Panorama

"Drill, baby, drill" Amerikaner lässt Öl-Unfall kalt

140 Tonnen Rohöl strömen täglich vor der US-Küste ins Meer. Es droht eine ökologische Katastrophe. Das Thema müsste eigentlich die US-Medien dominieren, doch: Fehlanzeige.

Der Ölteppich im Golf von Mexiko wird immer größer.

Der Ölteppich im Golf von Mexiko wird immer größer.

(Foto: dpa)

Europäer, besonders Deutsche, werden von größeren Ängsten in Sachen Ökologie und Umwelt getrieben als ihre amerikanischen Zeitgenossen. Das ist hinlänglich bekannt. Dennoch: Die Art und Weise, wie die amerikanischen Massenmedien über die drohende Ölpest berichten, lässt Beobachter aus der alten Welt nur staunen. Da sprudeln immerhin 140 Tonnen Rohöl am Tag ins Meer, der Ölfilm an der Meeresoberfläche ist streckenweise bereits 120 Kilometer lang - doch das Topthema beim TV-Sender CNN ist das parlamentarische Hickhack um die Finanzreform.

Auch bei anderen Medien sieht es nicht viel anders aus: Die populäre Zeitung "USA Today" berichtet auf der Titelseite, dass jüngere Leute immer weniger am christlichen Glauben hängen und dass es mittlerweile auch im Mittleren Westen wirtschaftlich aufwärtsgeht. Thema Öl und Umwelt: Fehlanzeige. Erst auf Seite vier unten taucht es auf - nicht eben prominent. Selbst bei der hochseriösen "Washington Post" ist das ganz ähnlich.

Anderes ist wichtiger

Amerikaner scheint das Thema seltsam kalt zu lassen - warum nur? Kritische europäische Linke und Verschwörungstheoretiker könnten die Macht und den Einfluss der Ölindustrie für die Haltung der Amerikaner ins Feld führen. Tatsächlich ist die unterschiedliche Wahrnehmung in Sachen Öko und Umwelt aber nichts Neues: Ex-Präsident George W. Bush machte über die These der Erderwärmung und Klimakatastrophe Witze - und selbst sein Nachfolger Barack Obama, rhetorisch ein glühender Anhänger von "grüner Energie", hat das Thema Klimaschutz angesichts des politischen Widerstands erstmal in die zweite Reihe geschoben. In Amerika ist anderes wichtiger - und über die ewigen Bedenkenträger unter den Europäern mokiert man sich gern. Das deutsche Wort "Angst" ist nicht zufällig in den amerikanischen Sprachgebrauch eingegangen.

Dabei zeigt die gesunkene Bohrinsel bereits erste politische Folgen. Mehrere demokratische Senatoren fordern eine parlamentarische Anhörung. "Dies könnte die schwerste Katastrophe der letzten Jahre sein, aber es handelt sich sicherlich nicht um einen Einzelfall", meinen sie zur Begründung. Die Senatoren machen keinen Hehl daraus, wen sie im Visier haben. Die Explosion auf der Plattform, das anschließende Feuer, der vermutliche Tod von elf Arbeitern und die Folgen für die Umwelt "lassen schwere Sorge über die Behauptung der Industrie aufkommen, dass ihre Operationen und ihre Technologie sicher sind". Das klingt nach Bereitschaft, sich mit der mächtigen Ölindustrie anzulegen.

Topthema im Präsidentenwahlkampf

Es ist noch gar nicht lange her, da war das Thema Ölbohrungen ein echtes Topthema, das Amerikaner bewegte und polarisierte. Bereits im Präsidentenwahlkampf 2008 hatten die republikanischen Bewerber John McCain und seine Vizekandidatin Sarah Palin Druck gemacht, endlich mehr "off shore drilling", also Bohrungen im Meer zuzulassen. "Drill, baby, drill", hieß das aufpeitschende Schlagwort und das Argument war höchst raffiniert: Die USA würden mit ihren Ölimporten arabischen Ländern Milliarden Dollar Einnahmen bescheren - und ein Teil dieses Geldes würde in den Taschen von Terroristen landen, die Amerika bedrohen.

Zwar blieb Obama zunächst hart, lehnte weitere Meeresbohrungen ab, verteidigte seine Vision von sauberer Energie wie Wind und Sonne. Doch dann vollzog er eine energiepolitische Wende und kündigte an, er wolle nun doch weitere Bohrungen vor den Küsten genehmigen. Obama begründete dies unter anderem mit angeblichen neuen und schonenden Technologien, die der Ölindustrie heute zur Verfügung stünden. "Wir schützen Gebiete, die wichtig sind für den Tourismus, die Umwelt und unsere nationale Sicherheit", versprach er - das war vor ein paar Wochen.

Quelle: ntv.de, Peer Meinert, dpa

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