Staatsanwalt strenger als Erdogan Betreiber türkischer Zeche sind in Haft
18.05.2014, 17:20 Uhr
(Foto: REUTERS)
War das Grubenunglück von Soma unvermeidbar? Ministerpräsident Erdogan stellt es so dar, doch die Staatsanwaltschaft hat andere Erkenntnisse. Sie leitet gegen drei Verdächtige Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung ein.
Fünf Tage nach dem folgenschwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei hat die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen drei Verdächtige wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Staatsanwalt Bekir Sahiner sagte, die drei seien Teil der insgesamt 25 Verdächtigen, die festgenommen wurden. Medienberichten zufolge gehört zu den Festgenommenen auch die Leitung des Zechenbetreibers.
Dutzende Staatsanwälte waren am Freitag mit den Ermittlungen zum Bergwerksunglück von Soma beauftragt worden, bei dem am Dienstag nach amtlichen Angaben 301 Bergarbeiter getötet wurden. Die Ermittler werfen den Betreibern der Zeche Fahrlässigkeit vor. Die Regierung in Ankara hatte dem Bergbauunternehmen Soma Kömür Isletmeleri dagegen tagelang öffentlich bescheinigt, nicht gegen Sicherheitsauflagen verstoßen zu haben.
Festnahmen auch von Demonstranten
Die Zeitung "Milliyet" verwies unter Berufung auf einen vorläufigen Ermittlungsbericht auf zahlreiche Sicherheitsmängel in der Grube, etwa das Fehlen von Rauchmeldern oder Fluchträumen. Grubenchef Alp Gürkan hatte sich 2012 damit gebrüstet, die Produktionskosten von 130 Dollar auf 24 Dollar pro Tonne gesenkt zu haben.
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte bei einem Besuch in Soma am Mittwoch Grubenunglücke als unvermeidbar bezeichnet und damit wütende Massenproteste ausgelöst. Nach dem Stopp der Bergungsarbeiten riegelten Sicherheitskräfte die Unglücksgrube am Wochenende ab. An den Zufahrtsstraßen nach Soma wurden Straßensperren eingerichtet. Sämtliche öffentliche Kundgebungen waren verboten.
Am Samstag waren mindestens 36 Menschen vorübergehend festgenommen worden, darunter acht Anwälte. Einige von ihnen, die die Angehörigen der Opfer beraten wollten, seien geschlagen und verletzt worden, teilte der Anwaltsverband CHD mit. Den Festgenommenen, die am Nachmittag wieder auf freien Fuß kamen, wurde zur Last gelegt, dass sie trotz Versammlungsverbots eine öffentliche Erklärung abgeben wollten.
Uni beendet Zusammenarbeit
Am Freitag waren die Sicherheitskräfte in Soma mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gegen mehr als 10.000 Demonstranten vorgegangen. Sie warfen dem Grubenbetreiber und Erdogans islamisch-konservativer Regierung mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und Nachlässigkeit vor und machten sie für die Tragödie mitverantwortlich.
In Istanbul hielten derweil dutzende Studierende die technische Fakultät besetzt. Sie ketteten sich in Hörsälen fest. Die angehenden Ingenieure werfen der Uni ihre engen Verbindungen zu den Zechenbetreibern vor. In einer ersten Reaktion kündigte die Hochschulleitung an, die Verbindungen zu den Vertretern von Soma Kömür Isletmeleri, die bislang im Verwaltungsrat der Fakultät saßen, kappen zu wollen.
Quelle: ntv.de, che/AFP