Technik

Geocaching boomt Jäger der Tupperdose

"Noch nie hat ein X irgendwo, irgendwann einen bedeutenden Punkt markiert". Dieser desillusionierende Satz stammt aus dem Mund des bekannten Abenteurers Dr. Henry Jones jr. Doch Filmheld Indiana Jones irrt. Allein in Deutschland sind Tausende bedeutende Punkte markiert. Meist führen die Markierungen zu einem hohlen Baumstumpf, einem Holzstapel oder einem Steinhaufen irgendwo im Wald. Der dort versteckte Schatz ist aber keine Kiste mit Gold, Schmuck oder kostbaren Edelsteinen, sondern meist eine mit Plastiktüten umhüllte Tupperdose mit allerlei wertlosem Zeug wie Stofftierchen, Schlüsselbändern oder Aufklebern drin.

Diese Form der Schatzsuche ohne richtigen Schatz nennt sich Geocaching und findet in Deutschland immer mehr Anhänger. Roger Ebert geht seit April 2003 auf Schatzsuche. In der Geocaching-Welt ist er nur als "Schatztaucher" bekannt. Inzwischen hat er über 200 Schätze - sprich Plastikdosen aller Art - gehoben. Viele davon in Berlin und Umgebung. Aber auch im Spanienurlaub ging Ebert schon auf die Jagd nach exotischen Plastikdosen.

370.000 Anlaufpunkte weltweit.

Start jeder Schatzsuche ist das Internet. Der heilige Gral aller Geocacher ist die Website www.geocaching.com. Dort sind alle Verstecke verzeichnet. Derzeit gibt’s rund 370.000 Anlaufpunkte weltweit. Alles, was jeder Hobby-Indiana-Jones für die Schatzsuche braucht ist ein Handy mit GPS-Funktion oder einen eigenständigen GPS-Empfänger. Sehr verbreitet in der Szene sind die Geräte des US-Herstellers Garmin. Leider sind diese recht teuer. Die Preise für die kleinen Spielzeuge liegen zwischen 150 und 500 Euro. "Bei Ebay kann man aber oft ein Schnäppchen machen", weiß Ebert zu berichten. In das handgroße Global-Positioning-System-Gerät muss jeder Abenteurer die Koordinaten des Verstecks eingeben. Dann wird der handliche Apparat dank der zahlreichen Navigationssatelliten im Orbit zur digitalen Schatzkarte: Ein kleiner Pfeil auf dem Display weist den Weg zum Versteck.

Entwickelt wurde GPS vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium. Bis Mai 2000 konnten Zivilisten mit dem Navigationssystem jedoch nicht viel anfangen. Mit Störsignalen wurde die Genauigkeit der Daten eingeschränkt. Erst der ehemalige Präsident Bill Clinton sorgte dafür, dass die Verschlüsselung abgeschaltet wurde. Seitdem können auch Menschen ohne militärische Ausbildung jeden Ort auf der Welt durch Längen- und Breitengrade bestimmen.

Diesmal peilt das GPS-Gerät des Schatztauchers den "Wald-Cache 1" im Berliner Norden an. Die Koordinaten hat Ebert bereits Zuhause auf sein Gerät übertragen. Im Grunde ist die Jagd nach dem Schatz im tiefen Wald nicht mehr und nicht weniger als ein Spaziergang. Der Schatztaucher genießt jede Minute davon: "Geocaching ist für mich ein Grund öfter mal einen Fuß vor die Tür zu setzen". Nach knapp 30 Minuten ist das Ziel erreicht – der Schatz in greifbarer Nähe. Jetzt muss der Hobby-Schatzgräber das versteckte Kleinod zwischen all den Ästen, Zweigen und Blättern am Boden nur noch finden. Die vorher eingegebenen Koordinaten führen meist nicht direkt an den besagten Punkt, denn nicht immer eine genaue Peilung möglich. Bäume, Wolken und Gebäude erschweren an vielen Orten den Empfang. Abweichungen von mehreren Metern sind durchaus üblich. Oft weisen deswegen zusätzliche Erklärsätze wie "rechts neben dem Baumstumpf", "hinter der großen Eiche" oder "zwischen den Zaunpfosten im Norden" den Weg. Richtig schwierig wird es zudem, wenn Spaziergänger, Jogger und andere Waldläufer in der Nähe sind. Schließlich soll das Versteck geheim bleiben. Sehr oft werden die Schatztruhen von ahnungslosen Zeitgenossen zerstört.

Das Wichtigste ist das Logbuch

Nach wenigen Sekunden ist der Schatz endlich gefunden und gehoben. Versteckt war der "Wald-Cache 1" unter einem großen Haufen von Ästen. Der Inhalt der kleinen rechteckigen Plastikdose: Ein Teelicht, ein Puzzle und viel Kleinkram. Schatztaucher Roger Ebert legt ein Handy-Bag rein und nimmt dafür einen Klammerweihnachtsmann raus. Genau so soll es sein: Wer was raus nimmt, muss auch immer was reinlegen. Das Wichtigste bei jedem Cache – so nennt sich das Versteck - ist das Logbuch. Darin muss sich jeder Finder eintragen. Danach wird der Schatz wieder genau am Fundort versteckt. Andere sollen den Krimskrams schließlich auch finden können. Zu Ende ist die Geocaching-Tour damit noch nicht: Daheim müssen die Finder ihren Besuch beim Cache auf der betreffenden Internetseite eintragen.

Nicht immer sind die versteckten Plastikdosen dieser Welt einfach zu finden. Hoch im Kurs bei Stefan Müller aus Würzburg stehen so genannte Multi-Caches. Dabei müssen die Schatzsucher die Koordinaten des Verstecks erst durch Kreuzworträtsel, Rechenaufgaben oder Wissensfragen herausfinden. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. "Bei einem Cache in Würzburg etwa lernt man im Vorbeigehen etwas über die Geschichte der Stadt", schwärmt Müller. Zudem sind einige Verstecke schwer zu erreichen. Ein Cache in der Nordsee etwa ist nur zweimal am Tag auffindbar. Doch das ist gar nichts im Vergleich zu anderen Ländern: Denn nicht nur einen Tagesstrip entfernt von der ägyptischen Hauptstadt Kairo ist ein Schatz versteckt, sondern auch in Grönland und im Himalaja. Für Freizeit-Schatzjäger gibt's somit noch viel zu entdecken.

Alexander Hüsing

Quelle: ntv.de

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