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Olaf Schubert über "Olaf Jagger" "Mick Jagger kann eine Menge von mir lernen"

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Vater und Sohn?

(Foto: picture alliance/dpa/Ester.Reglin.Film/Neue Visionen Filmverleih)

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Comedian Olaf Schubert ist der Sohn von Rockstar Mick Jagger - soweit die Ausgangslage von "Olaf Jagger". Der Clou des Films: Er ist im Stil einer Dokumentation gehalten und will den Anschein erwecken, echte Begebenheiten zu erzählen. Auf seiner Spurensuche trifft Schubert viele reale Personen, die sich bis auf wenige Ausnahmen selbst darstellen. Dieses doppelbödige Spiel mit der Realität führen Protagonist Schubert und Regisseurin Heike Fink auch im Interview mit ntv.de fort. Im Gespräch lassen sie keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Pullunder tragende Sachse der Sohn eines Rolling Stones ist.

ntv.de: In Ihrem neuen Film "Olaf Jagger" stellen Sie die These auf, der Sohn von Mick Jagger zu sein. Das klingt mindestens überraschend, wenn nicht sogar etwas abwegig. Wie kommen Sie darauf?

Olaf Schubert: Es gestaltete sich so, dass ich den Keller meines Vaters aufräumen musste, da meine Mutter verstorben ist. Bei solchen Aufräumaktionen stößt man eigentlich immer nur auf Blödsinn, den man sofort in die Mülltonne wirft. Aber da waren dann eben ein paar ominöse Tonbänder. Ich wusste ja, dass meine Mutter für viele Jahre Radio-Redakteurin in Ostberlin war. Eines dieser Tonbänder offenbarte tatsächlich etwas Interessantes, nämlich, dass sie in den 1960er-Jahren ein Interview mit den Rolling Stones geführt hat. Da habe ich mich gefragt: Was macht man damit? Haut man das in den Müll oder ...

Heike Fink: ... ruft man mich an.

Schubert: Richtig. Und dann wurde ich fortgezogen, reingeschubst, so ungefähr.

Hatten Sie vor diesem Fund einen persönlichen Bezug zu den Rolling Stones? Immerhin war die Band in der DDR ab 1965 für einige Zeit verboten.

Schubert: Wir haben damals im Osten schon damit kokettiert, die Rolling Stones zu nutzen - in klassenkämpferischer Hinsicht. Die haben ja indirekt das kapitalistische System angeprangert, aber es natürlich auch ausreichend selbst genutzt. Nachdem die DDR-Regierung dann gemerkt hat, dass das wirklich verrückt gewordene Hottentotten sind, hat sie versucht, die Stones immer mehr zu reglementieren. Und da in meiner Kindheit Rock'n'Roll die coolste aller Attitüden war, habe ich natürlich auch standesgemäß versucht, ein Rockstar zu werden. Man sieht ja, was daraus geworden ist.

Die Rolling Stones waren also Bestandteil Ihrer Jugend in der DDR - trotz dieser staatlichen Ächtung?

Schubert: Selbstverständlich haben wir versucht, im Rahmen des Möglichen auf den Putz zu hauen. Die Kuh fliegen zu lassen. Und da lief alles, was zur damaligen Zeit irgendwie Krawall gemacht hat. The Rolling Stones, Deep Purple, Led Zeppelin - der ganze Rödel wurde rauf und runter gehört.

Im Film reisen Sie durch ganz Deutschland, besuchen viele real existierende Schauplätze. Hat der Name Olaf Schubert da alle Türen geöffnet oder wurden Ihnen auch Drehorte verwehrt?

Fink: Nein, wir sind überall hingekommen, wo wir wollten. Ich weiß gar nicht, ob es mit dem Namen Olaf Schubert zu tun hatte. Wobei, was rede ich da: Das hatte gewiss mit dem Namen Olaf Schubert zu tun. Der Name Olaf Jagger macht jetzt natürlich noch mehr Türen auf.

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Regisseurin Fink hat für "Olaf Jagger" den Förderpreis Neues Deutsches Kino auf den Hofer Filmtagen erhalten.

(Foto: picture alliance/dpa)

Schubert: Und wenn doch mal eine Tür verschlossen sein sollte, muss man die eben aufbrechen. Gewaltsam. Oder mit Geld.

Welche Momente des Drehs sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Schubert: Einige. Wir sind ja ganz schön rumgekommen und haben allerlei Figuren der Geschichte getroffen. Kauzige Archivare, interessante Musiker, Künstler. Das war in der Summe sehr inspirierend. Ebenso die Zeit, als wir in Frankreich waren: Die Franzosen wissen schon, wie man ordnungsgemäß lebt, Nahrungsmittel herstellt und zum Verzehr bringt.

Fink: Für mich war es ein großes Erlebnis, auf dem alten Ostberliner Radiogelände, dem Funkhaus Nalepastraße gewesen zu sein. Das ist ein irrer Lost Place. Toni Krahls Nähkästchengeplauder war auch wunderbar. Genau wie mit Hartmut König zu sprechen, dem letzten stellvertretenden Kulturminister der DDR. Sein Haus ist eine lebende Vitrine voller DDR-Relikte.

Wie aufwühlend waren die Dreharbeiten für Sie, Herr Schubert? Immerhin wurde Ihre ganze Identität infrage gestellt.

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Schubert wollte schon als Kind Rockstar werden, erzählt er.

(Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Schubert: Aufwühlend dahingehend, dass ich aus meiner Komfortzone rausgeschubst wurde. Normalerweise habe ich immer alles im Griff. Ich kann mich vorbereiten und weiß, wie ein Dreh funktioniert. Aber bei so einem Film weiß man eben nicht, was auf einen zukommt. Insofern war das schon aufregender als der normale Fernseh-Kokolores.

Wie viel Mick Jagger steckt denn in Olaf Schubert?

Fink: Ich würde sagen, 50 Prozent. Allein vom Genpool aus gesehen. Der Rest ist Mutti.

Wie äußert sich das?

Fink: Durch Sexyness, Charme, das Rampensäuische, das Musiktalent - er ist ein hervorragender Schlagzeuger.

Schubert: Und durch die Bereitschaft, sich zum Eumel zu machen. Die hat ein Performer wie Mick Jagger mit seiner doch gewöhnungsbedürftigen, gleichzeitig aber spektakulären und mittlerweile kultigen Darbietung auch.

Fink: Und vielleicht noch die bewusste Hinwendung zum Weiblichen, auch wenn es nicht so von Erfolg gekrönt ist wie bei Mick Jagger. Und der Hüftschwung.

Und umgekehrt? Was kann Mick Jagger noch von Olaf Schubert lernen?

Schubert: Mick Jagger kann eine Menge von mir lernen, ich kann ihm viel zeigen. Zum Beispiel das Eisenfeustel (Traditionsbaumarkt in Dresden, Anm. d. Red.). Da habe ich meinen ersten Schraubenzieher gekauft. Das ist für mich ein heiliger Ort. Er kennt sich aus in den großen Stadien. Ich kenne mich besser aus in den kleineren Hallen und Clubs. Und natürlich der Kontakt mit Menschen. Jagger lebt schon in einem Elfenbein- ... es ist, glaube ich, kein Turm, eher ein Elfenbeinzimmer, ein Elfenbeinsaal. Vielleicht kann ich ihn da ein bisschen rausholen, zurück ins normale Leben. Und ich kann ihm auch meinen ISDN-Anschluss borgen.

Die filmische Sinnsuche entwickelt sich für Olaf Schubert zu einer echten Achterbahnfahrt der Gefühle. Wie sind Sie als Regisseurin damit umgegangen?

Fink: Für Olaf ging es mit großer Euphorie los, es wurde aber zunehmend emotionaler. Nach dem Besuch in der Stasiunterlagenbehörde mussten wir ihn mit Schokolade, Rotwein und Schultern zum Anlehnen versorgen. Im Film gibt es auch den Moment, wo Olaf Starallüren entwickelt. Da mussten wir aufpassen, dass er uns nicht entgleitet.

Schubert: Eingenordet haben die mich.

Wie haben Sie das geschafft? Auch mit Rotwein?

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Satisfaction.

(Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Fink: Nein, das war dann eher so ein Tief-in-die-Augen-Gucken.

Schubert: Und Weißwein. Klare Sicht behalten.

Als Jagger-Spross steht Ihnen theoretisch ein Millionenerbe zu. Wie gehen Sie mit solchen Verheißungen um?

Schubert: Als junger Mensch macht man sich mehr Gedanken darüber, wie man möglichst vieler Dinge habhaft werden kann. In meinem Alter steht das nicht mehr primär im Zentrum. Außerdem würde darunter nicht nur meine Reputation leiden, sondern auch viel innere Unruhe entstehen. Wenn etwa alle sagen würden: "Jetzt hat der Schubert Geld. Der hat das nur wegen des Geldes gemacht. Gib mal was ab." So viel Geld sollte man einfach beiseitelegen und am besten vergessen, wo es liegt.

Mit etwas zeitlichem Abstand zum Film gesehen: Wie gestaltet sich das Leben mit einem alten und einem neuen Vater?

Schubert: Wir hatten da spannende Gespräche mit einem Therapeuten. Der hat gesagt: "Bestenfalls bleibt alles so, wie es ist. Es kommt nur ein neuer Mensch dazu." Die Kampfzone wird sozusagen erweitert. Konflikte klären Männer ohnehin eigentlich immer ganz klassisch: mit Totschweigen.

Fink: Und Rolf [Papa Schubert] hört ja jetzt beides: Klassik und die Stones.

Schubert: Genau das ist es: eine Erweiterung des Horizonts um einige Hektar.

Mit Olaf Schubert und Heike Fink sprach Marc Dimpfel

"Olaf Jagger" läuft ab dem 6. April in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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