Der "Tatort" im Schnellcheck Ein ganzes Leben in einer Sekunde
17.09.2022, 15:44 Uhr
Ben Dellien, gespielt von Nicholas Reinke.
(Foto: SWR/Benoît Linder)
Die Stuttgarter Lannert und Bootz bekommen es in ihrem 29. gemeinsamen Fall mit einem Toten am Straßenrand zu tun, das Opfer einer klassischen Fahrerflucht. "Der Mörder in mir" ist mehr moralisches Psychogramm als Krimi, mit einem Täter auf dem Weg in den Abgrund.
Was passiert?
Nur noch mal schnell telefonieren, ein paar Sachen abklären, eine Hand am Steuer, die andere am Handy. Ben Dellien (Nicholas Reinke) ist doch fast schon zu Hause, wo seine hochschwangere Frau (Christina Hecke) auf ihn wartet. Doch der Regen wird immer dichter, die Fahrbahn kaum zu sehen. Da kracht es plötzlich vorn am Wagen. Dellien geht in die Eisen. Ein Wildschwein? Ein Reh? Was hat er da gerammt? Beim Anblick seines Opfers entscheidet Dellien binnen Sekunden - weiterfahren oder helfen? Wenig später liegt Dellien daheim im Bett, an der Seite der Gemahlin.
Am nächsten Tag funken es die Radionachrichten in den Äther: Einen Menschen hat Dellien umgefahren. Einen Obdachlosen mit dem Spitznamen Foxy. Der Mann hat noch einige Stunden gelebt, ist dann elendig verblutet, das ergibt die Untersuchung durch Rechtsmediziner Vogt (Jürgen Hartmann). Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) stehen vor einem Rätsel, Bootz wird zudem von einer beruflichen Sinnkrise geschüttelt. Nichts gegen das, was Dellien vor der Brust hat: Im Ringen um Schuld und Sühne, zwischen Geständnis und Vertuschung, reitet der Mann sich immer tiefer ins Verderben.
Worum geht es wirklich?
Um jenen Bruchteil einer Sekunde, in dem sich alles ändert. Einmal unaufmerksam gewesen - und das sind die Folgen. "Von so betörter Furcht ist Schuld erfüllt, dass, sich verbergend, sie sich selbst enthüllt", zitiert der forsch-pfiffige Vogt den guten, alten Shakespeare. Für den Fahrerflüchtling Dellien gibt es keinen Weg aus dieser Sache heraus, zu blank liegen die Nerven, zu hilflos sind seine Versuche, die Tat zu vertuschen. Oder kommt er am Ende doch noch davon?
Wegzapp-Moment?
Fehlanzeige. So hochtourig Dellien zu Beginn des "Tatorts" unterwegs ist, so geradezu gemächlich mag es zwar danach zugehen, dennoch bleibt man als Zuschauer dicht am Geschehen, ist ungebrochen neugierig darauf, wer sich dort jetzt wohl wie und warum selbst ein Bein stellt.
Wow-Faktor?
Der liegt wohl im Auge des Betrachters bzw. der Betrachterin, und ist eher ein Au-Faktor als ein Wow-Faktor. Was Dellien passiert, bietet unschönes Identifikationspotenzial, beinah schmerzhaft zu beobachten und durchweg vom Bauchgefühl begleitet: So etwas könnte mir auch passieren. Und dann ..?
Wie war's?
7 von 10 Punkten - Regisseur Niki Stein hat schon epochaleres Filmwerk geliefert, dennoch sehr solide, nachgerade klassische Krimikost.
Quelle: ntv.de