Panorama

Mindestens 550 Tote in Türkei 13-Jähriger überlebt 108 Stunden

Geschafft: Helfer kümmern sich um den 13-Jährigen.

Geschafft: Helfer kümmern sich um den 13-Jährigen.

(Foto: AP)

Fast fünf Tage nach dem schweren Erdbeben im Osten der Türkei können Retter einen 13-Jährigen lebend aus den Trümmern retten. Allerdings bergen die Suchmannschaften bislang auch mindestens 550 Tote. Einsetzende Kälte und Schneeregen erschweren die Bedingungen für die Überlebenden.

Ein 13 Jahre alter Junge ist fast 108 Stunden nach dem verheerenden Erdbeben in Ercis im Osten der Türkei lebend aus den Trümmern gerettet worden. Der 13-Jährige wurde verletzt in ein Krankenhaus gebracht. "Direkt nach dem Beben hörte ich schon Stimmen der Rettungsmannschaften. Ich rief um Hilfe, aber sie hörten mich nicht, weil ich im Erdgeschoss war", sagte der kleine Ferhat Tokay der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu. Nachdem mehrere Wände des eingestürzten sechsstöckigen Gebäudes in Ercis abgetragen waren, habe er auf sich aufmerksam machen können.

Wenige Stunden zuvor waren zwei verschüttete junge Männer gerettet worden. Die 18 und 19 Jahre alten Opfer des Bebens vom Sonntag seien von Suchmannschaften aus der Türkei und aus Aserbaidschan aus Trümmern befreit worden, berichteten türkische Fernsehsender. Der 18-jährige, der am Freitag zusammen mit Ferhat Tokay in einem Krankenzimmer lag, sagte, er habe seinen Durst mit Regenwasser stillen können. "Ich habe die ganze Zeit daran geglaubt, dass ich gerettet werde", sagte er. Er habe den Lärm der bei der Bergung eingesetzten Maschinen gehört.

Der Krisenstab der Regierung teilte mit, dass bislang 187 Menschen lebend geborgen worden seien. Die Zahl der geborgenen Leichen sei nach dem Beben vom Sonntag auf 573 gestiegen. Die Zahl der bei dem Beben Verletzten wurde auf 2608 nach oben korrigiert.

Schneeregen erschwert Arbeiten

Einsetzender Schneeregen erschwert in der Provinz Van die Bedingungen für Überlebende des Bebens, von denen einige noch immer auf Zelte warteten. Das Beben mit einer Stärke von 7,2 hatte am Sonntag in der Provinz Van fast 2300 Häuser zerstört. Die Provinz Van liegt im Südosten des Landes und grenzt an den Iran. Sie wird mehrheitlich von Kurden bewohnt. Die Türkei wird immer wieder von heftigen Erdbeben heimgesucht.

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(Foto: AP)

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Baufirmen und Aufsichtsbehörden am Vortag schwere Versäumnisse vorgeworfen. Bei der Katastrophe sei der Beton einiger Gebäude wie Sand zerbröselt. Die Nachlässigkeit von Kommunen, Bauunternehmen und Kontrolleuren sei als ein Verbrechen zu betrachten.

Die international bekannte Kurdenpolitikerin Leyla Zana kritisierte dagegen die türkische Regierung wegen der Ablehnung ausländischer Hilfe in den ersten Tagen nach dem Erdbeben scharf. "Wäre die Türkei ein entwickeltes Land, hätte sie internationale Hilfe angenommen. Die Rettungsarbeiten hätten viel schneller vorankommen können", sagte Zana.

Ausland schickt Hilfe

Sie kritisierte zudem, dass die Regierung die Hilfe in der Provinz Van nicht mit der Kurdenpartei BDP koordiniere. Nach dem Beben am Sonntag waren Regierungsstellen auf Angebote internationale Unterstützung zunächst nicht eingegangen.

Aus dem Ausland traf unterdessen Hilfe für die Erdbebenopfer ein. Israel lieferte am Donnerstag in einem Flugzeug Wohncontainer nach Ankara, die mit Lastwagen in die Provinz Van gefahren werden sollen. Zudem wurden Hilfslieferungen der Vereinten Nationen erwartet, die Tausende Zelte sowie Decken und Matratzen einfliegen wollten. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bringt den Erdbebenopfern in der Türkei Zelte, Decken und Heizöfen. Die Kosten für Ausrüstung und Flug in Höhe von 360.000 Euro habe das Auswärtige Amt übernommen, sagte ein DRK-Sprecher.

Türkische Zeitungen berichteten unter Berufung auf Experten, in der Türkei seien etwa 40 Prozent der Gebäude bei Erdbeben stark einsturzgefährdet. Allein in Istanbul müssten demnach zehn Prozent der Häuser umgehend durch Neubauten ersetzt werden. Für das Land seien Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe nötig. Die Einnahmen aus einer 1999 eingeführten Erdbebensteuer seien aber für Bildung, Straßenbau und das Gesundheitswesen verwendet worden.

Quelle: ntv.de, dpa

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