Panorama

Vor 40 Jahren in Bremen 68er besetzten Schienen

Das Jahr 1968 hat einer ganzen Generation einen Namen gegeben. Es war ein Jahr der Rebellion gegen das "Establishment". In die Geschichte ging das Jahr als Höhepunkt der Studentenrevolte mit teils schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei ein. In Bremen bot die Erhöhung der Straßenbahntarife am 15. Januar 1968 einen willkommenen Anlass zum Aufstand gegen den Staat und seine Institutionen.

Schüler setzten sich vor 40 Jahren aus Protest gegen die Tarif- Erhöhung in der Innenstadt auf die Schienen und blockierten den Verkehr. "Wir waren überrascht. Damit hatten wir nicht gerechnet", sagt der damals regierende Bremer Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) im Rückblick.

"Draufhauen, nachsetzen"

Bilder von Wasserwerfern im Einsatz beherrschten mehrere Tage die Tageszeitungen. "Draufhauen, draufhauen, nachsetzen", so lautete die Devise von Bremens Polizeipräsident Erich von Bock und Polach. Was mit etwa 15 Schülern des "Unabhängigen Schülerbundes" (USB) auf den Schienen begann, fand in den Folgetagen immer mehr Zuspruch.

"Es waren keine Steinewerfer, es gab keine Gewaltexzesse", sagt Koschnick. Hätten die Protestierer damals zu Pflastersteinen gegriffen, wären keine anderen hinzugekommen. So waren es am fünften Tag mehrere tausend Demonstranten. Koschnick war an diesem Tag nicht in Bremen, sondern in Düsseldorf. Im Nachhinein sei das ein Fehler gewesen, sagt der 78-Jährige. "Man muss in kritischen Situationen immer da sein." Seine damalige Vertreterin, Jugend- und Sozialsenatorin Annemarie Mevissen (SPD), sprach stattdessen zu den Demonstranten. Die Polizei hatte sich an dem Tag zurückgezogen.

"Als sich die Arbeiter der beiden großen Werften AG Weser und Bremer Vulkan mit den Schülern solidarisierten, mussten wir handeln", erinnert sich Koschnick. Die geplante Erhöhung der Fahrpreise habe damals alle parlamentarischen Hürden genommen. Keiner habe Bedenken gehabt, mit Protesten wurde nicht gerechnet.

Eine Woche dauerte der Aufstand, dann war die drastische Fahrpreis-Erhöhung von rund 15 Prozent vom Tisch. Koschnick kündigte an, dass die Preise von Schüler- und Monatskarten für Arbeitnehmer nicht erhöht werden. Möglich wurde dies durch den Verzicht auf die an den Staat zu zahlende Verkehrswegeabgabe. "Das war eine sehr vernünftige Maßnahme für den öffentlichen Personennahverkehr. Das haben ungewollt die Schüler erreicht", meint Koschnick. Danach sei innerhalb kurzer Zeit diese "uralte" Abgabe in allen Bundesländern weggefallen.

Die Straßenbahn-Unruhen der jungen "68er" beschäftigten anschließend einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Bremischen Bürgerschaft. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass der Polizeieinsatz zu hart gewesen war. Politisch gestolpert ist damals keiner im Bremer Senat, und auch der Polizeipräsident blieb noch viele Jahre im Amt. Aber, so resümiert Koschnick, "wir mussten eine Woche politisches Lehrgeld bezahlen".

Von Vera Jansen, dpa

Quelle: ntv.de

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