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Interview zum Film "Firebird" "Sergey und Roman kämpfen für Freiheit"

"Firebird" zeigt die traurige Geschichte von Sergey (Prior l.) und Roman (Zagorodnii r.).

"Firebird" zeigt die traurige Geschichte von Sergey (Prior l.) und Roman (Zagorodnii r.).

Ein Film, der in den 1970er-Jahren spielt, aber heute fast aktueller denn je ist: Die estnisch-britische Koproduktion "Firebird" ist vor allem eine Geschichte über verbotene Liebe. Tom Prior und Oleg Zagorodnii spielen die wahre Geschichte von Sergey Fetisov. Im Interview mit ntv.de erklären die Schauspieler, welche kuriosen Parallelen zwischen dem Film und ihrem Leben bestehen, wie sie Zagorodnii aus der Ukraine geholt haben und was sie aus diesem unfassbar traurigen Film mitnehmen.

ntv.de: Sie beide spielen in diesem Film so einzigartige Charaktere. Wie haben Sie sich auf die Rollen von Sergey und Roman vorbereitet?

Zur Person: Tom Prior

Tom Prior ist 1990 in England geboren. Er machte 2012 seinen Abschluss an der Royal Academy of Dramatic Art (RADA). Auf der Kinoleinwand trat er erstmals in James Marshs Biopic "Die Entdeckung der Unendlichkeit" (2014) als 17-jähriger Sohn von Stephen Hawking in Erscheinung. Seither war er u.a. in Matthew Vaughns Actionkomödie "Kingsman: The Secret Service" (2014) zu sehen. Das Drehbuch zu "Firebird" verfasste er zusammen mit dem Regisseur Peeter Rebane.

Oleg Zagorodnii: Peeter Rebane, unser Regisseur, hat alles auf eine wirklich intelligente und professionelle Weise organisiert. Es war nicht nur mein erstes internationales Projekt in meiner Karriere, es war auch seine erste Erfahrung mit einem so großen Film. Wir haben also viel geprobt und nach jeder Szene lange diskutiert. Oft sagten Tom und Peeter, die das Drehbuch gemeinsam geschrieben hatten, dass wir uns am nächsten Tag freinehmen sollten, damit sie den Tag damit verbringen konnten, das Drehbuch umzuschreiben.

Tom Prior: Das Drehbuch zu schreiben, hat mir wirklich geholfen, mich auf die Rolle vorzubereiten. Peeter und ich haben 2015 begonnen, als Co-Autoren an dem Film zu arbeiten. In dieser Zeit waren wir öfter in Russland. Das erste Mal war während der Parade am Tag des Sieges - wenn all die Tausende von Panzern und Flugkörpern durch die Stadt fahren. Das hat mir eine Perspektive dafür gegeben, was dieses System und die Darstellung wirklich sind. Danach wollte ich das Drehbuch anpassen und den militärischen Aspekt stärker betonen.

Welche anderen Vorbereitungen haben Sie getroffen, um Ihre Rolle zu finden?

Zagorodnii: Sie haben uns zu den estnischen Verteidigungsstreitkräften geschickt, um zu erfahren, wie sie ihren Tag verbringen, um etwas über Disziplin zu lernen und wie man schießt. Und dann hatten wir einen speziellen Berater, der uns viele Sachen beigebracht hat. Ich habe alles über das Leben eines Kampfpiloten von einem echten Kampfpiloten gelernt. Wir haben seinen echten Helm für die Aufnahmen benutzt. Ich war drei Monate lang bei ihm - so lange dauerte die Vorbereitung für mich.

Zur Person: Oleg Zagordnii

Oleg Zagordnii ist ein ukrainischer Schauspieler am Gogol Center in Moskau. Auf der Theaterbühne war er u.a. in "Brothers", einer Adaption von Luchino Viscontis "Rocco und seine Brüder", zu sehen. Zudem trat er in der TV-Serie "Dzhamayka" auf. In dem Film "Firebird" spielt er Roman, den Geliebten von Sergei. Der Film war das erste internationale Projekt von Zagordnii.

Herr Prior, Sie haben Sergey Fetisov, von dem der Film handelt, im wahren Leben getroffen. Können Sie ihn beschreiben?

Prior: Im wirklichen Leben war er ein sehr freier, aufgeschlossener, leidenschaftlicher Mensch. Wir waren in Moskau, und er flirtete ganz offen mit einem männlichen Kellner in einem Vorstadtrestaurant. Und als Peeter und ich das sahen, dachten wir: 'Wow, der hat keine Angst'. Aber er wusste auch, wie er sein Leben zu seiner eigenen Sicherheit privat genug halten konnte.

Sie spielen seine Rolle in dem Film. Wie hat das Treffen mit ihm Ihre Darstellung der Rolle verändert?

Prior: Das persönliche Treffen mit Sergey hat mich wirklich sehr beeinflusst. Obwohl der Film von Natur aus ziemlich traurig ist, finde ich es toll, dass die Geschichte am Ende fast erbaulich ist. Und das liegt an seinem offenen und furchtlosen Charakter und seiner sonnigen und positiven Persönlichkeit. Als ich 2017 zu seiner Beerdigung ging, hat sich alles nochmal geändert. Ich wollte das Erbe dieses Mannes mit der größtmöglichen Überzeugung hinterlassen.

Welche Schwierigkeiten hatten Sie, in die Figuren von Roman und Sergey hineinzukommen?

Zagorodnii: Das Schwierigste war für mich, genug Englisch zu lernen, um die Rolle spielen zu können. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich sein würde. Denn vorher hatte ich nur Erfahrung in ukrainischen Fernsehsendungen.

Prior: Die größte Herausforderung für mich war wahrscheinlich meine eigene Selbstüberzeugung. Kurz vor den Dreharbeiten hatte ich eine massive Vertrauenskrise. Es war das erste Mal, dass ich die Hauptrolle in einem Film spielte. Ich hatte so viel Arbeit in das Drehbuch gesteckt und dachte: "Oh Gott, vielleicht werde ich gar nicht gut sein." Ich musste wirklich tief in mich gehen, um diesen Biss und diese Entschlossenheit zu finden - vielleicht ein bisschen so, wie es Sergey im Film auch tut.

Es war das erste Mal, dass Sie ein Drehbuch geschrieben haben. Wie hat das Ihre Schauspielerei verändert?

Prior: Ich wurde an der Royal Academy in London ausgebildet. Ich hatte aber eine schreckliche Zeit dort. Ich wollte danach eigentlich kein Schauspieler mehr sein. Aber dann habe ich angefangen, kleine Szenen und ein halbes Theaterstück zu schreiben. Durch diesen Prozess habe ich mich wieder in die Schauspielerei verliebt. Das Schreiben und die Schauspielerei in Kombination haben sich als sehr intuitiv erwiesen. Das Schöne daran war, dass ich auf jede Szene so gut vorbereitet war.

Der Film spielt in der Sowjetunion. Wie hat der Krieg in der Ukraine Ihren Blick auf den Film verändert?

Zagorodnii: Als dieser Krieg begann, dachte ich sofort an die Parallelen zum Film. Für mich kämpfen wir Ukrainer für dasselbe, wofür Sergey und Roman gekämpft haben: für ihre Zukunft und für die Freiheit von diesem System. Denn Russland ist immer noch die gleiche Sowjetunion. Es ist ein Kind der Sowjetunion.

Herr Zagorodnii, Sie haben die ersten beiden Premieren des Films in London und New York verpasst. Wie haben Sie es geschafft, nach Berlin zu kommen?

Zagorodnii: Das ist eigentlich ganz lustig, denn das ist eine weitere Parallele zum Film. So wie Sergey im Film Roman das Leben rettet, konnte Tom für mich einen Weg aus der Ukraine finden. Das ganze Filmteam hat viele Briefe an das ukrainische Verteidigungs- und Kulturministerium geschrieben. Aber niemand hat geantwortet.

Tom Prior (r.) und Oleg Zagorodnii (l.) sehen sich zum ersten Mal seit dem Krieg in der Ukraine wieder.

Tom Prior (r.) und Oleg Zagorodnii (l.) sehen sich zum ersten Mal seit dem Krieg in der Ukraine wieder.

Tom: Ich habe mich an Thor Halvorssen von der Human Rights Foundation gewandt. Ich habe ihn zu unserer Premiere in L.A. eingeladen, und er wollte wissen, wo Oleg ist. Also habe ich es ihm erklärt. Und innerhalb weniger Tage war die Sache geklärt.

Gibt es eine Sache, die die Zuschauer aus diesem Film mitnehmen sollen?

Zagorodnii: Für mich hat dieser Film eine große Bedeutung. Ich möchte, dass die Menschen sie selbst sind. Das ist alles, was wir brauchen. Wenn jemand sein Leben mit jemand anderem verbringen will, dann gib ihm einfach die Chance, glücklich zu sein. Das gilt auch für mich und mein Land: Lasst uns einfach Ukrainer sein. Wir wollen ukrainisch sein, wir wollen ein unabhängiges Land sein. So wie Roman und Sergey es im Film sein wollen.

Prior: Kurz nach unserer Premiere ging ich in New York die Straße entlang und sah zwei Männer, die sich an den Händen hielten, und niemand hat es bemerkt. Nicht, weil sie unsichtbar wären, ganz im Gegenteil. Das löst in den Köpfen der Leute nicht einmal einen Konflikt aus. Wenn man das aber heute in vielen anderen Ländern der Welt auf der Straße tut, ist das das Ende des Lebens, das Ende der Freiheit. Deshalb möchte ich mit diesem Film daran erinnern, dass die Freiheit sehr schnell wieder verloren gehen kann, wenn diese Einstellungen unkontrolliert bleiben.

"Firebird" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.

Mit Oleg Zagordnii und Tom Prior sprach Clara Suchy.

Quelle: ntv.de

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