Kiss zündeln in Berlin Feuer, Rauch und rockige Abschiedsgrüße
23.06.2023, 13:30 Uhr Artikel anhören
Bassist Gene Simmons und seine Kiss-Kollegen sind auf Abschiedstour (Foto vom Konzert in München am 17. Juni).
(Foto: dpa)
Im Rahmen ihrer großen "End Of The Road"-Abschiedstournee laden Kiss in Berlin zur ultimativen Rock-Party ein. Zum letzten Mal heißt es: Feuer frei und "Rock And Roll All Night And Party Every Day!"
"You wanted the best, you got the best!", schallt es durch die proppenvolle Berliner Max-Schmeling-Halle. Wer sich so ankündigt, der hat entweder jedwede Bodenhaftung verloren oder aber er trägt monströse Plateaustiefel, spuckt literweise Kunstblut und ist gekommen, um gestandene Familienväter mit Freudentränen in den Augen noch einmal in hibbelige Fanboys zu verwandeln. Nach 50 Jahren ganz oben auf dem Rock'n'Roll-Gipfel laden Kiss zur letzten Konfetti-Party ein. Am Donnerstag machten die Herren Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer und Eric Singer zum letzten Mal Halt in der Hauptstadt.
Wenn um Punkt neun Uhr der überdimensionale Band-Vorhang fällt, spazieren die Kabuki-Rocker nicht einfach nur winkend auf die Bühne. Während Drummer Eric Singer seine Trommelstöcke auf einem Podest in drei Metern Höhe schwingt, hauen die Kollegen noch eine Etage drüber in die Saiten. Schlabberzunge Gene Simmons, Space-Ace-Double Tommy Thayer und Show-Dompteur Paul Stanley schweben auf nebelspuckenden Plateaus vom Hallendach in Richtung Boden. Vor der Bühne: große Augen und reihenweise offene Münder.
Rock'n'Roll-Zirkus für alle Generationen
Als die Band in den frühen 70ern das große Rock-Spektakel erfand, blickte die Welt staunend nach New York. Heute sind Feuerfontänen, Pyroknaller und Hebebühnen-Gimmicks allgegenwärtig. Mag sein, dass eine Band wie Rammstein mittlerweile dreimal so viel Pyrotechnik mit auf Tour hat. Den magischen Rock'n'Roll-Zirkus, der Generationen vereint und eine Entertainment-Deluxe-Brücke zwischen gestern und heute baut, veranstalten aber nur Kiss.
Wenn Hardrock-Gassenhauer wie "Detroit Rock City", "Shout It Out Loud" und "Cold Gin" durch die Boxen fegen, dann stehen wie ihre Idole geschminkte Banker und Müllfahrer Seite an Seite und recken die Fäuste in die Luft. Wer die Band noch nie live erlebt hat, der zeigt sich erstaunt, was man denn so alles in ein zweistündiges Rock-Konzert reinpacken kann. Neben viel Feuer, Rauch, Detonationen und permanent nach oben und unten fahrenden Bühnenpodesten präsentieren sich ein Blut und Feuer spuckender Bassist, ein mit Raketen aus der Gitarre schießender Lead-Gitarrist und ein an einem Stahlseil über das Publikum fliegender Frontmann, der das spektakulär inszenierte Bad in der Menge sichtlich genießt.
Die Menge johlt, klatscht und jubelt
Berlin liegt den vier Amerikanern von der ersten bis zur letzten Detonation zu Füßen. Die Menge johlt, klatscht und jubelt. Immer wieder erscheinen kleine geschminkte Kinder auf den riesengroßen Leinwänden. Die jüngste Kiss-Generation tanzt auf den Schultern der Erziehungsberechtigten und beweist, dass das nun schon seit 50 Jahren greifende Kiss-Phänomen keine Altersgrenzen kennt.
Sänger Paul Stanley betont, dass seine Mutter in Berlin geboren wurde: "Isch bin ein Berliner!", krakelt der Sternenjunge ins Mikrofon. Gene Simmons schwebt wie ein blutverschmierter Dämon unters Hallendach und predigt die grummelnden Psalme des "God Of Thunder". Irgendwann packt es jeden in der Halle. Der ultimative Rock'n'Roll-Zirkus fällt mit der Tür ins Haus und kennt kein Erbarmen. Zwar sorgt Catman Eric Singer am Klavier sitzend für eine kleine Atempause ("Beth"). Aber drei Minuten später steht der Laden auch schon wieder Kopf.
"Berlin, have you had a good time?"
Riesige Kiss-Ballons fliegen von der Decke. Konfettikanonen lassen nicht nur Kinderaugen leuchten. Und überall knallt und brennt es, als hätte man gerade zum Jahreswechsel angestoßen. "Rock And Roll All Night And Party Every Day!" Mit dem obligatorischen Rausschmeißer eines jeden Kiss-Konzerts zieht die Band noch einmal alle Register. "Berlin, have you had a good time?", will Paul Stanley zum Abschluss wissen. Ohrenbetäubender Jubel ist die Antwort. Noch ein letzter Kuss für die tosende Menge. Dann ist Schluss. Was für eine irre Rock-Nacht!
Quelle: ntv.de