Mark Oliver Everett von Eels "Ich bin heute glücklicher als je zuvor"
07.06.2024, 15:08 Uhr Artikel anhören
Mark Oliver Everett alias "E" spricht offenbar auch schon mal mit Tannenzapfen über das Leben.
(Foto: Gus Black)
Seit 30 Jahren ist Mark Oliver Everett alias "E" Kopf der Band Eels, die nun mit "Eels Time!" ihr 15. Album veröffentlicht. Mit ntv.de spricht der 61-Jährige unter anderem über die eigene Endlichkeit, das späte Glück im Alter und seine noch junge Liebe zu kleinen Hunden.
Seit 30 Jahren schon ist Mark Oliver Everett alias "E" Kopf der Band Eels, die nun mit "Eels Time!" ihr 15. Album veröffentlicht. Und Everett ist nicht ohne Grund stets ein melancholischer Songwriter. In der Vergangenheit hatte der heute 61-Jährige schon so manchen Schicksalsschlag zu bewältigen. Enge Familienmitglieder starben an unheilbaren Krankheiten, seine Schwester beging Suizid. All das verarbeitete Everett aber nicht nur in seiner Musik, sondern auch in seiner Autobiografie "Things The Grandchildren Should Know".
"Eels Time!" ist nun selbstreferentieller, als man es von ihm gewohnt ist, beschäftigt er sich darauf doch mit der eigenen Endlichkeit. Mit ntv.de spricht er darüber, aber auch über das Glücklichsein im Alter und seine noch junge Liebe zu kleinen Hunden.
ntv.de: Mark, Titel des neuen Albums ist "Eels Time!". Heißt das, dass nach 30 Jahren Bandgeschichte und 14 vorangegangenen Alben jetzt endlich eure Zeit gekommen ist?
Mark Oliver Everett: Nicht ganz. (lacht) Ich habe aber ein Ausrufezeichen hinter den Albumtitel gesetzt, um es wie ein lustiges Partyalbum aussehen zu lassen, was es nicht ist. Das ist irreführend, gebe ich zu. Ich meine, es gibt schon auch lustige Momente. Aber eigentlich behandelt es etwas Schweres, Ernstes: Wenn du älter wirst, beschäftigt dich das Thema Zeit immer mehr, weil du dir bewusst wirst, dass dir in Zukunft weniger davon zur Verfügung steht.
Aber das Älterwerden hat auch gute Seiten. Oder?
Ja, sicher. Ich bin heute beispielsweise glücklicher als je zuvor. Und vieles davon ist darauf zurückzuführen, dass ich älter geworden bin und weiß, worüber es sich lohnt, sich aufzuregen und worüber nicht. Denkst du zurück an deine Jugend und all die bescheuerten Dinge, über die du dir so viele Sorgen gemacht hast, merkst du jetzt, dass das gar nicht nötig war. Vieles spielt keine Rolle mehr, und das Leben ist in vielerlei Hinsicht aufgrund der erlebten Erfahrungen viel einfacher geworden.
Abgesehen den physischen Wehwehchen, die dann doch eher mehr werden.
Das ist der schwierige Teil, wenn dein Körper anfängt, auseinanderzufallen. Das ist nicht fair. (lacht)
Ihr habt schon 2022 mit "Extreme Witchcraft" ein Album veröffentlicht. Findest du, dass du die "freie Zeit", die auch dir mit der Pandemie auferlegt wurde, gut genutzt hast?

(Foto: Gus Black)
Hören Sie die Musik von Eels bei RTL+ Musik.
Wir konnten nicht auf Tour gehen, es gab nichts anderes zu tun, als neue Musik zu machen. Es fühlte sich natürlich an. Aber ich hätte es ohnehin gemacht, da bin ich mir sicher.
Du hast im Laufe deines Lebens zahlreiche Schicksalsschläge einstecken müssen. Hat dich Covid da überhaupt noch aus der Ruhe bringen können?
Bis zu einem gewissen Grad haben mich einige der Erfahrungen in meinem Leben tatsächlich gelehrt, dass die Dinge immer noch schlimmer sein können. Also versuche ich stets, mich auf die guten Seiten zu konzentrieren.
Wenn du heute glücklicher denn je bist, ist auch das Songschreiben anders? Es heißt ja nicht umsonst: "art never comes from happiness" (auf Deutsch: "Kunst entsteht nie aus Glück") ...
Ich denke schon, dass Kunst auch aus Glück entstehen kann. Es ist nur einfach schwieriger. Unglück ist eine so wichtige Lebensader. Wenn du mit etwas unzufrieden bist oder mit etwas zu kämpfen hast, ist es einfacher, das zum Thema deiner Kunst zu machen. Ich denke auf jeden Fall, dass ein Teil meiner Musik die glücklicheren Aspekte des Lebens feiert. Und ich versuche, all die verschiedenen Seiten widerzuspiegeln. Ich schreibe einfach immer über den menschlichen Zustand und die emotionalen Erfahrungen des Lebens.
Du solltest mit Eels bereits im vergangenen Jahr in Deutschland spielen, doch die Tour wurde abgesagt. Für Außenstehende grundlos, denn die Pandemie war bereits vorbei.
Das war wirklich nur in Deutschland so, sonst haben wir überall gespielt. Mir wurde gesagt, die wirtschaftliche Lage bei euch sei gerade so schlimm, deshalb hat der Veranstalter die Shows abgesagt. Die Leute könnten sich nicht mal Benzin leisten, geschweige denn Konzertkarten. Wir wussten nicht, ob das stimmte, aber es war der einzige Teil der Tour, den wir gecancelt haben, weil Putin die Gaslieferungen nach Deutschland gekappt hatte ... oder so. Das hat uns schon sehr geärgert, denn wir spielen gern in Deutschland.
Entstanden ist das neue Album laut Pressetext in Los Angeles und Dublin, zwei Orte, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Stimmt. Ich habe mein ganzes Zeug in L.A., und mein Kindheitsfreund Sean lebt in Dublin. Mit ihm habe ich an ein paar Songs zusammengearbeitet, allerdings nicht vor Ort, sondern über die Entfernung.
Du hast mit Eels jetzt 30. Jubiläum gehabt. Bedeuten dir Jahrestage wie diese etwas?
Ich kann vor allem nicht glauben, dass ich schon 15 Alben gemacht habe. 15! Das ist doch verrückt. Ich bin sehr dankbar, dass ich das tun kann, dass das mein Job ist. Und nun bin ich heute zehn Jahre älter als mein Vater geworden ist. Schon deswegen bin ich dankbar für alles und jeden einzelnen Tag.
Kümmert es dich, was andere über deine Musik denken oder schreiben?
Nein, und auch das ist eines der schönen Dinge am Älterwerden. Man merkt, wie sinnlos Kritiken sind. Heute wird alles ganz schnell abgecheckt, was neu ist, aber man braucht fünf oder zehn Jahre, um zu wissen, ob es auch Bestand hat. "Abbey Road" von den Beatles bekam total schlechte Kritiken. Das ist doch lächerlich. Es gibt unzählige Beispiele dafür. Man darf sich darüber keine Sorgen machen, weil es nicht wichtig ist. Wichtig ist, was sich im Laufe der Zeit bewährt und wie es die Menschen berührt.
Du bist nicht nur Musiker, sondern auch Autor. 2009 hast du in einem Buch über dein schicksalhaftes Leben geschrieben - und die Menschen damit ebenfalls berührt. Besteht die Chance, dass du noch einmal etwas in diese Richtung veröffentlichst?
Ich würde gerne ein weiteres Buch schreiben, eine Fortsetzung des ersten. Aber das Problem ist, dass jeder, über den ich im ersten Teil geschrieben habe, gestorben war. Ich hatte also das Gefühl, dass ich frei darüber sprechen konnte, und seitdem sind viele interessante Dinge passiert. Aber alle, die in diesem Buch vorkämen, sind noch am Leben. Also warte ich besser, bis auch sie gestorben sind. (lacht)
Und bis dahin kümmerst du dich neben der Familie noch um deine Hunde, mit dem man dich immer wieder in Social Media sehen kann?
Ja! Ich habe zwei kleine Hunde, dabei habe ich mich früher nie für kleine Hunde interessiert. Ich finde sie nervig. Aber meine Frau meinte, sie wolle ein Projekt. Wir wussten damals nicht, dass wir ein Jahr später Eltern werden würden. Also bekam sie diese beiden kleinen Hunde, die ich nicht mochte. Doch ich habe einfach mitgemacht. Und dann bekamen wir ein Kind, ließen uns scheiden und ich blieb auf den Hunden hängen. Es kam die Pandemie und ich war mit ihnen isoliert. Es ist wohl dieses Stockholm-Syndrom, bei dem man sich in seinen Entführer verliebt. Denn jetzt liebe ich sie, als könnte ich ohne sie nicht leben und mache mir die ganze Zeit Sorgen darüber, dass sie irgendwann sterben. Wenn mein Favorit - ja, ich habe einen Favoriten - stirbt, weiß ich nicht, ob ich mich davon jemals erholen werde.
Mit Mark Oliver Everett sprach Nicole Ankelmann
Das Album "Eels Time!" ist ab sofort erhältlich.
Quelle: ntv.de