Der "Tatort" im Schnellcheck Nicht ohne meinen Sohn
25.12.2023, 20:27 Uhr Artikel anhören
Bildhauerin Annette Baer (Jeanette Hain) und ihr unter Verdacht stehender Sohn Lucas (Béla Gábor Lenz).
(Foto: HR)
Eine Bildhauerin als Übermutter, ein Sohn auf Abwegen, die Gamerszene und ihre Codes, abgeschmeckt mit Mauerfall, Samenspende und Rotwein. Ein kleines Weihnachtswunder, dass Brix und Janneke beim Frankfurter "Kontrollverlust" so tiefenentspannt bleiben.
Was passiert?
Cara Mauersberger (Viktoria Schreiber) liegt erstochen in ihrer Wohnung. Die ambitionierte Gamerin war erst kürzlich aus Sachsen nach Frankfurt übergesiedelt, hatte sich unter dem Pseudonym Chipmunk auf einer Streaming-Plattform einen Namen als engagierte Kommentatorin gemacht. Ihr Ex-Freund Lucas (Béla Gábor Lenz) sitzt derweil mit nervösen Zuckungen in seinem Zimmer, blutverschmierte Hände, ein blutgetränktes T-Shirt vor sich - ein klarer Fall für die Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch)?
Mitnichten - da ist Lucas' Mutter Annette Baer (Jeanette Hain), eine Bildhauerin, von deren diffuser Aura der gute Brix sich angezogen fühlt. Über einen Samenspender war sie zur Schwangerschaft gekommen, hatte sich ganz bewusst entschieden, ihren Sohn ohne Partner großzuziehen. Da ist Leon Hamann (Franz Pätzold), jener Angestellte der Hausverwaltung, der Caras Leiche entdeckt hatte, ein von den gesellschaftlichen Entwicklungen in Jahren seit der Wiedervereinigung frustrierter Freizeit-Revoluzzer. Und ein Gamer namens CancelChipmunk, der Caras Ambitionen mit einer eigenen Agenda attackierte. Die Sache kompliziert sich zunehmend, als es einen weiteren Mord gibt. Gut, dass Fanny (Zazie de Paris) in ihrer Bar einen exquisiten Roten ausschenkt.
Worum geht es wirklich?
Die Frage sollte sich das Publikum im Idealfall wohl selbst beantworten. Um das zunächst nicht allzu offensichtlich zu gestalten, wird wie so oft üblich einiges an vermeintlichen Spuren ausgelegt, dennoch zeigt sich relativ zügig, wer hier neben den Gips-Genossen auch einen Menschen aus Fleisch und Blut nur allzu gern nach seinen Vorstellungen modellieren möchte.
Wegzapp-Moment?
Wer sich von bedeutungsschwer vorgetragenen Platitüden wie "Muttersein ist schon was Seltsames, oder?" nicht abschrecken lässt, wird wohl dranbleiben. Die Gänsebraten- und Lebkuchenherz-Schwere am Abend des zweiten Weihnachtsfeiertages dürfte ihr Übriges tun. Wobei das Alternativprogramm mit dem Weihnachtsspecial von "Wer wird Millionär?", "Top Gun: Maverick", "Aquaman" und "Tatsächlich… Liebe" schon ziemlich attraktiv besetzt ist.
Wow-Faktor?
Der Soundtrack von Bertram Denzel und Max Knoth, eingespielt vom Symphonie-Orchester des Hessischen Rundfunks, ist großartig und verleiht dem Geschehen eine unterschwellig bedrohliche Note. Die im Film gezeigten Skulpturen stammen von der Frankfurter Künstlerin Birgit Brinkmann, die geheimnisvollen Homunkulus-Hingucker sind extra für den Film in einer Zusammenarbeit mit Regisseurin Elke Hauck und Szenenbildner Manfred Döring entstanden.
Wie war's?
3 von 10 Punkten - eine mühsam montierte, überfrachtete Gemengelage, in der Spannung auf der Strecke bleibt.
Quelle: ntv.de