Mit Thomas Dybdahl im Bahnhof Zwischen Strohhut und Haute Couture
01.03.2017, 18:22 Uhr
Wer es mag mag es. Wer nicht, der nicht.
Thomas Dybdahl wartet am Hauptbahnhof in Berlin - er ist theoretisch in Eile, strahlt aber die Ruhe in Person aus. Er trägt einen Sommerhut und seinen Gitarrenkoffer. Man möchte sich am liebsten mit in den Zug setzen, denn es kann wohl kaum einen angenehmeren Gesprächs- oder Reisepartner geben als Thomas Dybdahl. Er wirkt so kultiviert. So nordisch-nobel. Wir sprechen über sein neues Album "The Great Plains", das so viel Lebensfreude ausstrahlt.
n-tv.de: Ein Strohhut, du Optimist!
Thomas Dybdahl: Naja, ich bin immerhin in den Süden gereist. Was jetzt keine so große Kunst ist, wenn man in Norwegen startet.
Aber Frühling sieht anders aus.
Stimmt, ich glaube sogar in Norwegen ist gerade besseres Wetter als hier (lacht).
In deiner Heimat bist du ein Pop-Star - im Rest der Welt das am schlechtesten gehütete Geheimnis aus Norwegen. Wie können wir das ändern?
(lacht) Wenn ich das wüsste! Ehrlich, keine Ahnung. Aber wenn ich länger darüber nachdenke (zögert) … vielleicht will ich es ja gar nicht ändern. Vielleicht brauche ich aber einfach mal nur diesen einen, ganz speziellen Song, der es schafft, auch die zu erreichen, die mich und meine Art von Musik noch nicht kennen (lacht). Ich bin ja nicht unglücklich mit meinem Leben! Jetzt mal ehrlich: Es ist wirklich schwer, genau den Geschmack zu treffen, der in einem bestimmten Land gerade vorherrschend ist. Und außerdem: Will man das denn? Ich weiß es gar nicht.
Das heißt, dass du, während du an einem Song arbeitest, nicht darüber nachdenkst, wie das Lied ankommt.
Natürlich nicht! Natürlich denke ich nicht darüber nach, wem das wie und wo und wann gefallen könnte. Ich hoffe, dass es gefällt, aber das ist auch schon alles. Es gibt sicher Techniken, die einem eher garantieren, dass man einen Hit landet, aber ich arbeite mich eben gern dumm und dämlich (lacht).
Wer es mag, mag es, wer nicht, der eben nicht.
Ja, genau. Aber natürlich ist es was anderes, wenn man mit einem Produzenten zusammen arbeitet. Der hat schon eher den Hit im Kopf. Aber ich könnte so nicht schreiben, das würde in einer Katastrophe enden.
Du warst immerhin für den Grammy nominiert, letztes Jahr …
Ja, das hält alles am Laufen, das ist richtig, aber es macht nichts wirklich mit einem. Außerdem war die Kategorie etwas "nerdy" … (lacht)
Nerdy?
Ja, "Sound and Production". Was für mich persönlich der Hammer ist, was aber für die Öffentlichkeit nicht so interessant ist. Das verhilft einem jetzt nicht unbedingt zum Durchbruch.
Dann macht die nächste Aussage es auch nicht einfacher: "Die Musik Thomas Dydahls erinnert an Haute Couture", habe ich irgendwo gelesen.
An "Haute Couture"? Echt? Hm, das soll wohl heißen, ist nicht für jeden. Dann ist das wohl so: Meine Musik ist für denjenigen, der sich überdurchschnittlich für Musik interessiert. Damit kann ich sehr gut leben. Ich müsste wohl mehr ins Fernsehen und ins Radio, wenn ich mehr, wenn ich andere erreichen wollen würde. Ich weiß gar nicht, ob ich das schaffe.
Dein neues Album heißt "The Great Plains" - wo finden wir die, wo findest du die? In Amerika, wo es ja gemeinhin unendliche Weiten gibt, oder doch eher in Norwegen?
Oder in meinem Kopf (lacht)? Ich muss gestehen, dass ich dabei nur an mich gedacht habe. Ich bin ein sehr beständiger Typ, ich mag, wenn alles seine Ordnung hat und der Alltag einfach läuft. Und ich mag es, wenn ich eine gute Aussicht habe, wenn Platz vor mir ist, Weite.
Dein Album hast du wieder in Norwegen aufgenommen, nach einem Ausflug letztes Mal in die USA. Ist das wichtig für dich, in vertrauter Umgebung zu sein?
Naja, ich bin ja trotzdem nicht "zu Hause", obwohl ich schon sehr gern zu Hause bin (lacht). Aber es war wichtig für mich, in den Propeller Studios zu arbeiten. Und die Zusammenarbeit mit dem Produzenten Kare Vestrheim.
"Die Songs auf dem Album handeln zum großen Teil davon, dass man an einer bestimmten Stelle in seinem Leben ist und dann in den Spiegel schaut und plötzlich feststellt: Wer guckt mich denn da bitte an? Den Mann kenne ich ja gar nicht." Das hast du gesagt - ich meine, du bist erst 37, und man erkennt dich noch ganz gut.
Ja, aber man selbst erschreckt sich doch manchmal vor seinem eigenen Spiegelbild, kennst du das nicht? Wenn man jung ist, dann macht man sich ganz theoretische Vorstellungen von allem möglichen, und dann stellst du fest, dass du jetzt da bist, an der Stelle, die du dir vor gar nicht allzu langer Zeit noch vorgestellt hast. Ich dachte immer, ich wüsste ganz genau, wie ich mich in bestimmten Situationen verhalte, aber das stimmt nicht, ich weiß es nicht. Oder diese Dinge sind einfach noch nicht passiert.
Wird das Leben denn komplizierter, je älter man wird?
Ich denke schon. Es wird ja immer mehr. Man hat immer mehr im Kopf, mehr Erfahrungen. Außerdem reise ich sehr viel, bin oft unterwegs. Ich treffe ja sehr viele Menschen, das Leben wird größer, die Informationen immer mehr.
Gibt es eigentlich eine norwegische Musik-Szene, die auch norwegisch singt?
Ja, klar. Das wird gerade immer erfolgreicher. Es hört sich auch gut an.
Käme das für dich auch in Frage?
Ich weiß nicht, das käme mir erst einmal komisch vor, weil ich es nicht gewohnt bin. Und mein Publikum auch nicht. Wie soll ich es erklären? Ich glaube, dass die Sprache ein Instrument ist, und das Instrument, auf norwegisch zu singen, beherrsche ich einfach nicht so gut. Mein Instrument ist englisch, mit englischsprachiger Musik bin ich aufgewachsen.
Mit Thomas Dybdahl sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de