"Sing meinen Song" Drei Punkakkorde für eine Schachtel Kleenex
07.05.2024, 22:33 Uhr Artikel anhören
Gegen Schmerz und Trauer hilft Zusammenhalt.
(Foto: RTL Markus Hertrich)
Der dritte "Tauschkonzert"-Abend startet mit einem musikalischen Punkrock-Feuerwerk. Dann aber sorgen Trauer und Schwermut für einen Stimmungswechsel. Am Ende liegt sich das komplette Kandidatenknäuel schluchzend in den Armen.
"Wir tauchen heute ein in die Welt des Punk!", freut sich Rapper Eko Fresh wie ein kleines Kind kurz vor Heiligabend. "Star des Abends" Sammy Amara setzt derweil ein schelmisches Grinsen auf: "Ich bin gespannt, wie Broilers-Songs klingen, wenn man am Mikrofon die Töne richtig trifft", so der Punkrocker in der Runde. Mit einer gesunden Mischung aus Humor, Neugierde und Entspanntheit sammelt der Broilers-Frontmann Sympathiepunkte wie Cristiano Ronaldo Sportwagen. "Für mich bedeutet Punk zu sein, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen", erklärt der Sänger mit irakischen Wurzeln.
"Sing meinen Song" ist immer dienstags um 20.15 Uhr bei Vox zu sehen. Die Sendung ist außerdem auf RTL+ abrufbar.
Zwischen den musikalischen Beiträgen, die auch in Runde drei wieder viele Beifallsstürme entfachen, hört die Couchrunde diesmal ganz genau hin. Einer wie Sammy Amara hat aber auch viel zu erzählen. Es geht um die Geschichte der Oi!-Punk-Bewegung, um die eigenen musikalischen Anfänge und um eine 30-jährige Business-Achterbahnfahrt mit vielen spannenden Begegnungen. Es fallen Namen wie David Hasselhoff, Michael Jackson und Wolfgang "Wölli" Rohde. Sammy verrät, dass er beidseitig Tinnitus hat, daheim ganz viel Jazz hört und einen Menschen ganz besonders vermisst: seinen Vater. So fließen die ersten Tränen bereits vor dem ersten gespielten Song.
Tim Bendzko packt die Punkkeule aus
Als Johannes die Runde darüber aufklärt, dass sich sein Vater und der von Sammy viele Jahre kannten ("Sammys Dad war der Augenarzt von meinem Vater"), liegt ein Hauch von Schwermut in der Luft. Nicht nur Sammy trauert um seinen Vater. Auch Johannes hat erst kurz vor Drehbeginn seinen Vater verloren. Für einen Moment halten alle Anwesenden inne. Dann fasst sich Tim ein Herz und packt zur musikalischen Eröffnung des Abends die Punkkeule aus ("Nicht alles endet irgendwann"). Der Lockenkopf gibt sich auf dem unbekannten Soundterrain sichtlich Mühe, damit die Ehe zwischen watteweichem Deutschpop und kernigem Punkrock nicht zu schnell vor dem Scheidungsrichter endet.
Musik ist immer ein gutes Tool, wenn es um Heilung geht - auch an diesem Abend. Emilio bringt ganz viel Wärme und wabernden Sehnsuchtspop mit ("Verdammte Stille"). Eva kommt mit ihrem Engelsorgan, gezupften Gitarren und zarten Besenschlägen auf der Snare um die Ecke ("Nach Hause kommen"). Und "Tränenmann" Eko Fresh macht sich diesmal "für alle Hip-Hop-Familienväter" stark. Mit groovenden Reggae-Klängen zaubert der Rapper dem immer noch ein wenig angeschlagenen Sammy ein Lächeln ins Gesicht ("Die Beste aller Zeiten"). Kurz darauf ist aber auch schon wieder Schluss mit lustig.
Eine unbekannte Kraft zieht den Stecker
Johannes schnappt sich das Mikrofon und stimmt einen der wohl traurigsten Broilers-Songs an. "Ihr da oben" ist eine Ode an all die Menschen, die nicht mehr unter den Lebenden weilen. "Du packst deinen Koffer - du gehst auf die Reise - du nimmst deinen Hund - du gehst still und leise", singt Johannes, während seine Augen immer glasiger werden. In der zweiten Strophe zieht eine unbekannte Kraft den Stecker. Johannes stockt die Stimme. Der sonst so aufgeräumte Sänger steht kurz vor einem Zusammenbruch. Zwei Minuten später dann die Erlösung. Mit dem letzten Beckenschlag schleppt sich der völlig aufgelöste Host in die Arme des ebenfalls Rotz und Wasser heulenden Stars des Abends.
"Mich hat's hier gerade total erschossen!", schluchzt Sammy. Die bereitgestellte Schachtel Kleenex ist längst leer. Joy Denalane schließt den Abend mit einer prächtigen Soul-Hymne ("Ist da jemand?"). Natürlich geht die Protea diesmal an Johannes. Die Freude darüber hält sich in Grenzen. Zu schmerzhaft ist der Moment. Dann folgt die allabendliche Gruppenumarmung. Das hilft - zumindest ein wenig. So endet der "Punkabend" der Staffel mit schniefenden Nasen und verquollenen Augen. Manchmal kommt es anders, als man denkt.
Quelle: ntv.de