"Den Stempel hab' ich" So himmelblau mit Anna-Maria Zimmermann
10.06.2017, 17:31 Uhr
Wagt den Spagat zwischen Schlager und Partymusik: Anna-Maria Zimmermann.
(Foto: Mewes Produktions GmbH / Frank Fastner)
Anna-Maria Zimmermann macht uns "Himmelblaue Augen". Auf Mallorca grölen den Song schon alle mit, doch auch ihr neues Album wird zum Hit. Mit n-tv.de spricht Zimmermann über den Ballermann, Sternzeichen, DSDS und das Leben sieben Jahre nach ihrem Unfall.
n-tv.de: Im Booklet zu deinem neuen Album "himmelbLAu" befindet sich ein Dank an deinen Produzenten: Wenn zwei Schütze-Menschen kreativ zusammenarbeiten würden, könne es nur gut werden. Glaubst du an Sternzeichen?
Anna-Maria Zimmermann: Ja, schon irgendwie. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, dass bestimmte Sternzeichen nicht zusammenpassen. Aber ich finde es spannend, dass sich die Charaktereigenschaften eines Sternzeichens dann doch oft ein bisschen in den Menschen widerspiegeln.
Vom Charakter her sollen Schützen angeblich offen, optimistisch und neugierig sein, aber auch impulsiv, cholerisch und chaotisch …
Das passt alles zu mir! Ich fahre manchmal tatsächlich zu schnell aus der Haut. Aber zugleich bin ich auch ein offener Mensch. Es ist ein wenig erschreckend, aber es stimmt schon alles ein Stück weit.
Für deine Offenheit spricht zum Beispiel, dass du in einer Fernsehshow von Carmen Nebel ebenso auftrittst wie auf einem Schützenfest in deiner Heimat oder am Ballermann …
Stimmt, ich bin überall unterwegs.
Wo fühlst du dich zu Hause?
Das kann ich gar nicht sagen. Für mich ist es schön, genau den Spagat zwischen Schlager und Partyprogramm zu schaffen. Ich passe in kein Klischee. Dadurch kann ich wirklich überall auftreten - und gerade das macht es für mich spannend und abwechslungsreich.
Für die Besucher ist der Ballermann zwar eine Partymeile, aber als Künstler ist das ein echt harter Job. Du bist jetzt seit neun Jahren dort im Geschäft. Wie sehr zehrt das an einem?

Zimmermann fühlt sich auch am Ballermann durchaus wohl.
(Foto: Mewes Produktions GmbH / Frank Fastner)
Was natürlich etwas an einem zehrt, ist die Fliegerei. Man fliegt einmal die Woche rüber, macht seinen Auftritt, schläft kurz und fliegt mit der Frühmaschine wieder zurück nach Deutschland, wo am Wochenende schon die nächsten Jobs auf einen warten. Aber ansonsten zehrt das gar nicht an mir. Es ist schon ein ziemliches Vorurteil, dass am Ballermann alles so hart sei. Wenn ich mich dort nicht wohlfühlen würde, würde ich es nicht machen. Und wenn es irgendwann mal nicht mehr so sein sollte, schließt sich vielleicht auch mal das Mallorca-Buch in meinem Leben. Dann kann ich aber auf viele Jahre dort zurückblicken.
Auf jeden Fall kann ich mir vorstellen, dass man nicht allzu chaotisch, sondern ziemlich diszipliniert sein sollte, wenn man dort auftritt. Bist du das?
Ja, total. Ich gehöre nicht zu denen, die vor oder nach dem Job noch groß Party feiern würden. Natürlich müssen alle Fans happy sein. Deswegen nehme ich mir viel Zeit für Autogramme, Fotos oder ein paar Gespräche. Aber danach ziehe ich mich schnell zurück. Ich weiß ja, was am nächsten Tag schon wieder auf dem Plan steht.
Kommen wir zum Optimismus: Ohne den hättest du dich nach deinem Unfall sicher nicht wieder derart gut zurückgekämpft …
Ich glaube, das hat nicht nur mit Optimismus zu tun. Das liegt auch an einer starken Familie, an einem tollen Rückhalt, an tollen Freunden, an einem tollen Mann - das sind viele Puzzleteile, die ineinandergreifen und einen stabil machen. So schafft man es, immer wieder nach vorne zu gucken und weiterzumachen.
Mittlerweile ist es fast sieben Jahre her, dass du mit dem Helikopter abgestürzt bist. Als Beobachter fällt es einem schwer, das zu vergessen ...
Ja, den Stempel hab' ich.
Wie ist das bei dir? Ist das so traumatisch, dass du nach wie vor jeden Tag daran denkst?

Würde man sie nicht fragen, würde sie an ihren Unfall gar nicht mehr denken.
(Foto: Mewes Produktions GmbH / Frank Fastner)
Nein. Würde ich nicht so in der Öffentlichkeit stehen, würde ich gar nicht mehr daran denken. Aber klar, jetzt, wenn ein neues Album erscheint, werde ich in jedem Gespräch wieder darauf angesprochen. Natürlich hat es bei mir eine Zeit lang gedauert, damit abzuschließen. Aber seit ein, zwei Jahren mache ich mir gar keine Platte mehr darum - auch wenn mein Arm mich immer wieder daran erinnert. Das ist allerdings schon irgendwie normal geworden und gehört dazu. Und ich denke mir deshalb nicht jedes Mal: "Ach, wie schrecklich."
Die Lähmung deines linken Arms ist ja die schlimmste körperliche Folge des Unfalls. Es hieß, du würdest ihn nie mehr bewegen können. Neulich hat ein Magazin allerdings getitelt, es habe sich geradezu ein kleines medizinisches Wunder bei dir ereignet …
(lacht) Diese Überschrift war wirklich der Oberkracher. Seitdem sind echt Leute zu mir gekommen und haben mir gratuliert, dass mein Arm wieder funktioniert. Und ich dachte mir: "Was?! Okay, davon habe ich noch gar nichts gemerkt." (lacht) Was ich tatsächlich gesagt habe, ist, dass es in den vergangenen fast sieben Jahren natürlich ein paar Fortschritte gegeben hat.
Inwiefern?
Es dauert einfach eine gewisse Zeit, in der man Ruhe bewahren muss. Ich kann mir mit dem Arm immer noch keine Gabel an den Mund führen, aber inzwischen ist wieder etwas Gefühl in ihm. Ich kann die Hand schließen - aber nicht von selbst öffnen. Deshalb trage ich jetzt im Alltag eine Schiene. Ich nenne sie liebevoll meine Roboterhand. Sie sorgt dafür, dass sich die Hand wieder öffnet. Das war es, worüber das Magazin geschrieben hat. Das ist aber kein medizinisches Wunder, sondern einfach nur ein tolles technisches Hilfsmittel. Zum Glück ist die Technik 2017 so weit, dass es so coole Sachen gibt, die Menschen wie mir das Leben etwas erleichtern.
Du hast in einigen Interviews sehr offen darüber gesprochen, wie sehr du nach dem Unfall von Schmerzmitteln abhängig wurdest. Du wurdest sogar mit den Worten zitiert, das Morphium wieder abzusetzen, sei das Schlimmste am ganzen Unfall überhaupt gewesen …

Wieder vom Morphium loszukommen, war ein schwieriger Prozess für sie.
(Foto: Mewes Produktions GmbH / Frank Fastner)
Das stimmt - und das habe ich auch tatsächlich so gesagt. Es war auf jeden Fall das Nervigste am ganzen Unfall. So etwas setzt man nicht von heute auf morgen ab. Das ist ein langer Prozess, der mit viel schlechter Laune, Schweißattacken und Unwohlsein einhergeht. Für meine Familie und mein Umfeld war ich zeitweise echt unerträglich. Es war ein langes und schreckliches Jahr, bis ich davon weg war. Danach habe ich mich von einer wahnsinnigen Last befreit gefühlt.
Machst du den Ärzten wegen des Morphium-Einsatzes Vorwürfe?
Nein, weil es letztendlich medizinisch nicht anders machbar war. Ich war so mit Schmerzmitteln vollgepumpt, dass es hieß, davon würden zwei Elefanten zwei Wochen lang durchschlafen. Da blieb keine Alternative, als auf Morphium zu gehen. Die Ärzte meinten es gut mit mir und mussten mir das geben.
Die Menschen kannten dich zur Zeit des Unfalls nicht zuletzt deshalb, weil du fünf Jahre zuvor an "Deutschland sucht den Superstar" teilgenommen hattest. Anders als viele andere Teilnehmer oder sogar Gewinner von DSDS hast du es geschafft, im Musikgeschäft Fuß zu fassen. Wie erklärst du dir das?
Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich nicht gewonnen habe. Die Gewinner werden so schnell ausgepowert - überall, in allen Magazinen, Zeitungen und Radiosendungen. Man wird dort totgespielt. Und in nur einem Jahr werden alle Geschichten aus deinem Leben offengelegt. Dadurch bist du jedoch nach einem Jahr auch total uninteressant. DSDS war für mich eine tolle Startrampe. Aber danach musste ich kämpfen. Mir wurde nichts in den Schoß gelegt. Ich habe für jeden Erfolg hart gearbeitet und musste dazu manche Stolpersteine nehmen. Das macht einen auch stolz. Ich glaube, viele scheitern daran, dass sie diese Kraft nicht aufbringen.
Verfolgst du DSDS heute noch? Kennst du den aktuellen Gewinner?
Samstagabend ist es für mich in der Regel schwierig, fernzusehen. Deshalb verfolge ich das nur grob. Aber ich habe das diesjährige Finale am Sonntagmittag in der Wiederholung geguckt, während ich am Kofferpacken war. Der Gewinner ist toll, doch was letztlich daraus wird, weiß man nicht. Er muss hart an sich arbeiten und kämpfen, um coole Live-Jobs zu kriegen. Aber ich gönne da jedem alles.
Eine der wenigen DSDS-Gewinnerinnen, die es auch geschafft hat, ist Beatrice Egli. Und das auch mit deutschem Schlager, der ja lange vollkommen out erschien. Weshalb ist diese Musik deiner Ansicht nach inzwischen wieder so angesagt?
Mal ehrlich: Eigentlich waren doch alle schon immer Schlagerfans. Die jungen Leute konnten jeden Text mitsingen, haben sich nur nicht geoutet, weil Schlager uncool und nicht zeitgemäß erschienen. Ich glaube, letztlich hat jemand wie Helene Fischer dafür gesorgt, dass die jungen Leute wieder gemerkt haben, dass Schlager auch sexy, modern, jung und total cool sein können. Und ich glaube, davon profitieren wir alle ein bisschen.
Wie es der Zufall will, hat ja auch Helene Fischer gerade erst ihr neues Album veröffentlicht. Hast du dir das gekauft?
Ja. Und ich habe es mir gestern noch im Auto angehört. Es gibt in der Schlagerszene so sieben oder acht Künstler, bei denen ich wirklich neugierig bin, wenn sie ein neues Album herausbringen.
Zu deinem Album "himmelbLAu" hast du dich nicht zuletzt in Los Angeles inspirieren lassen (die beiden Großbuchstaben "LA" im Titel stehen dafür). Wie kam es dazu?
Wir saßen im Februar zusammen und wussten, dass das Album im Mai herauskommen soll. Der Albumtitel "himmelbLAu" stand auch schon fest. Wir brauchten also einen himmelblauen Himmel. Hierzulande ist das im Februar ja doch eher schwierig. (lacht) Mein Manager macht auch das Management von Siegfried und Roy und ist deshalb oft in den USA. Er sagte: "Wir müssen nach Los Angeles fliegen. Nirgends ist der Himmel himmelblauer als dort." Das habe ich mir natürlich nicht zweimal sagen lassen. Wir sind deshalb für ein Fotoshooting und den Videodreh zur Single "Himmelblaue Augen" dorthin geflogen. Das waren fünf anstrengende, aber auch großartige Tage.
An den Songs auf dem Album haben einige echte Schwergewichte der Schlagerszene mitgewirkt. Zwei Lieder stammen etwa aus der Feder von Wolfgang Petry, bei drei weiteren Songs hat Bernd Meinunger den Text geschrieben. Wie ist die Zusammenarbeit entstanden?
Es kann schon mal vier Alben dauern, bis auch solche Songwriter auf dich aufmerksam werden und Lust bekommen, für dich einen Song zu schreiben. Letztendlich liegt es aber natürlich auch an einem guten Produzenten, der die entsprechenden Kontakte hat. So kriegt man dann irgendwann Songangebote, bekommt Demos und führt Telefonate, in denen man bespricht, in welche Richtung man gehen möchte. Die Songs kommen nicht fix und fertig reingeflogen. Es wird viel geändert, gestrichen, an Melodieverläufen oder den Texten gearbeitet.
Die Single "Himmelblaue Augen" kombiniert tatsächlich Blasmusik mit Party-Beats. Das klingt echt gewagt …
Ja, wir haben uns auch gedacht: Entweder kommt die Nummer richtig gut an oder gar nicht. Zum Glück kommt sie gut an. Das zeigt, dass die Leute einfach auch für einen etwas anderen Sound im Schlager bereit sind. Wir fanden jedenfalls genau diese Mischung witzig. Im ersten Moment denken sich wahrscheinlich viele: "Was macht sie denn jetzt? Volksmusik?" Aber dann wird es doch wieder total peppig, uptempo, discomäßig, jung und frech.
Du bist seit zwei Jahren verheiratet. Hat dein Mann auch himmelblaue Augen?
Ja, hat er. Das passt perfekt.
Am Ballermann soll das Lied schon jetzt als potenzieller Hit des Jahres gehandelt werden. Was bedeutet dir das?
Ach, das sei mal dahingestellt. Ich freue mich einfach, dass wir einen Song gefunden haben, der nicht nur am Ballermann gut ankommt, sondern den ich auch bei Florian Silbereisen in einer Samstagabendshow spielen darf. Den richtigen Song zu finden, ist bei meinem Spagat zwischen Schlager und Partymusik immer noch ein bisschen schwieriger.
Hast du selbst schon einen Sommerhit, der dir nicht mehr aus dem Kopf gehen will?
Nee, noch nicht so richtig. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich gerade so mit meinem Album beschäftigt bin, dass ich den ganzen Tag nur meine eigenen Songs höre. (lacht)
Mit Anna-Maria Zimmermann sprach Volker Probst
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Quelle: ntv.de