Panorama

Leichensuche nahe der Atom-Ruine 102-Jähriger bringt sich um

Leichen-Suche in Minamisoma. Die Stadt liegt im Fukusgima-Evakuierungsradius.

Leichen-Suche in Minamisoma. Die Stadt liegt im Fukusgima-Evakuierungsradius.

(Foto: dpa)

Erstmals suchen Bergungskräfte in der radioaktiv verseuchten Zone um Fukushima nach Toten der Katastrophe vom 11. März. Sie finden zehn Leichen , vermutet werden 1000 Tote in dem verstrahlten Niemandsland. Im zerstörten Kernkraftwerk geht der Kampf gegen einen möglichen Super-GAU unvermindert weiter. Die unklare Informationspolitik über die Evakuierung verstrahlter Gebiete führt in Iitate zu einer persönlichen Tragödie.

Japanische Einsatzkräfte haben erstmals die verstrahlte Zone im Umkreis von zehn Kilometern um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima nach Tsunami-Opfern durchsucht. Bis zum Abend fanden sie nach Angaben der Polizei zehn Leichen, am Freitag soll die Suche weitergehen. Laut der Zeitung "Asahi Shimbun" rechnen die Behörden mit rund 1000 Toten in der Zone. Insgesamt sind bislang in den von Erdbeben und Tsunami betroffenen Regionen Japans knapp 13.500 Tote gefunden worden, mehr als 14.700 werden noch vermisst.

In Schutzanzügen, Stiefeln und Schutzmasken arbeiteten sich mehr als 300 Polizisten durch das verstrahlte Niemandsland in unmittelbarer Nachbarschaft des Atomkraftwerks. Die Suche nach den Opfern sei mühsam, sagte ein Polizeisprecher. Einige Tote hätten noch in ihren Autos gesessen, die meisten aber seien unter Trümmern begraben. Alle Leichen wurden demnach auf ihre radioaktive Strahlung untersucht. Ist diese zu hoch, müssten sie vor ihrer Aufbahrung sorgfältig gewaschen werden.

Kaiser-Ehepaar besucht Notunterkunft

Erstmals seit der Naturkatastrophe am 11. März besuchten Kaiser Akihito und seine Frau eine Notunterkunft in der zerstörten Region. Derzeit leben etwa 150.000 Menschen in Notunterkünften, und ihre Zahl dürfte mit der von der Regierung am Montag beschlossenen Ausweitung der Evakuierungsgebiete um das Atomkraftwerk noch weiter steigen.

Unermüdlicher Kampf im AKW

Der gesamte Komplex in Fukushima ist erheblich zerstört.

Der gesamte Komplex in Fukushima ist erheblich zerstört.

(Foto: REUTERS)

In der Atomruine Fukushima setzten die Arbeiter unterdessen ihre Bemühungen fort, eine weitere radioaktive Verseuchung der Umgebung zu verhindern. Bis zum Abend pumpten sie mehr als 700 Tonnen hochgradig radioaktiv verseuchten Wassers aus dem zerstörten Reaktor 2 in gesicherte Container, wie ein Sprecher der Betreiberfirma Tepco mitteilte. Bis allerdings alle Reaktorblöcke trockengelegt seien, könnten noch "mehrere Wochen" vergehen. Erst dann können die Arbeiter mit der Reparatur der beschädigten Kühlsysteme und der Versiegelung der Blöcke beginnen. Um Wasserstoff-Explosionen in Reaktor 1 zu verhindern, füllten sie Stickstoff ein. Arbeiter begannen auch damit, radioaktive Trümmer vom Werksgelände zu entfernen, um den Zugang zu den Reaktoren zu erleichtern. In Sicherheitsbehältern soll der Müll später in Entsorgungslager gebracht werden.

Tepco gab zudem bekannt, dass einige der gelagerten Brennstäbe in Reaktor 4 beschädigt sind, berichtete die Agentur Kyodo. Dies habe die Untersuchung einer Wasserprobe aus dem Meiler ergeben. "Die meisten sind aber vermutlich in einem guten Zustand", hieß es. Tepco erhofft sich mehr Klarheit durch den Einsatz einer unbemannten Drohne, mit der in die Anlage geschaut werden kann.

Kan immer mehr unter Druck

Für Japans Regierungschef Naoto Kan wird die Atomkatastrophe immer mehr zur persönlichen Belastungsprobe. Nach wochenlanger Ruhepause begannen auf politischer Ebene wieder die alten Grabenkämpfe zwischen Regierung und Opposition aber auch innerhalb der Demokratischen Partei von Kan.

Erstmals forderte der Chef der oppositionellen konservativen Liberaldemokratischen Partei, Sadakazu Tanigaki, dessen Rücktritt. Eine Fortdauer der gegenwärtigen Führung sei für das Volk "extrem unglücklich", sagte Tanigaki. Er deutete an, seine Partei könne in beiden Parlamentskammern Misstrauensvoten gegen Kans Regierung anstrengen.

Tsunami-Region soll "vorbildhaft" wiederauferstehen

Die zerstörten Städte - hier Rikuzentakata - sollen schöner denn je wieder aufgebaut werden.

Die zerstörten Städte - hier Rikuzentakata - sollen schöner denn je wieder aufgebaut werden.

(Foto: AP)

Unterdessen begannen die Planungen für einen Wiederaufbau der zerstörten Gebiete. Bei einem ersten Treffen mit dem zuständigen Gremium forderte Kan, der Wiederaufbau müsse Vorbildcharakter haben. Er wünsche sich einen Plan, der die Region zur lebenswertesten der Welt mache, sagte Kan. Nach Angaben von Kyodo schwebt dem Regierungschef eine neue Öko-Stadt weiter im Landesinneren für etwa 50.000 bis 100.000 Menschen vor. Sie soll allen Einwohnern der Evakuierungszonen Platz bieten, sollte sich herausstellen, dass sie wegen der radioaktiven Strahlung nie mehr in ihr altes Zuhause zurückkehren können. Bis Juni soll das Gremium seine Vorschläge ausgearbeitet haben.

Tragödie in Iitate

Einwohner der Dorfes Iitate, etwa 40 Kilometer vom AKW entfernt, hören ihrem Bürgermeister Norio Sugano zu, der den Evakuierungsplan der Regierung verkündet.

Einwohner der Dorfes Iitate, etwa 40 Kilometer vom AKW entfernt, hören ihrem Bürgermeister Norio Sugano zu, der den Evakuierungsplan der Regierung verkündet.

(Foto: AP)

Weil er nach der Nuklearkatastrophe im AKW Fukushima sein Dorf verlassen sollte, hat sich ein 102 Jahre alter Mann offenbar das Leben genommen. Der älteste Bewohner des 40 Kilometer von dem Unglücks-Kraftwerk entfernt gelegenen Dorfes Iitate sei kurz vorher von seiner Familie über die anstehende Evakuierung unterrichtet worden, berichtete die Nachrichtenagentur Jiji unter Berufung auf Behördenvertreter. Diese vermuteten, dass er aus Verzweiflung darüber, aus seinem Haus zu müssen, Selbstmord beging. Es sei aber nicht sicher, ob er sich tatsächlich das Leben genommen habe.

Iitate ist eine von fünf Ortschaften außerhalb der bereits geltenden 20-Kilometer-Evakuierungszone, deren Räumung die japanische Regierung am Montag angeordnet hatte. Die Regierung hält diesen Schritt angesichts der möglichen gesundheitlichen Folgen einer langfristigen Strahlenbelastung für notwendig. Seit dem Beginn der Atomkatastrophe in Folge der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe vom 11. März haben bereits zehntausende Menschen in der Umgebung des havarierten Meilers ihre Häuser räumen müssen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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