Musik

"Ich bin kein Verlierer" Die Evolution der Anastacia

Sie hat schon einiges durchgemacht in ihrem Leben - und lässt sich trotzdem nicht unterkriegen: Anastacia.

Sie hat schon einiges durchgemacht in ihrem Leben - und lässt sich trotzdem nicht unterkriegen: Anastacia.

(Foto: Universal Music)

Zweimal befällt Anastacia der vermaledeite Krebs. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen. Nun meldet sie sich mit ihrem neuen Album "Evolution" zurück. Mit n-tv.de spricht sie über Lebensmut, Hochzeitstage, Aldi, Heidi Klum und "Mister T.".

n-tv.de: Was geht dir durch den Kopf, wenn dir jemand sagt: Du kannst nicht singen, du kommst nicht in den Recall - und vielleicht bist du doch schon etwas zu alt fürs Musikgeschäft?

Anastacia: (lacht) In dieser besonderen Situation habe ich innerlich gejubelt. Darauf hatte ich genau gehofft. Ich hatte gehofft, sie an der Nase herumzuführen und nicht weitergelassen zu werden. Zugleich wollte ich aber auch nicht allzu schrecklich singen. Es gibt ja in diesen Castingshows immer wieder Leute, die kein Talent haben und vorgeführt werden. So sollte es auch nicht sein.

Wir sprechen natürlich über einen Streich, den du verkleidet der Jury in der schwedischen Version von "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) gespielt hast. Das hat auch hier für Aufsehen gesorgt. Arbeitet die Jurorin, die dich für so untalentiert gehalten hat, noch bei der Show?

Ja, klar doch! Anders Bagge, der Produzent meines neuen Albums, sitzt bei der Show auch in der Jury und war eingeweiht. Er dachte, sie würde als Erste dahinterkommen, weil sie ein großer Fan ist. Er war komplett baff, dass sie nichts gemerkt hat. Und sie dachte im Nachhinein, ich wäre deshalb vielleicht sauer auf sie. Aber im Gegenteil: Dass ich gerade sie hereingelegt habe, fand ich total super.

Es war nicht das erste Mal, dass du auf die eine oder andere Art an einer Castingshow teilgenommen hast. Du warst in Deutschland auch mal Coach bei DSDS und Jurorin bei "Rising Star". Und du hast deine Karriere selbst in einer Castingshow von MTV begonnen ...

Ja, genau. Aber was an dieser Show besser war als an den Castingshows heute, ist, dass wir dort unsere eigenen Songs gesungen haben. Ich habe dort "Not That Kind" gesungen. Man hat also wirklich für sich selbst geworben und keine Songs von Aretha Franklin oder dergleichen vorgetragen. Und nur deshalb hat es für mich funktioniert. Die Plattenfirmen haben mich gesehen und wollten mich haben. Und dann hat der Bieterwettstreit angefangen. Ich dachte mir: Wie kann das sein? Ich bin wahrscheinlich die Künstlerin, der man als Letzter auf der Welt einen Vertrag geben würde - und auf einmal boten alle für mich wie für ein Pferd. (lacht)

Seit knapp 20 Jahren spielt sie nun schon im Popgeschäft mit.

Seit knapp 20 Jahren spielt sie nun schon im Popgeschäft mit.

(Foto: Universal Music)

Das war 1998, vor fast 20 Jahren. Seither ist dir viel Gutes widerfahren, aber auch viel Schlechtes. Wie viel hat die Person Anastacia heute noch mit der Person von vor 20 Jahren gemein?

Sehr viel. Aber die Naivität mit Blick auf das Geschäft ist weg. Heute weiß ich, wie groß es ist und wie brutal es auch sein kann. Was man daraus macht, hängt stark von den Leuten ab, mit denen man sich umgibt. Wenn es Menschen gibt, die sich um dich sorgen und nur dein Bestes wollen, kannst du alles erreichen. Andernfalls kann es aber auch sehr traurig laufen.

Mit "Evolution" erscheint nun dein siebtes Studioalbum. Bist du eigentlich noch nervös, wenn ein neues Album von dir herauskommt?

Das Lustige ist: Früher war ich es eigentlich nie. Ich weiß noch, wie mich bei meinem zweiten Album alle fragten, ob ich nervös sei. Ich sagte: "Wieso? Sollte ich?" Dann hieß es: "Na ja, weil doch das erste so erfolgreich war ..." Und ich meinte: "Ach so! Daran habe ich gar nicht gedacht. Aber ja, gut, dann bin ich eben nervös." (lacht) Aber jetzt, bei diesem Album, bin ich es wirklich. Ich fühle mich ein bisschen wie ein kleines Mädchen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir das Album sehr schnell eingespielt haben.

Warum?

Wir wollten, dass es zeitgleich zu meiner Kollektion bei Aldi erscheint. Eigentlich dachte ich, dass wir vielleicht erst im Frühling oder Sommer nächsten Jahres die Kollektion rausbringen würden. Aber die Zusammenarbeit mit Aldi lief so toll, dass es im Februar hieß, wir könnten doch schon im September an den Start gehen. Ich dachte: "Im September? Oh mein Gott, wir müssen ein Album schreiben!" Also habe ich im März mit dem Schreiben von Songs angefangen - während ich auf Tour war. Beides zur gleichen Zeit hatte ich zuvor noch nie gemacht! Und ich hatte die Pistole auf der Brust: Ich wusste, am 15. September wird das Album erscheinen. Ich habe meinen letzten Ton tatsächlich erst am 10. August eingesungen. (lacht)

Bist du dennoch zufrieden mit dem Album?

Ja, auch wenn ich eine Künstlerin bin, die sich natürlich sorgt, in der Kürze der Zeit nicht alles perfekt gemacht zu haben. Aber ich finde, es ist ein wunderschönes Album geworden. Ich habe keine Ahnung, wie erfolgreich es sein wird und auch keine Erwartungen. Ich bin einfach nur stolz, dass wir es überhaupt hinbekommen haben.

Du hast deine Kollektion bei Aldi angesprochen. Wie ist es zu dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit gekommen?

Ich saß im Flugzeug. Und da saß auch jemand von Aldi. Er hat mich angesprochen, als wir ausgestiegen sind. Wir hatten eine tolle Unterhaltung. Von da an ging alles ganz schnell.

Du trittst damit allerdings nun in Konkurrenz zu Heidi Klum, die mit Lidl lustigerweise gerade ebenfalls eine Kollektion für einen Discounter entworfen hat ...

Ich weiß, aber wir sind keine Konkurrentinnen! Zum einen haben wir komplett unterschiedliche Kollektionen. Zum anderen sehe ich mich nie in Konkurrenz zu anderen, auch nicht wenn es um die Musik geht. Sie ist ein kluges Köpfchen - und ich denke, sie wird die Läden ausverkaufen. Und ich bin auch ein kluges Köpfchen. Ich hoffe, dass ich sie mal treffe und wir beste Freundinnen werden. Ich mag sie.

Dein letztes Album 2014 hatte mit "Resurrection" ("Wiederauferstehung") einen starken Titel. Viele haben ihn darauf bezogen, dass du zuvor zum zweiten Mal den Krebs besiegt hattest ...

Das hat auch gestimmt - zu 100 Prozent.

Auch "Evolution" ist ein starker Album-Titel. Auf was bezieht er sich?

Wenn du dir beide Alben anhörst, weißt du ganz genau, wie es mir zum jeweiligen Zeitpunkt ging. "Resurrection" war sehr schwer und emotional. Es gibt einige hochfragile Momente darauf - und sehr viele Balladen. Ich hätte nie gedacht, dass ich so viele langsame Songs in meinem Leben schreiben könnte. (lacht) Es ging auch darum, als Frau wiederaufzuerstehen. Und tatsächlich hatte ich den Albumtitel "Resurrection" damals schon, bevor ich das Album geschrieben hatte.

Und dieses Mal?

Dieses Mal war es ganz anders: Ich hatte keine Ahnung, wie das Album mal heißen und in welche Richtung es gehen soll. Ich hatte einfach nur Tonnen an positiver Energie, weil ich mitten in meiner "Greatest Hits"-Tour mit 111 Auftritten steckte. Ich traf alte Fans, neue Fans - und all die Kids. Ich fragte mich: "Warum seid ihr hier? Ihr wart noch nicht mal geboren, als ich herausgekommen bin." Manchmal frage ich eins der Kinder: "Wie heißt du? Hat dich Mama oder Papa gezwungen, hierher zu kommen?" (lacht)

Den Song "Why" betrachtest du als Reflexion der aktuellen Geschehnisse auf der Welt. Wie blickst du momentan auf den Planeten?

Es ist traurig. Es ist traurig, dass wir so weit gekommen sind, um jetzt solche Rückschritte zu machen. Das gilt vor allem für mein Land. Wenn ein so großes Land von einem Menschen regiert wird, der kein besonders guter Mensch ist, strahlt das auch Negativität aus. Der Senat und der Kongress werden "Mister T." nicht den Knopf drücken lassen. Aber seine Worte könnten dazu führen, dass jemand anderes den Knopf drückt. Sein verrücktes und mobbendes Verhalten - so sollte man einfach nicht sein. Was soll man einem Kind sagen, das sagt, dass es mal Präsident werden möchte? "Ja, sei wie er, nimm dir ihn zum Vorbild?"

Nein, sie ist kein Fan von Donald Trump - und nimmt seinen Namen am liebsten noch nicht mal in den Mund.

Nein, sie ist kein Fan von Donald Trump - und nimmt seinen Namen am liebsten noch nicht mal in den Mund.

(Foto: imago/HOFER)

Du nimmst kein Blatt vor den Mund, wenn es um Donald Trump geht ...

Nein, ich könnte mich unendlich aufregen. Doch das wäre wirklich eine Verschwendung von wertvoller Zeit. Aber meine Haltung ist da sehr eindeutig. Jeder weiß, dass ich kein "T."-Anhänger bin.

Ein Song mit einer weit positiveren Botschaft ist "My Everything". Du hast ihn als potenziellen Hochzeitssong für deine Fans geschrieben ...

Ja, ich habe zu meinem Manager gesagt: "Ich möchte einen Hochzeitssong schreiben." Er hat mich mit großen Augen angeguckt: "Du bist doch geschieden." (lacht) Mir ging es darum: Wenn man an eine Hochzeit denkt - und ich hatte ja nun auch eine -, dann sollte das der beste nur vorstellbare Tag sein. Ein Tag, an dem alle glücklich und zusammen sind, an dem ein Traum wahr wird. Ich wollte einen Song, der das ausdrückt, den man aber jederzeit spielen kann, so dass das Gefühl über den einen Tag hinaus anhält.

Vielleicht heiratest du ja auch nochmal. Wäre es auch ein Song für deine Hochzeit?

Ich möchte nicht zu meinem eigenen Song heiraten! Für mich sollte dann schon jemand anderes singen. Aber ich hoffe wirklich, dass mein Song meinen Fans Freude bereitet. Ich habe schließlich auch an sie gedacht, als ich ihn geschrieben habe. Ich hatte keine Partnerschaft, auf die ich hätte Bezug nehmen können. Also habe ich mich an der Liebe von und zu meinen Fans orientiert. Und an der Liebe zu dem, was ich tue. Ich könnte mit meiner Karriere nicht zufriedener sein, als ich es inzwischen bin.

Dabei ist dir in deiner Heimat nie ein vergleichbar großer Durchbruch geglückt wie hier in Europa. Nervt dich das eigentlich?

Das Album "Evolution" ist seit Kurzem erhältlich.

Das Album "Evolution" ist seit Kurzem erhältlich.

(Foto: Universal Music)

Am Anfang war das ein Problem. Weil ich den Erfolg in den USA nicht hatte, habe ich ihn hier in Europa zunächst auch nicht gespürt. Bis 2000, da war ich 32, war ich noch nie nach Europa gereist. Ich hatte keine Ahnung davon, was außerhalb von Amerika passiert. Aber als ich dann hierher kam, war alles so wundervoll. Schau, wir haben diese Geschichte nicht! Europa hat mich mit seiner Vielfalt, seinem Spirit, seiner Leidenschaft und Humanität geprägt und zu einem besseren Menschen gemacht. Und heute bin ich dankbar dafür, dass ich so häufiger hier sein kann - und weniger in Amerika. Ich bin auf manche Menschen in Amerika nicht scharf. Hey, die Hälfte von ihnen hat für Trump gestimmt. (lacht)

Für deine musikalische Karriere hast du viele Auszeichnungen bekommen. In den vergangenen Jahren wurdest du allerdings ebenso häufig für deine Wohltätigkeitsarbeit und deinen Einsatz für Brustkrebs-Opfer geehrt. Was bedeutet dir mehr?

Das kann ich so nicht sagen. Mir ist bei allem, das ich tue, wichtig, etwas zu bewegen: Geh voran, bleibe positiv, aber auch umsichtig. Lass dich nicht ablenken, schau nicht zurück, bleibe geerdet. Ich möchte, dass man mich als Person wahrnimmt, die dort, wo sie helfen kann, alles dafür tut. Als ich selbst das erste Mal Krebs bekam, wurde mir erst so viel über die Krankheit bewusst: wie viele daran erkranken, wie viele Krebsfälle - 70 Prozent - nicht genetisch bedingt sind.

Und du wolltest die Informationen mit anderen teilen ...

Ja. Die Menschen sollen nicht denken, dass sie es nichts anginge, etwa weil sie jung oder familiär nicht belastet sind. Aber sie sollen auch keine Angst haben. Es gibt viele Menschen, die mehrfach an Krebs erkrankt sind, die ihn im vierten Stadium hatten - und noch immer leben. Es gibt viele Möglichkeiten, ihn zu überwinden. Man kann machen, was Angelina (Jolie, Anm. d. Red.) und ich gemacht haben, und sich trotzdem noch vollwertig fühlen. Okay, die Leinwand ist nicht mehr weiß. Aber das ist sie bei niemandem mehr, wenn man älter wird. Warum sollte man sich darüber Gedanken machen? Darüber, einen Teil des Körpers zu entfernen, der einen umbringen kann? Es ist eine Frage der Prioritäten. Für mich war Eitelkeit jedenfalls nicht so wichtig wie das Leben.

Du bist zweimal an Krebs erkrankt, schon als Kind wurde bei dir Morbus Crohn diagnostiziert und du musstest dich auch schon am Herz operieren lassen. Hast du deinen Lebensmut nie verloren?

Nein! Ich habe nie die Hoffnung und den Glauben verloren. Warum sollte man aufgeben? Wenn man aufgibt, ist man erledigt. Dann hat man den Kampf verloren. Ich bin kein Verlierer.

Heute geht es dir auf jeden Fall gut?

Heute? Ja, heute geht es mir gut. Was morgen ist - keine Ahnung. Ich lebe nur für heute. Ich mache mir keine Gedanken über die Sorgen von morgen. Denn egal, was da kommen mag, weiß ich, dass ich ihm begegnen werde, so gut ich kann.

Mit Anastacia sprach Volker Probst

Das Album "Evolution" bei Amazon bestellen oder bei iTunes downloaden

Quelle: ntv.de

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