Ist der Sommer schon vorbei? Juli bescheren uns wieder eine geile Zeit
28.04.2023, 15:32 Uhr
Geben wieder Gas: Juli.
(Foto: Amélie Siegmund / Universal Music)
Ihr verdanken wir schon eine "Geile Zeit", die "Perfekte Welle" und ein "Elektrisches Gefühl". Nun meldet sich die Band Juli nach neun Jahren mit neuem Album zurück. "Der Sommer ist vorbei" heißt es. Doch warum erscheint es im April? Darüber spricht Frontfrau Eva Briegel im ntv.de Interview ebenso wie über Freundschaft, Familie, Studium und traurige Lieder.
ntv.de: Als ich erfahren habe, dass ihr mit einem neuen Album an den Start geht, dachte ich: "Hey, stimmt, von Juli hat man echt schon lange nichts mehr gehört." Für mich fühlt sich das fast wie ein Comeback an - für euch auch?
Eva Briegel: Nein, das würde ich nicht sagen. Wir lassen uns ja zwischen den Alben immer relativ viel Zeit. Aber eigentlich arbeiten wir konstant weiter.
Diesmal waren es dann aber doch ganze neun Jahre. Hattet ihr geplant, eine so lange Auszeit zu nehmen?
Nein, gar nicht! Wie wahrscheinlich den meisten Bands ist auch uns Corona ein bisschen in die Parade gefahren. Das hat viele unserer Zeitpläne in den letzten zwei, drei Jahren durcheinandergewirbelt. Und davor? Na ja, wir sind fünf Leute und alle haben nochmal fünf Gründe für das, was sie tun oder nicht tun. Oder zwölf … (lacht)
Gut Ding will Weile haben …
Ja, das Ganze entsteht bei uns sehr organisch. Da gibt es immer mal wieder Rückschritte, aber auch gute Fortschritte. Zwischendurch gab es auch mal Phasen, in denen wir dachten: "So jetzt haben wir eigentlich genug Songs zusammen." Dann kam aber die Frage auf: "Wollen wir sie jetzt wirklich so veröffentlichen? So haben wir es uns eigentlich dann doch nicht vorgestellt." Auch der Musikmarkt hat sich ja verändert und wir müssen gucken, wie wir uns da verorten. Also haben wir noch einmal neu aufgenommen und ein bisschen gewartet, bis wir sagen konnten: "Ja, so passt es jetzt wirklich. Das ist Juli hier und heute."
Im Song "Die besten Dinge" auf dem Album erwähnt ihr die "Sportis". Auch die Sportfreunde Stiller haben sich vor Kurzem nach längerer Pause zurückgemeldet. Uns haben sie erzählt, dass sie zwischenzeitlich davorstanden, sich als Band zu verlieren. Gab es das bei euch auch?
Wenn man miteinander Musik macht, sitzt das immer mit am Tisch. Man setzt sich schließlich die ganze Zeit auseinander - auch über so grundsätzliche Fragen wie Geschmack. Es fällt jedem schwer zu sagen: "Ach, ich finde das Lied doof. Aber ich spiele es trotzdem für euch." (lacht) Immer müssen alle mit einem Stück grundsätzlich etwas anfangen können. Und weil das so fragil ist, gibt es natürlich immer die Gefahr, dass irgendwann einer sagt: "Hey Leute, ich würde gern mal was anderes machen."
Gab es das schon mal?
Wir haben es eigentlich immer so gehalten, dass wir das jedem freigestellt und gesagt haben: "Wenn du Bock hast, wieder bei uns mitzumachen, dann bist du herzlich eingeladen." Aber tatsächlich hat es sich nie ergeben, dass irgendetwas anderes für einen von uns besser oder attraktiver gewesen wäre. Klar, wir haben alle nebenbei auch noch andere Sachen gemacht - mal in anderen Bands gespielt oder für andere Leute Texte und Lieder geschrieben. Aber es war nie so, dass jemand komplett sein Herz an die andere Sache verloren hätte. Das war immer bei Juli - und wir sind alle geblieben.
Und das inzwischen auch schon seit über 20 Jahren. Seid ihr fünf nach all der Zeit auch noch befreundet oder ist es inzwischen eher eine professionelle Beziehung?
Ich würde sagen, wir sind heute mehr Freunde denn je. Wir sind ja in einer Kleinstadt gestartet. Dort gibt es einen überschaubaren Pool an Musikern, die etwa auf dem gleichen Level wie man selbst sind. Das geht dann so: "Wir haben jetzt eine Band und brauchen einen Schlagzeuger. Okay, dafür kommen jetzt folgende vier Personen in Frage…" (lacht) So haben wir zusammen Musik gemacht und uns letztlich auch kennengelernt. Erst über die Jahre haben wir uns sehr lieben gelernt und ins Herz geschlossen.
Inzwischen habt ihr ja auch wirklich viel Zeit miteinander verbracht …
Ja, wir haben nicht nur viel zusammen erlebt. Wir haben auch gemerkt, dass wir gemeinsam Schwierigkeiten überwinden und uns von ihnen nicht auseinanderbringen lassen. Ja, es gab schon mal Differenzen, bei denen man dachte: "Ich habe keinen Bock mehr, ich schmeiße den Job, ich ruf den nie wieder an." (lacht) Aber dann hat man festgestellt: "Wir haben aber nächste Woche ein Konzert. Okay, dann gehe ich halt doch zur Probe." Über die Musik rauft man sich dann doch irgendwie wieder zusammen.
Die Kleinstadt, die du erwähnt hast, ist Gießen in Hessen. Du wohnst jetzt schon lange in Berlin. Hast du noch einen Bezug zu deiner alten Heimat?
Ja, sehr. Also ich bin bestimmt … (überlegt) sechs Mal im Jahr da.
Du hast die längere Pause von Juli durchaus kreativ genutzt, zum Beispiel für ein Duett mit Sebastian Madsen: "Ich löse mich auf". Wie kam das?
Sebastian und ich sind schon lange befreundet. Eigentlich schon seit der Zeit, als unser Radio-Promoter uns damals eine CD von Madsen in die Hand gedrückt und gesagt hat: "Hört da mal rein, die betreue ich jetzt auch." Wir haben die CD im Tourbus eingelegt und waren alle Feuer und Flamme. Wir haben Madsen dann auf Festivals kennengelernt und sind seitdem befreundet. Sebastian mag, wie ich singe. Deshalb habe ich schon öfter für sie etwas eingesungen. Ich finde auch, dass das super zusammenpasst.
Auch dein Psychologie-Studium, das du 2004 zugunsten der Musik abgebrochen hattest, hast du wieder aufgenommen. War das eine offene Wunde bei dir, die du jetzt einfach mal schließen wolltest?
Ich wollte gerne etwas machen, dass mal nicht so viel mit Kunst und Kreativität zu tun hat. Da kam mir Psychologie gerade recht. Das ist als wissenschaftliches Studium relativ schwer, hat viel mit Mathe zu tun und man muss sehr genau und penibel arbeiten. Hinzu kommt: Ich bin ja jetzt schon ziemlich lange als Musikerin dabei. Inzwischen fragen mich junge Musikerinnen oder Musiker total oft: "Wie habt ihr das gemacht? Oder: Wie war das für dich?"
Und du würdest sie gerne besser beraten …
Ja, denn es gibt da durchaus einen Bedarf. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich mich gerne kümmern würde. Aber wenn ich mir wirklich anmaße, jemanden beraten zu wollen, will ich auch sagen können: "Ich weiß, was ich da tue." Ich will genauso wissen, wo meine Grenzen sind und nicht einfach nur sagen: "Ich bin übrigens Coach." Die Frage war dann, ob ich eher so Einzelausbildungen absolviere oder es mir von der Pike auf aneigne und später dann auch einen Titel und ein Diplom habe. Schließlich habe ich mich für Letzteres entschieden.
Hast du das Studium abgeschlossen?

(Foto: imago images / Future Image)
Auf der Suche nach Musik von Juli? Songs, Alben und Infos der Band gibt es auf RTL+ Musik.
Ja, den Bachelor.
Wie lief es?
Gut, wenn auch nicht so gut, dass ich gleich einen Master-Platz bekomme. Die Master-Plätze sind im Vergleich zu den Bachelor-Abschlüssen dünn gesät. Auch der NC ist sehr hoch. Das hat nicht ganz geklappt.
Es ist kein Geheimnis, dass du mit Andy Penn von Mia. liiert bist und mit ihm eine Tochter hast. Ist es eigentlich schwieriger, ein Familienleben zu koordinieren, wenn beide Eltern Rockstars sind?
Judith (Holofernes) von Wir sind Helden hat ja genau darüber gerade ein Buch geschrieben. Ich finde es nicht wirklich schwierig. Etwas problematisch ist es erst jetzt nach der Pandemie geworden. Jetzt wollen alle wieder auftreten - und das sind halt immer die gleichen Termine im Sommer oder an den Wochenenden.
Also ist es auch nicht anders, als wenn du mit einem Steuerberater zusammen wärst …
(lacht) Na ja, dadurch dass wir beide in der Unterhaltungsbranche sind, ist ein großer Teil unseres Jobs ja zum Beispiel, solche Interviews zu geben. Dann ist es manchmal schon komisch, wenn man nach Hause kommt und beide in so einer Art Interviewmodus sind. Da ist es wichtig, mal zurückzutreten, so dass jeder auch von sich erzählen kann. Vielleicht gibt ein Steuerberater von sich aus dem Gegenüber mehr Raum, indem er sagt: "Ach ja, mein Partner, der Künstler." Ich glaube, Harald Schmidt hat mal gesagt: "Eine glückliche Künstlerfamilie lebt auch davon, dass der Künstler möglichst viel weg ist."(lacht)
Kommen wir mal zu eurem neuen Album. "Der Sommer ist vorbei" heißt es - und es erscheint im April. Wo ist da der Sinn?
Der Sinn liegt darin, dass wir uns einfach nicht mehr so kirre machen. Simon (Triebel, Gitarrist von Juli)war diese Symbolik lange sehr wichtig. Unser erstes Album "Es ist Juli" sollte natürlich am besten im Juli rauskommen. Ebenso wie eine neue Single von uns. Mit der Plattenfirma wiederum gab es so Diskussionen wie die, dass eine Ballade doch angeblich besser in den Herbst passt. Mag sein, aber dann gibt es ja auch immer wieder Sachzwänge, die dazu führen, dass Dinge verschoben werden. Irgendwann kommst du an den Punkt, an dem du dich fragst: "Ist das nicht einfach egal?"
Hinter der Albumveröffentlichung im Frühling liegt also keine tiefere Absicht …
Doch, das ist schon eine Metapher. Im Prinzip geht es darum, dass sich der Kreis schließt von "Es ist Juli" zu "Der Sommer ist vorbei". Das drückt auch unser momentanes Gefühl mit der Band aus. Wäre das Album jetzt auch noch im Herbst erschienen, wäre das halt ein zusätzlicher Gag gewesen. Aber letztlich ist es egal, ob die Jahreszeit nun zum Titel passt oder nicht.
Ich kann mir vorstellen, dass die Arbeit an dem Album gerade zur Corona-Zeit nicht so einfach war. Wie sind die Songs entstanden?
Wir waren tatsächlich unsere Kontaktpersonen. Nicht wir alle, weil unser Bassist in der Pfalz wohnt. Aber unsere Gitarristen hatten sich gegenseitig als Kontaktpersonen ausgesucht. Das war eigentlich ganz gut. So haben sie sich häufiger getroffen - wen hätten sie auch sonst treffen sollen? Ich bin dann immer mal wieder dazugekommen. Dann haben wir uns zusammengesetzt und auch mal einfach nur viel geredet. Auch wenn wir an diesen Tagen nicht großartig produktiv waren, sind wir so wieder eng zusammengekommen. Ich finde, das merkt man an den Songs, die dann entstanden sind. Sie sind ganz fest mit dem verknüpft, was die Band ausmacht.
Eure Songs waren schon immer von einer gewissen Nostalgie und Melancholie geprägt. Auch auf dem neuen Album dreht sich fast alles um vergangene Zeiten, Abschiede oder Sinnsuche. Fast ein bisschen schwermütig - im besten Sinne. Würdest du mir widersprechen?
Bei unseren früheren Alben hätte ich dir widersprochen. Okay, die Lieder, auf denen der Fokus lag, waren etwas schwermütig und rückwärtsgewandt. Aber da gab es auch sehr viele Lieder nach dem Motto "Hoch die Tassen". Fifty-fifty, würde ich sagen. Allerdings wollen die Leute von uns offenbar genau dieses Schwermütige - sonst hätte ja der Fokus nicht so sehr auf diesen Stücken gelegen.
Auf "Der Sommer ist vorbei" ist es aber dann doch nicht fifty-fifty …
Das stimmt. Manchmal erzählt dir so eine fertige Platte natürlich auch was über dich selbst. Ich persönlich setze mich nicht hin und sage: "Ich schreibe jetzt ein schwermütiges Lied oder einen Song über früher." Meistens ist es irgendein Satz mit einer bestimmten Betonung, der einem zufliegt und etwas in einem zum Schwingen bringt. Der Idee folgen wir dann und in 30 Prozent der Fälle kommt dabei auch ein Lied heraus. (lacht) Wenn dann das Album fertig ist, sitzen wir ähnlich da wie du und stellen fest: "Wir singen ganz schön viel über früher."
Hast du dafür eine Erklärung?
Vielleicht liegt es daran, dass wir uns selbst so sehr darüber wundern, als Band auf diese Geschichte zurückzublicken. Auf jeden Fall sind wir jetzt im richtigen Alter für diese Texte - anders, als wenn wir mit Anfang 20 darüber gesungen haben, dass die guten, alten Zeiten vergangen sind. (lacht) Jetzt ist es so weit, dass wir das auch wirklich glaubhaft machen können.
Fast ein bisschen symptomatisch ist der Song "Traurige Lieder". "Nichts macht mich so glücklich wie traurige Lieder", singst du darin. Ist das so?
Ja. Also zumindest wären auf einer Playlist mit den Stücken, die mir am wichtigsten sind und die ich oft gehört habe, hauptsächlich traurige Lieder. Natürlich höre ich im Fitnessstudio oder so auch nicht die ganze Zeit trauriges Zeug, sondern Musik, die mich motiviert. Aber Lieder, die mir etwas bedeuten, sind eigentlich immer traurig.
Ein anderer Song auf dem Album, der auch vorab als Single veröffentlicht wurde, ist "Fette wilde Jahre". Was sind denn für dich die fettesten und wildesten Jahre?
Die kommen hoffentlich noch. Aber in dem Stück geht es so ein bisschen um die Jahre 2000 bis 2007. Nicht nur die Jahre, in denen es mit der Band gerade losging, sondern auch die Zeit davor, in der das alles erstmal nur ein großes Versprechen war. Die Zeit, in der uns Universal einlud, um fünf Songs in einem richtigen Studio mit einem richtigen Produzenten aufzunehmen. Damals dachten wir: "Das kann uns keiner mehr nehmen."
Vor Kurzem warst du zwar Teil des Kika-Formats "Dein Song". Aber im Gegensatz zu vielen deiner Kolleginnen und Kollegen hat es dich bisher noch nie in Shows wie "Deutschland sucht den Superstar", "The Voice of Germany" oder auch nur "Sing meinen Song" gezogen. Woran liegt das?
Ich erinnere mich noch daran, wie das mit diesen Shows losging. Damals habe ich schon gedacht: "Puh, das ist ja ein ganz anderes Genre." Ich sehe das nicht so richtig als meinen Job. Ich bin Musikerin, singe gern und finde es auch lustig, mit den Jungs rumzufahren und Interviews zu geben. Im Fernsehen zu sitzen und unterhaltsam zu sein, macht mich dagegen bei weitem nicht so glücklich wie auf der Bühne zu stehen und live zu spielen. Ich würde mich deshalb in solchen Shows fehl am Platz fühlen. Und irgendwie ist das auch nicht meine Art von Kunst …
Inwiefern?
Für mich können in Kunst und Musik auf jeden Fall alle nebeneinander stehen. Jeder hat seine Einzigartigkeit. Ich habe jedoch das Gefühl, dass das in diesen Shows nicht honoriert wird. Da geht es stattdessen ums "besser" sein oder darum, den "besten" Sänger zu finden. Für mich hat Kunst aber nichts damit zu tun, am Ende einen Gewinner zu haben. Ich weiß auch gar nicht, was danach mit ihnen eigentlich passiert. Aber nicht falsch verstehen! Ich will niemanden diskreditieren. Das ist eine eigene Art von Entertainment, auf die man aber Bock haben muss, glaube ich.
Kommen wir zum Schluss noch einmal zurück zum Albumtitel. "Ob es Julis letzte Platte ist?", orakelt eure eigene Plattenfirma in die Worte "Der Sommer ist vorbei" hinein. Also ganz direkt gefragt: Ist es eure letzte Platte?
Nein! Natürlich nicht! Manche Bands machen ja 15.000 Abschiedstouren, damit die Leute kommen. Aber nein, nein, nein. Bei uns kann ich mir das nicht vorstellen. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht noch eine Platte machen sollten.
Mit Eva Briegel von Juli sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de