"Bam, bam, viral" Zeugen widersprechen Gil Ofarim
08.11.2023, 19:19 Uhr Artikel anhören
Steht seit Dienstag vor Gericht: Gil Ofarim.
(Foto: picture alliance/dpa)
Seit Dienstag steht Gil Ofarim unter anderem wegen angeblicher Verleumdung vor Gericht. Neben dem Hotel-Mitarbeiter, dem der Musiker vorwarf, ihn antisemitisch beleidigt zu haben, werden nun auch weitere Zeugen gehört. Dabei unterstützt zunächst im Wesentlichen keiner die Darstellung des Sängers.
Im Prozess gegen Gil Ofarim hat der wichtigste Zeuge der Anklage den jüdischen Musiker belastet. Der Hotelmanager gab vor dem Landgericht in Leipzig auf Nachfrage des Gerichts an, dass weder der Davidstern von Ofarim noch antisemitische Äußerungen bei dem Streit um das Einchecken in das Hotel eine Rolle gespielt hätten. Die Staatsanwaltschaft wirft Ofarim unter anderem falsche Verdächtigung und Verleumdung vor.
Anfang Oktober 2021 hatte der Musiker in einem Instagram-Video schwere Antisemitismusvorwürfe gegen den Manager des Leipziger Hotels erhoben. Ofarim solle seinen Davidstern abnehmen, erst dann dürfe er einchecken, so die Anschuldigung des Sängers. Nach umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft folgte jedoch eine Anklage gegen Ofarim. Das Verfahren gegen den Hotelmanager wurde dagegen eingestellt.
Schmuck habe er während der Diskussion mit Ofarim nur an dessen Hand wahrgenommen, sonst nirgendwo, sagte der 35 Jahre alte Zeuge. Auch Rufe von anderen Gästen oder Mitarbeitern habe er nicht gehört. Der 35-Jährige ist nach den Vorwürfen noch immer in psychologischer Behandlung und hat das Hotel in diesem September auf eigenen Wunsch verlassen, arbeitet aber noch in der Branche. Er tritt in dem Verfahren auch als Nebenkläger auf.
Mit Video gedroht?
Im Anschluss wurden weitere Zeuginnen und Zeugen vor Gericht gehört, die während der Geschehnisse in dem Hotel seinerzeit anwesend waren. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge unterstützte dabei im Wesentlichen zunächst keiner und keine der Befragten die Darstellung Ofarims.
RTL-Prozessbeobachtern zufolge erklärte eine bei dem Hotel beschäftigte Studentin etwa, Ofarim habe sich bei ihr darüber beschwert, dass andere Gäste in der Schlange an der Rezeption vorgezogen worden seien. Zwar habe der Sänger Verständnis für ein technisches Problem mit einem Kartenkodiergerät geäußert, sei dann aber schnell in Rage geraten. Ofarim habe wild gestikuliert, schroff formuliert und den Manager verlangt.
Als dieser sich neben sie gestellt habe, habe Ofarim schließlich damit gedroht, dem Hotel mit einem viralen Video zu schaden. "Bam, Bam, Bam, Instagram, Facebook, geht alles los", schilderte die Zeugin laut "Focus". Der Manager habe Ofarim daraufhin auf das Hausrecht des Hotels hingewiesen und erklärt, dass man ihn unter diesen Umständen nicht einchecken lasse. Den Satz "Pack deinen Stern weg" habe sie nicht gehört.
"Er hat gepöbelt"
Ähnlich äußerte sich laut "Focus" vor Gericht ein weiterer Zeuge, der als Hotelgast neben Ofarim in der Schlange stand. Er habe mitbekommen, wie Ofarim damit gedroht habe, eine negative Bewertung in den sozialen Netzwerken hochzuladen. Der Musiker habe sinngemäß angekündigt, er werde eine Bombe platzen lassen, die dem Hotel viel Ärger einbringen werde. Daraufhin habe der Manager ihm den Meldeschein vor der Nase weggezogen. In einem Punkt allerdings stützte der Zeuge Ofarims Aussagen: Er habe die Kette mit dem Davidstern am Hals des Musikers gesehen, erklärte er.
Eine weitere Zeugin, die ebenfalls als Hotelgast vernommen wurde, will dem "Focus" zufolge ebenfalls mitbekommen haben, wie Ofarim dem Hotel drohte. Der Sänger habe Worte benutzt wie "Bam, bam, viral" und dabei in die Handflächen geklatscht. Auf die Schilderungen des Musikers in seinem später tatsächlich viral gegangenen Video angesprochen, erklärte sie, dies sei nicht so gewesen. "Er hat gepöbelt", beschrieb die Zeugin Ofarims Verhalten. Seine Kette mit Davidstern habe sie nicht wahrgenommen und auch nicht gehört, dass der Hotelmanager den Satz "Pack deinen Stern ein" gesagt habe. In der Lobby habe sie auch keine Rufe anderer Gäste oder sonst etwas Auffälliges bemerkt.
Ofarims Anwälte bezweifeln Hotelmanager-Aussagen
Die Verteidigung Ofarims hat die Aussagen des Hotelmanagers angezweifelt. Dieser habe bisher nicht die Wahrheit gesagt und verschweige etwas Wesentliches aus dem Gesprächsinhalt, sagte Verteidiger Philip Müller. Unter Eid werde eine Wahrheitsfindung ermöglicht. Der Antisemitismusvorwurf "steht und fällt mit der Tatsache", ob der Manager Ofarim erkannt habe oder nicht. Der Manager behauptet, dass ihm der Rocksänger bis zu dem Vorfall in der Hotellobby nicht bekannt war. Die Kammer lehnte allerdings seine Vereidigung im Zeugenstand ab. Die Voraussetzung dafür liege nicht vor. Es gebe keine Hinweise dafür, dass der Zeuge bisher nicht die Wahrheit gesagt habe, sagte der Vorsitzende Richter, Andreas Stadler.
Gil Ofarim selbst hat sich bislang vor Gericht noch nicht geäußert. Der Prozess gegen ihn wird kommende Woche fortgesetzt und soll am 7. Dezember seinen Abschluss finden. Im Falle einer Verurteilung könnte eine Geldstrafe, im Extremfall aber auch eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren gegen ihn verhängt werden. Bis zur Urteilsverkündung gilt für ihn die Unschuldsvermutung.
Quelle: ntv.de, vpr/dpa