Pogo auf der Zielgeraden Iggy Pop lässt es nochmal krachen
06.01.2023, 16:23 Uhr
Er rockt noch immer: Iggy Pop.
(Foto: Vincent Guignet / Warner Music)
Auf seinem neuen Album "Every Loser" kehrt Iggy Pop zu seinen musikalischen Trademarks zurück. Gemeinsam mit Chad Smith, Taylor Hawkins, Duff McKagan und Travis Barker holt die kratzbürstige Branchenlegende die Punk-Keule aus dem Sack.
Ein fuzziges Teamwork-Projekt mit Josh Homme ("Post Pop Depression"), ein experimenteller Poetry-Ambient-Jazz-Longplayer ("Free") und eine zweijährige Zwangspause, in der lediglich eine lauwarm aufgebrühte Kollaboration ("I Wanna Be Your Slave") mit den italienischen Rock-Pop-Shootingstars Maneskin das Licht der Welt erblickte: Nicht wenige Fans von Iggy Pop machten sich bis vor Kurzem noch große Sorgen um den musikalischen Spätherbst ihres Idols.
Nun ist aber alles wieder gut, denn der Maestro hat mit "Every Loser" sein 19. Studioalbum am Start - und auf diesem präsentiert sich Iggy Pop so vital, frisch, kantig und kernig wie wahrscheinlich nicht allzu viele 75-Jährige auf diesem Planeten.
"The music will beat the shit out of you", tönte der Godfather des Punk im Vorfeld der Veröffentlichung großspurig und selbstbewusst. Es dauert keine zwei Minuten, da sind alle Zweifler und Nörgler wieder still. Der Mann mit der Lederhaut fällt schroff und garstig mit der Tür ins Haus. "Frenzy", so der Titel des Openers, markiert galligen Punk.
Während Erbträger wie Frank Carter und Co noch wild klatschend Pogo tanzen, macht sich hinter der schweißnassen Fassade bereits die Wave-Pop-Generation der frühen 80er bereit. Plötzlich grüßt des Urhebers Stimmfarbe aus dem Souterrain. Nun strecken alle Bowie-Fans die Daumen nach oben ("Strung Out Johnny"). Großartig.
Wenn Johnny Cash noch leben würde …
(Foto: IMAGO/Independent Photo Agency Int.)
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Die Eckpfeiler des Albums ragen hoch hinaus. Aber selbst die vermeintlichen Filler haben noch mehr zu bieten, als so manch Highlight der Branchenkonkurrenz. Das mit Funk-Einschüben und poppigem Chorus daherkommende "Comments" verdient genauso viel Applaus wie das abschließende Experimental-Feuerwerk "My Regency".
Im Song "New Atlantis" stellt Iggy Pop wieder einmal seine Spoken-Word-Qualitäten unter Beweis. Und wenn Johnny Cash noch unter uns weilen würde, dann läge beim Pop-Management demnächst bestimmt irgendwann eine Duett-Anfrage auf dem Tisch ("Morning Show"). Mit "Every Loser" gelingt Iggy Pop eine abwechslungsreiche Zeitreise, bei der man auch lange nach dem Rückflug noch das Bedürfnis verspürt, all die gewonnenen Eindrücke und Erlebnisse immer und immer wieder zu teilen.
Stimmpräsenz und nachhaltige Songstrukturen
Dieses Gefühl entfacht der Urheber ganz allein mit seiner stimmlichen Präsenz und dem ausgeprägten Gespür für nachhaltige Songstrukturen. Da geht am Ende sogar fast unter, dass der Punkrock-Prototyp aus Michigan für sein 19. Studioalbum die Creme de la Creme der internationalen Rock-Branche mit am Start hatte. Neben Star-Produzent Andrew Watt (Ozzy Osbourne, Eddie Vedder, Miley Cyrus, Justin Bieber) schauten auch noch die Herren Chad Smith (Red Hot Chili Peppers), Travis Barker (Blink 182), Duff McKagan (Guns N' Roses) und der leider viel zu früh verstorbene Foo Fighters-Drummer Taylor Hawkins im Studio vorbei.
Wer Angst hatte, dass Iggy Pop von seinem ursprünglichen Pfad abgekommen sein könnte, der kann dieser Tage entspannt durchatmen. Der unkaputtbare Freigeist des Untergrunds hat es immer noch faustdick hinter den Ohren. "I'm the guy with no shirt who rocks!", schallt es der lechzenden Pogo-Gemeinde entgegen. So ist es. So soll es sein. Und so wird es wohl auch (hoffentlich noch eine ganze Weile) bleiben.
Quelle: ntv.de
