"Das Supertalent" - FinaleKonfetti für Nick Ferretti

Keine Hundedressur, keine halsbrecherische Akrobatennummer und auch keine Kleinkunst-Comedy: "Das Supertalent" 2020 kommt ganz bescheiden und ohne viel Törö mit Fönfrisur und Akustikgitarre um die Ecke.
Wochenlang haben Freunde der amüsanten Kleinkunst, Fans von voluminösen Klangdarbietungen und Anhänger von halsbrecherischen Turn- und Akrobatikeinlagen auf diesen Moment gewartet. Nun ist es endlich soweit. Talent-Scout Dieter Bohlen und seine drei Assistenten Bruce Darnell, Chris Tall und Evelyn Burdecki laden zur großen "Das Supertalent 2020"-Finalsause.
Alle Hundeallergiker von Kiel bis München jubeln besonders laut. Der Grund: Nach dem Vorjahressieg von Chihuahua-Dompteur Christian Stoinev (es war bereits der vierte (!) Hunde-Dressur-Triumph in der "Supertalent"-Geschichte) steht im diesjährigen Finale kein Vierbeiner zur Auswahl. Statt kläffender Haustiere sind es diesmal drei verrückte Mariachis, eine Vollblut-Oktavenkönigin und ein "DSDS"-Zweiplatzierter, die im Rennen um die Entertainment-Krone alles geben. Ebenfalls mit dabei sind waghalsige Todesrad-Akrobaten, eine musikalische Gebärdensprach-Sensation und schaurig schöne Tanzeinlagen.
Aufgeregte Buzzer-Experten
Ja, es ist mal wieder richtig viel los auf der "Supertalent"-Bühne. Und auch die vier Buzzer-Experten sind schon ganz hibbelig und aufgeregt. Aufgetakelt in feinster Primetime-Garderobe reiben sich Dieter, Evelyn und Co. die Hände. Und dann geht es auch schon los. Daniel Hartwichs Mikro klebt noch keine zwei Minuten an seinen Lippen, da hüpfen auch schon die Kids von der TSG Harsewinkel auf die Bühne.
Zu stampfender Kirmesmusik wird getanzt und geturnt, bis auch der letzte im Studio mitklatscht und mit den Füßen wippt. Ein durchaus solider Opener, der aber auch gleich eines offenbart: Wer im Finale nicht in der Lage ist noch eine Schippe draufzulegen, der wird es im Kampf um den kristallenen Gewinnerstern und 50.000 Euro Siegprämie schwer haben.
"Ein totales Desaster!"
Auch die drei Comedy-Mariachis "Paul Morocco & Olé!" stoßen in punkto Witz und Innovation an ihre Grenzen. Drei feuerspeiende Akustikklampfen und zwei Dutzend Handküsse in Richtung Jurytresen hauen die Juroren nicht wirklich von den Stühlen. Mit einer Beinahe-Kopie ihres umjubelten Erstauftritts ergeht es den beiden Kleinkunst-Comedy-Spaßvögeln "Elastique & Francesca" ähnlich. Hier spricht ein leicht aufgebrachter Bruce Darnell nach der Vorführung gar von einem "totalen Desaster".
Glücklicherweise gerät nicht jeder Talentmotor zum Showdown hin ins Stottern. So beamt sich Opernsängerin Vanessa Calcagno beispielsweise in netrebkoske Gesangswelten. Die Stimmgewalt der Zweitplatzierten aus dem Jahre 2009 macht selbst eine Evelyn Burdecki "mundtot". Mindestens genauso große Ausrufezeichen hinterlässt Rafael-Evitan Grombelka. Der von Geburt an gehörlose "Sänger" sorgt nicht nur bei Über-Fan Chris Tall ("Du berührst mich so krass") für Gänsehautmomente.
Körperbeherrschung in Perfektion
Neben viel schöner und aufwühlender Musik gibt es natürlich auch wieder viel theatralische Ästhetik, jede Menge waghalsige Turnmanöver und ganz viel Feuer und Rauch zu bestaunen. Evelyns Herz ist "am rasen", wenn die "Messoudi"-Brüderschaft sich aller Hemden entledigt und Körperbeherrschung in Perfektion zelebriert. Bruce und Chris liegen am Boden, wenn Handfurz-Nerd Guy First die größten Hits der Achtziger durch den Darm drückt. Und Dieter bleibt fast das Herz stehen, wenn die beiden Extrem-Artisten "Rony und Jesse" auf dem Todesrad mit verbundenen Augen zum Salto ansetzen.
Verdient hätten es mal wieder viele, keine Frage. Aber nach drei Stunden Tamtam und vielen "Ohs" und "Ahs" kann es nur einen geben. Und der hört in diesem Jahr auf den Namen Nick Ferretti. Dieter Bohlens Straßenmusik-Entdeckung aus Mallorca hat es nach dem zweiten Platz bei "DSDS" (2019) nun endlich aufs oberste Treppchen geschafft. Und das auch völlig verdient.
Mit viel Leidenschaft und Tiefe zerrt der gebürtige Neuseeländer das etwas angestaubte Singer/Songwriter-Genre wieder zurück ins Rampenlicht. Die Anti-Autotune-Fraktion steht applaudierend Spalier. Und selbst die Digi-Kids in den Bra- und Apache-Shirts zeigen mit den Daumen nach oben: Yo, Alter! Allemal besser als ne weitere Hundedressur!