosäle geschlossen sind und die Leute am Abend entweder vor dem Fernseher sitzen oder sich etwas im Internet ansehen, jeder für sich, hat das Paar in seine Filmkiste gegriffen und zeigt nun jeden Tag Ausschnitte aus italienischen Filmklassikern oder Hollywood-Favoriten an der gegenüberliegenden Hauswand. Das bringt die Leute wieder etwas zusammen, trotz verordnetem Abstand.
Für etwas betagtere Italiener ist es wie ein Déjà-vu: Wer den preisgekrönten Film "Cinema Paradiso" von Giuseppe Tornatore aus dem Jahr 1988 gesehen hat, der erinnert sich vielleicht an die Szene, in der Alfredo (Philippe Noiret) und der kleine Totò (Salvatore Cascio) den Projektor umdrehen und den Streifen auf eine Hausfassade projizieren. Dabei wurden damals bei so manchem Zuschauer Erinnerungen an die Sommerabende seiner Kindheit wach: Die Filme wurden im Freien gezeigt und die Gemeinden, die nicht genügend Geld für eine Leinwand hatten, benutzten eben eine Hauswand.

Kann man sich immer wieder anschauen: "Cinema Paradiso", mit Philippe Noiret und Salvatore Cascio
(Foto: imago/Cinema Publishers Collection)
Und jetzt geschieht Ähnliches. Jeden Abend um Punkt 22 Uhr öffnen Bettini und Giannelli ein Fenster ihrer Wohnung in Rom, schalten den Hausprojektor ein und zeigen auf dem Nachbarhaus Ausschnitte von Fellinis "Dolce Vita", von Charlie Chaplins "Moderne Zeiten", von Robert Zemeckis "Forrest Gump",von Giuseppe Tornatores "Cinema Paradiso" und viel mehr. Jeden Abend ist ein neues Programm angesagt. "Jeder kann an dieser Initiative teilnehmen", sagt Bettini im Telefonat mit ntv.de. "Man braucht nur einen Projektor." Es gebe auch die Möglichkeit, das Ganze über die Facebook-Seite Alice Nella Citta zu verfolgen, fügt Bettini hinzu.
Die Sterne des Filmfirmaments
In Zeiten der Ausgangssperre ist jede Möglichkeit willkommen, aus der Enge der eigenen vier Wände - wenn auch nur metaphorisch - auszubrechen, und so haben sich der Initiative etliche andere angeschlossen. "An die 60 Fenster weltweit projizieren jetzt mit uns mit, was super ist" sagt Bettini. Und so gleiten nicht nur in Rom, sondern auch in Bologna, Florenz, Palermo sowie über Italiens Grenzen hinaus in Frankreich, in der Schweiz, in Polen, Bulgarien und anderen Ländern, die Konterfeis von Humphrey Bogart, Sophia Loren, Marcello Mastroianni, Greta Garbo, Laurence Olivier und all der anderen Sterne des Filmfirmaments über die Hausfassaden.
Mehr Infos zum Fassadenkino-Projekt finden Sie hier.
Die Spendenkampagne für die Berliner Programmkinos "Fortsetzung. folgt" finden Sie hier.
Quelle: ntv.de