Film über Ingeborg Bachmann Toxische Beziehung unter Schriftstellern


Hätte mehr verdient gehabt: Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann.
(Foto: Alamode Film)
Margarethe von Trotta hat einen Film über Ingeborg Bachmann gedreht. In kunstvollen und langsamen Bildern wird eine Geschichte erzählt, die weder berührt noch fesselt. Am Ende ist Bachmann nur ein Opfer ihrer Zeit und der eigenen Bedürfnisse.
"Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" ist nach "Rosa Luxemburg" und "Hannah Arendt" ein weiteres cineastisches Frauenporträt der Regisseurin Margarethe von Trotta. Der Film beleuchtet die fast vierjährige Beziehung zwischen der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann und dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Bachmann wird leicht entrückt und zerbrechlich von Vicky Krieps verkörpert, Frisch robust und mit machohafter Sympathie von Ronald Zehrfeld.
Von Trotta, die auch das Drehbuch verfasste, versucht gar nicht erst, den Zuschauer an die Hand zu nehmen. Ohne Vorwissen über die beiden Ausnahme-Literaten sitzt man erzählerisch schnell auf dem Trockenen. Ein Umstand, der durchaus löblich wäre, wenn Margarethe von Trotta aus filmischer Sicht mehr Interesse an ihren Protagonisten zeigen würde.
"Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" kommt vom ersten Moment an zu verkopft daher, zu langatmig und darauf bedacht, mit aller Wucht Arthouse-Kino zu sein. Einem breiteren Publikum wird somit der Zugang von vornherein verwehrt. Ingeborg Bachmann hat mehr verdient!
Krieps und Zehrfeld geben als ungleiches Schriftstellerpaar zwar ihr Bestes, doch auch sie können mit ihrem Spiel den tristen Dialogen und der ermüdenden Unaufgeregtheit der Bilder nichts entgegensetzen. Brav werden alle Stationen der Beziehung, die mit der Zeit in eine toxische Hassliebe umschlägt, abgearbeitet. Ein wirrer Schnitt auf zwei Zeitebenen untergräbt dabei den Fluss der Geschichte ebenso wie das Nichtvorhandensein nachvollziehbarer Beweggründe der Akteure.
Ein Versprechen ohne Bedeutung
Zwei Menschen, die in der Literatur ihre unbestreitbaren Spuren hinterlassen haben, scheitern an einer Beziehung und am menschlichen Miteinander. Stoff, aus dem im Grunde große Dramen gemacht sind. Im Kern hat "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" alles, was es braucht, um ein beachtenswertes Werk zu sein: zwei wunderbare Schauspieler, einen wahren Hintergrund und mit Paris, Zürich und Ägypten eine bestechende Kulisse. Doch nichts davon kommt zum Tragen, diese Ingeborg Bachmann bleibt eine schöne Hülle, ein Versprechen ohne Bedeutung.
Die echte Ingeborg Bachmann bezeichnete die Jahre mit Max Frisch im Rückblick als "Verwüstung", wobei ihr die titelgebende "Reise in die Wüste" im Jahr 1964 die Freude am Leben zurückgegeben haben soll. Von diesen tiefgreifenden emotionalen Zuständen ist in von Trottas Film nichts zu spüren. Die Charaktere und ihre Sehnsüchte bleiben schemenhaft und fremd, die Bildsprache fragmentarisch und zerfasert. In die fast 300 Briefe, die sich Bachmann, Frisch, Freunde und Verwandte schickten und die als Grundlage für das 2022 erschienene Buch "Wir haben es nicht gut gemacht" dienten, hatte Margarethe von Trotta keinerlei Einsicht. Vielleicht hätte dies aber der Filmemacherin geholfen, ein differenzierteres und packenderes Porträt zu inszenieren.
Eine vorsichtige Annäherung
Aller Unausgewogenheit und den Klischees zum Trotz möchte man "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" dennoch nicht vollends verteufeln. Dafür ist die Literatin zu interessant und zu wichtig. Margarethe von Trotta hatte sicher ein nobles Ansinnen, als sie sich dazu entschied, der Geschichte auf diese Art zu begegnen. Das Interesse an einer der hervorstechendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen ist durchaus vorhanden. Auch ist es schön, Vicky Krieps in einigen Szenen zu beobachten, wie sie Bachmann porträtiert. Der 40-Jährigen ging es nach eigener Aussage nicht darum, eine perfekte optische Kopie der Schriftstellerin darzustellen, Krieps wollte eine eigenständige Variante kreieren mit Raum für Interpretation.
Raum für Interpretation braucht aber einige zumindest zaghafte Parameter, damit das Gesehene und Gehörte nicht willkürlich ins Dunkel taumelt. An dieser Grundstruktur scheitert der Blick durch die Filmkamera auf die Beziehung von Bachmann und Frisch. Das Gesagte und Gespielte hat selten mehr Substanz, als dem einem oder anderen schönen Bildausschnitt etwas Schatten, Licht und Ton zu geben. Aufseiten der Kunst kann das Drama durchaus punkten, als Kinofilm für die Leinwand aber ist diese Bachmann-Beziehungsgeschichte zu zahm und blass.
Die Geschichte eines Scheiterns
Die 1973 in Rom mit nur 47 Jahren verstorbene Bachmann war zeit ihres Lebens auf Privatsphäre bedacht. Es ist schwer vorstellbar, dass sie der Veröffentlichung ihrer intimen Liebesbriefe in Buchform beziehungsweise einem Film über ihre toxische und zerstörerische Beziehung mit Max Frisch zugestimmt hätte. Ingeborg Bachmann wollte als Lyrikerin, Schriftstellerin und Dichterin wahrgenommen werden. Inwiefern das Buch und der Film das Bild von Bachmann als Mensch sowie ihr literarisches Erbe bereichern, kann der Zuschauer und Leser für sich selbst beantworten. Verlag und Filmemacher müssen sich aber den Vorwurf eines gewissen Voyeurismus gefallen lassen.
Dass große Künstler, Schriftsteller oder Philosophen letzten Endes auch nur Menschen sind, die an Herz und Geist erkranken, ist nicht neu. Wenn man sich aber dazu entschließt, die Geschichte ihres Scheiterns, ihrer Errungenschaften zum Trotz, zu erzählen, dann bitte mit mehr Substanz! Der vielschichtige und komplexe Charakter Bachmanns sollte im Kino mehr sein als nur eine verlassene und gedemütigte Frau, die einem Mann nachtrauert, der der Freiheit ihres Herzens und ihres Körpers starre Grenzen setzen wollte. Von Trottas Bachmann scheitert an ihrer Zeit und den eigenen Bedürfnissen. Eine Annahme, die durchaus ihre Berechtigung hat, letzten Endes im Kontext aber zu simpel anmutet.
"Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de