"Der Pfad" zum Psychothrill Die tödliche Wahrheit über Cutter's Pass


Von Cutter's Pass brechen viele Wanderinnen und Wanderer auf. Manche
(Foto: IMAGO/Pond5 Images)
Cutter's Pass ist Naturidylle pur: Das 1000-Seelen-Städtchen in North Carolina ist Ausgangspunkt für Wanderungen auf den Appalachian Trail. Aber es birgt auch ein düsteres Geheimnis. Eines, dass nach 25 Jahren, aufgedeckt wird.
Es ist die Wahrheit … Cutter's Pass ist ein Ort in North Carolina. Knapp 1000 Menschen leben dort. Selbst für US-Verhältnisse klingt Kleinstadt hier etwas übertrieben. Nach Cutter's Pass verirrt man sich nicht. Man stolpert nicht darüber. Man will entweder gezielt hierhin, sei es, um auf dem Appalachian Trail zu wandern oder um Fotos von purer Naturidylle zu knipsen. Oder aber: Man fährt gelangweilt vorbei. Letzteres wäre für das persönliche Wohlbefinden eindeutig besser.
Abby hat das nicht geschafft. Sie ist nun schon zehn Jahre in dem kleinen Ort, arbeitet im "Passage Inn", das Wanderern Hütten zur Übernachtung anbietet. Sie kommt hervorragend mit der Besitzerin der Anlage, Celeste, aus. Aber so richtig zum Ort gehört sie nicht. Sie wird geduldet. Immerhin, aber mehr auch nicht. Jeder Neuling, jeder Zugezogene erfährt dieses Schicksal. Abby hat sich damit abgefunden, scheint es nach außen zumindest. Tief in ihrem Inneren sieht es anders aus.
Das merkt sie erst recht, als Trey im "Passage Inn" auftaucht. Er kommt ihr irgendwie bekannt vor: die Augen, die Unruhe. Trey scheint auf der Suche nach etwas zu sein. Sein Bruder war auch einmal Gast im "Passage Inn", doch dann verschwand er spurlos. Trey ist nun hier, um nach ihm zu suchen.
Wissen ist gefährlich
Abby weiß, dass Treys Bruder nicht der einzige Mensch ist, der in Cutter's Pass vom Erdboden verschluckt wurde und nie wieder aufgetaucht ist. Insgesamt sind sieben Menschen in den vergangenen 25 Jahren in dem idyllischen Kleinstädtchen verschwunden. Spurlos. Sie waren einfach von einen auf den nächsten Moment weg. Suchmannschaften fanden nichts, weder Hinweise in Cutter's Pass noch auf den von hier startenden Wanderwegen. Entsprechend heiß brodelt die Gerüchteküche - und sorgt für Touristen- und Wanderernachschub. Viele von ihnen sind Möchte-gern-Sherlock-Holmes, die denken, sie fänden des Rätsels Lösung. Abby lacht leise in sich hinein.
Aber Trey lässt nicht locker. Und als er wider Erwarten im Zimmer, das sein Bruder im "Passage Inn" bezogen hat, einen USB-Stick mit Fotos findet, beginnt für ihn und auch für Abby eine Schnitzeljagd in die Geschichte des Ortes. Sichtbar wird eine düstere Vergangenheit, die ein Geheimnis birgt, das auf den Menschen des Kleinstädtchens zu lasten scheint. Seit Jahrzehnten. Und Abby findet heraus, dass auch sie längst ein Teil dieses düsteren Geheimnisses geworden ist, eine stille Mitwisserin. Lüftet sie das Geheimnis? Sie muss sich schnell entscheiden, denn in Cutter's Pass lebt sie nun gefährlich.
"Der Pfad" lebt von der Atmosphäre
Megan Mirandas "Der Pfad" rückt den Ort Cutter's Pass in den Mittelpunkt der Geschichte. Er ist Dreh- und Angelpunkt des Plots. Ohne ihn hätte es diesen bei Penguin und im Hörverlag erschienenen Psychothriller nicht gegeben. Die einzelnen Personen, sei es Abby, sei es Trey, sei es Celeste oder auch die Vierer-Bruderschaft, mit der alles beginnt; können Cutter's Pass nicht das Wasser reichen. Alte Liebeleien, alte Seilschaften, alte Familien, deren Blutlinien die Kleinstadt nie verlassen haben. Da ist Cutter's Pass genau so wie die Berge, der Wald, die wilden Tiere, die den Ort umgeben.
Es kann vorkommen, dass Wanderer auf dem Appalachian Trail vom Weg abkommen, sich verirren, sich etwas brechen, irgendwo im Dickicht sterben und nie gefunden werden. Es kann vorkommen - aber es ist unwahrscheinlich in einer Zeit, in der jeder Spuren hinterlässt. Das Internet vergisst nie. Und Cutter's Pass auch nicht. Das sorgt durchweg für eine geheimnisvoll düstere, ja teilweise beklemmende Stimmung. Der Leser will dem Geheimnis des Ortes auf den Grund gehen. Er will wissen, was sich hinter dem Verschwinden der Vierer-Bruderschaft verbirgt, vier Freunde, die von einer Wanderung nicht zurückkamen. Er will wissen, was aus Treys Bruder geworden ist, und aus den zwei Frauen, die vor ihm verschwanden.
Dafür nimmt der Leser auch die von Selbstzweifeln geplagte Hauptfigur Abby in Kauf. Ihr ständiges Sich-selbst-Hinterfragen nervt irgendwann. Mehrere Twists am Ende des Buches entschädigen aber dafür und lassen auch Abby in einem gnädigeren Licht erscheinen. Es ist die Atmosphäre, die den Plot trägt. Es ist das Ungewisse, das lockt. Es ist die Wahrheit … über Cutter's Pass und seine Einwohner.
Quelle: ntv.de