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McCullochs Buch "Der Aufstieg" In der Todeszone des Mörderbergs

Der Manaslu in Nepal ist einer der 14 Achttausender.

Der Manaslu in Nepal ist einer der 14 Achttausender.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Einen Achttausender besteigen mit nur wenigen Wochen Vorbereitung? Ein Unding. Aber Cecily wagt es. Sie muss es wagen, denn nur nach ihrem Gipfelsturm winkt ein Exklusivinterview mit dem größten Bergsteiger aller Zeiten. Doch eine Warnung lässt sie aufhorchen.

"Atmen, Cecily!' Eisige Luft strömte in ihre Lunge. Als sie sich ausgemalt hatte, wie es wäre, hier oben zu atmen, hatte sie angenommen, es würde sich anfühlen wie Ersticken, wie wenn sich ihr die Kehle zuschnürte, vielleicht irgendwie noch wie Ertrinken. Aber so war es nicht … Im Grunde war es ganz einfach: Es war nicht genug Sauerstoff in der Luft. Kaum noch ein Drittel dessen, was ihr Körper gewöhnt war. Dem Höhenmesser an ihrem Handgelenk zufolge war sie immer noch jenseits der 8000 Meter - in der Todeszone." Cecily kämpft um das nackte Überleben, in der Todeszone des Manaslu, einem der 14 Achttausender-Gipfel auf der Erde.

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Nur wenige Monate war diese Vorstellung undenkbar gewesen. Die britische Reisereporterin schrieb als Freie ihre Reportagen, kam über die Runden und war glücklich mit ihrem Kollegen James verbandelt. Er war es, der sie zum Bergsteigen gebracht hatte. Er war es, der sie zum "Three Peaks" angespornt hatte, zum Besteigen der drei höchsten Berge von Schottland, England und Wales binnen 24 Stunden. Er war es auch gewesen, der sie nur in Sneakers und unvorbereitet dem letzten dieser drei Berge, dem Snowden, überlassen hatte. Und James war es auch, der sie danach als Heldin in einem Artikel gefeiert hatte - weil Cecily unterkühlt und ausgelaugt auf die Bergwacht gewartet hatte, um eine abgestürzte Kletterin zu bergen. Cecily eine Heldin? Sie selbst war da ganz anderer Meinung, schließlich war die Frau tot.

Aber genau diese tragische Episode sollte ihr Leben auf einen Schlag verändern: Charles McVeigh wird auf sie aufmerksam. Er ist die Bergsteiger-Ikone der Gegenwart, ein Künstler am Berg, ein Ausnahmekönner. McVeigh hat sein aktuelles Projekt, alle 14 Achttausender der Erde ohne Hilfsmittel zu besteigen, fast abgeschlossen. Nur der Manaslu fehlt, der "Killer Mountain". Und für diesen letzten Akt seiner Rekordtour hat er Cecily sein erstes Exklusivinterview überhaupt versprochen. Es wäre ihr Durchbruch als Reisejournalistin, danach könnte sie sich die Jobs aussuchen. Doch der Deal hat einen Haken: Cecily muss mit auf den Gipfel des Manaslu. Gelingt ihr der Gipfelsturm, bekommt sie ihren Scoop.

Ein Toter ist erst der Anfang

Das ist gewissermaßen das Basislager, aus dem Amy McCullochs die Protagonisten ihres Thrillers "Der Aufstieg - in eisiger Höhe wartet der Tod" starten lässt. Aber zu einem Thriller gehören auch ein paar Tote, einige Twists, Gänsehaut-Momente. Und Spoileralarm: Ja, das alles gibt es. Und noch viel mehr. Bereits im Basislager gibt es den ersten Toten. Ein erfahrener Bergsteiger, wie Cecily weiß, denn sie hatte ihn als letzte Person lebend gesehen. Er war auf einer Mission unterwegs, wollte einem bei einem Gipfelsturm ums Leben gekommenen Freund die letzte Ehre erweisen - und dessen mysteriösen Tod aufklären. Er vermutet einen Mord. Doch mutmaßlichen Spuren kann er nun nicht mehr nachgehen.

Ein Toter bereits im Basislager? Kein gutes Omen für ihren Anstieg auf den Manaslu, denkt Cecily. Dann findet sie an ihrer Ausrüstung eine Warnung: "Ein Mörder ist am Berg, bring dich in Sicherheit!" Doch sie kann nicht einfach abbrechen. Ohne Story kann sie ihren Job an den Nagel hängen - und pleite wäre sie obendrein. Also beginnt Cecily gemeinsam mit einer kleinen Gruppe - ein Tech-Investor, eine Influencerin, ein Filmemacher und ein erfahrener, aber zuvor schon einmal gefeuerter Bergführer - den Aufstieg. Vier Lager sind es bis zum Gipfel, mehrere Male geht es von einem Lager zum anderen und wieder zurück, damit sich die Körper der Bergsteiger an die Höhe und die Luftverhältnisse gewöhnen.

Amy McCulloch hat asiatische Wurzeln, ist in Kanada aufgewachsen und lebt in London. Sie geht selbst gern in die Berge.

Amy McCulloch hat asiatische Wurzeln, ist in Kanada aufgewachsen und lebt in London. Sie geht selbst gern in die Berge.

(Foto: Charlotte Knee Photography)

Cecily, anfangs von Selbstzweifeln geplagt, weil ihr keiner den Aufstieg auf den Manaslu zutraut, lernt dazu, kämpft sich rein ins Bergsteigermetier, gewinnt mentale Kraft. Aber es gibt weitere Tote: Aus einer anderen Gruppe stirbt eine erfahrene russische Bergsteigerin an der "Hängewand", stranguliert in einem Seil. Die Mission geht dennoch weiter. Der Tod gehört offenbar bei solcherlei Projekten dazu: Wenn der Mensch an seine Grenzen geht, sind Unfälle nicht ausgeschlossen. Nur dass Cecily immer mehr daran zweifelt, dass es sich um Unfälle gehandelt hat.

In den wenigen Stunden, die ihr zur Erholung von den Akklimatisierungsstrapazen bleiben, beginnt sie selbst zu recherchieren, Fragen zu stellen, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch das kommt nicht bei allen gut an. Ist wirklich ein Mörder mit am Berg oder ist der Berg der Mörder? Der Spitzname "Killer Mountain" kommt doch nicht von ungefähr?

Ein Aufstieg, der frösteln lässt

McCullochs "Der Aufstieg" lädt ein, Teil einer menschlichen Grenzerfahrung zu werden. Viele Menschen würden gern einmal einen Achttausender besteigen, aber nur wenige erfüllen sich diesen Lebenstraum. "Der Aufstieg" hilft all jenen, einmal nahezu live dabei zu sein. Zu erfahren, was es wirklich heißt, in der Todeszone zu überleben - einer Zone, in der in jeder Sekunde menschliche Zellen sterben, in der Halluzinationen mehr die Regel als die Ausnahme sind, in der Körper und Geist auf gefährliche Irrwege geraten können. Als Leser von "Der Aufstieg" kann man miterleben, wie viel Vorbereitung in so einer Tour steckt, bevor überhaupt ein Gipfelsturm möglich wird. Wie schnell alles vorbei sein kann: das falsche Wetter, ein Fehltritt, ein unkonzentrierter Handgriff, ein defekter Ausrüstungsgegenstand.

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Mit ihrem Thriller gelingt das McCulloch eindrucksvoll, weil man als Laie sofort im Thema ist. Die Autorin nimmt ihre Leserinnen und Leser behutsam an die Hand, ohne den Plot zu vernachlässigen. Sie wird gewissermaßen zum Bergführer, gibt ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen kurzweilig weiter.

Ob es Cecily am Ende gelingt, den Manaslu zu bezwingen und wieder gesund im Basislager anzukommen - beim Abstieg sterben mehr Bergsteiger als beim Aufstieg -, sei einmal dahingestellt. Ob es möglich ist, mit nur wenigen Monaten Vorbereitung eine solche Tour erfolgreich zu meistern, ebenfalls. Aber als Leser hat man nach der Lektüre auf jeden Fall Lust darauf bekommen, die eigenen Grenzen wieder einmal auszuloten.

Quelle: ntv.de

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