"Wir waren völlig furchtlos" Mit Jimmy Page auf Zeitreise
16.09.2016, 11:58 Uhr
1968 gegründet und heute Kult: Led Zeppelin.
(Foto: Warner Music Group)
Ihre Reunion steht immer noch aus, aber Gitarrist Jimmy Page hält das Phänomen Led Zeppelin weiterhin am Leben. Zur Neuveröffentlichung der "BBC Sessions" aus den Anfangstagen der Band traf n-tv.de den Schöpfer von "Stairway to Heaven" in London.
n-tv.de: Wir schreiben das Jahr 1969, die Stadt ist London. Woran denken Sie als erstes?
Jimmy Page: Wir haben unser Debüt-Album veröffentlicht, das zweite ist im Entstehen. Wenn ich an das Jahr denke, dann daran, wie pickepacke voll es war: Komponieren, an Songs arbeiten, aufnehmen. Die Promo für die Band, Shows spielen. Das Ganze in einem unwahrscheinlichen Tempo, in so hoher Schlagzahl.
Haben Sie damals direkt in London gewohnt?
Ich lebte zu der Zeit in Pangbourne, westlich von London. Unmittelbar an der Themse wohnte ich in einem ehemaligen Bootshaus, wo wir zudem auch mit Led Zeppelin für das erste Album geprobt haben.
Wie fanden die Nachbarn das?
Ach, da hatten wir keine Probleme. Es war nicht allzu groß von der Fläche her, aber ziemlich hoch und hatte einen brillanten Raumsound.
Im März des Jahres 1969 spielten Led Zeppelin die erste von fünf BBC Sessions. Wie kam es dazu? Hat der Sender bei Ihrem Manager Peter Grant angerufen?
Ich denke eher, dass Peter Grant bei der BBC angerufen hat. Er hat damals mit dem Produzenten Mickie Most, einem der größten Hitlieferanten der Dekade, zusammengearbeitet. Der hatte Bands wie Herman's Hermits und ein paar andere zahme Popbands bei den Sessions platziert. Bei uns war das so: Wir hatten ein erstes Album draußen, das Ganze in so verschiedenen Stilen und Klangfarben angelegt. Wir wussten, dass es in den USA einschlagen würde und die Radio-Stationen die Songs spielen würden. In Großbritannien sah das anders aus. Hier spielten sie nur das Popzeug, alles "middle of the road". Obwohl nicht mal das, vielmehr "end of the road". (lacht) Der Punkt bei Led Zeppelin war: Wir machten keine Singles. Ich hatte bei den Yardbirds erlebt, wie Singles die Band auseinanderbringen. Das wollte ich nicht nochmal erleben. Was also tun, um die Songs ins Radio zu bekommen? Live im Sender spielen. In den USA spielten sie ganze Alben im Radio. Hier konntest du noch so viele erfolgreiche Clubshows spielen - ohne Singles kein Airplay.
Bedenken wegen der besonderen Live-Situation gab es eher nicht …
Wir waren völlig furchtlos. Wir wussten, wie gut wir waren und konnten uns blind aufeinander verlassen. Wir konnten da einfach reingehen und abliefern. Nimm' einen Track wie "Communication Breakdown", der so punchy und hart ist. Oder auch ein beinah klassisch angelegtes Stück wie "Dazed and Confused". Uns war klar, dass es die Hörer umhauen würde, wenn sie so etwas live im Radio hören.
Die erste Session fand ohne Publikum statt.
Viele dieser Sessions waren ursprünglich reine Studio-Produktionen. Später gab es dann den "One Night Stand", eine Konzertreihe mit Publikum, was aber auch nicht immer ideal war. Du spielst ein paar Stücke, dann gibt es Smalltalk mit den Zuschauern. Das war nicht so unser Ding. Wir wollten spielen und durchziehen, Spannung aufbauen. Erst das letzte Konzert für die BBC, April 1971, war ein richtiges, volles Konzert.
Wie kamen die Herren von der BBC mit dem Drum-Sound von John Bonham klar?
Einer der Engineers erzählte mir damals, er hätte das Schlagzeug auf dem Weg zum Sender schon gehört, da war er noch ein paar Häuserblocks entfernt. Die Sache mit Bonhams Sound hatte eh kaum etwas mit der Produktion zu tun. Ich habe nie einen anderen Schlagzeuger kennengelernt, der die Lautstärke allein mit seiner eigenen Akustik aufbaute. Sein Punch war so unglaublich, im selben Moment konnte er aber auch wieder ganz leicht spielen. Er machte alles aus dem Handgelenk, das machte seinen Beat so organisch, aber eben auch so "beefy". Die Bassdrum klang wie eine Kanone. Die Jungs von der BBC hatten so etwas noch nie zuvor gehört.
Die BBC war zu jener Zeit nicht eben der Heilige Gral des Rock'n'Roll. Mit Led Zeppelin aber probierte man sich an moderneren Sounds.
Die Produzenten waren schon sehr vielseitig. Definitiv. Die konnten mit Big Bands arbeiten genauso wie mit komplexen Streicher-Arrangements oder eben kleineren Popbands. Sie gingen bei der BBC in die Lehre, waren Teil des Systems. Sie hörten sich unsere Platten an und hatten zwei Möglichkeiten: Mit den Schultern zucken oder sich das ganze draufschaffen. Und das waren Profis ebenso wie wir. Exzellente Leute, die danach dann folgerichtig befördert wurden. Das Problem war nur: Die wurden dann nicht unbedingt richtige Musikproduzenten. Die blieben beim Sender und übernahmen eine erfolgreiche Garten-Sendung.
Seitens der Band war man so entspannt, dass man bei diesen Sessions dann sogar neues Material entwickelte …

Die unter der Regie von Jimmy Page neu gemasterten "BBC Sessions" sind ab sofort in verschiedenen Versionen erhältlich.
(Foto: Warner Music Group)
Wir fühlten uns komplett frei. Wir hatten einen Riesenspaß. Der Song "Sunshine Woman", lange verschollen und jetzt zum ersten Mal veröffentlicht, ist live im BBC-Studio entstanden.
Kritiker halten die 1971er Aufnahme für das beste Live-Album von Led Zeppelin. Ihre Meinung?
Nun ja, Kritiker halt. Lass uns mit denen gar nicht erst anfangen.
Warum gab es später keine Sessions mehr von Led Zeppelin?
Es hatte seinen Zweck erfüllt und wir hatten danach anderes im Sinn. Wir dachten an Film-Arbeiten.
In den letzten Jahren haben Sie die Studio-Alben überarbeitet, diesmal die Sessions. Ist das der endgültige Schritt weg vom Gitarristen hin zum Produzenten?
Ich war ja immer beides. Daran wird sich nichts ändern. Die Leute haben das oftmals nicht auf dem Schirm.
Was kommt als nächstes? Es gibt Gerüchte um Yardbirds-Aufnahmen.
Vielleicht.
Wie schaut es mit Konzerten aus?
Vielleicht.
Die Aufnahmen sind Zeugnis einer sehr bewegten Zeit in der Karriere der Band. Drei Studio-Alben, Konzerte, Touren, BBC Sessions. Wann haben Sie überhaupt geschlafen?
Das habe ich mich schon bei der Arbeit an den Boxsets gefragt. All diese Zeitpläne zu lesen, war der Wahnsinn. Ich glaube, ich habe zu der Zeit ein Jahr lang nicht geschlafen. Ich merke die Folgen heute noch. (lacht)
Mit Jimmy Page sprach Ingo Scheel
"Led Zeppelin - The Complete BBC Sessions" bei Amazon bestellen
Quelle: ntv.de